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Eine Strategie für nachhaltige Verpackungen sollte Primär-, Sekundär und Tertiärverpackungen umfassen. (Bild: Gennadiy Poznyakov – Adobe Stock Tabletten Medikamente)

Entscheider-Facts

  • Pharma- und Lebensmittelindustrie legen zunehmend Wert auf nachhaltige Verpackungen als Bestandteil ihrer generellen Nachhaltigkeitsstrategie.
  • Beim Umsetzen nachhaltiger Lösungen lohnt es sich, Primär-, Sekundär und Tertiärverpackungen gemeinsam zu betrachten.
  • Effektive Ansatzpunkte für mehr Nachhaltigkeit im Verpackungsbereich sind eine verbesserte Recyclingfähigkeit der Verpackung und ein intelligentes Abfallmanagement in der Abfüllung.

Der Gesetzgeber stellt hohe Anforderungen an Verpackungen für Lebensmittel und Arzneien. Sicherheits- und Hygienestandards müssen eingehalten werden, darüber hinaus darf das Verpackungsmaterial keine potenziell schädlichen Stoffe an das enthaltene Produkt abgeben. Für die Pharmaindustrie gilt zusätzlich die Pflicht zur Serialisierung und Versiegelung, um Fälschungen auszuschließen. Genügend Auflagen, um aus einer Nebensache, die eine Verpackung ja eigentlich sein sollte, eine hochkomplexe Aufgabe zu machen. Hinzu kommt der Trend zu einer nachhaltigeren Produktion.

Unlängst forderte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) in einem Diskussionspapier EU-weit verbindlich festgelegte Recyclingquoten in Verpackungen.

Zwar werden Pharmaunternehmen anders als Lebensmittelproduzenten weniger von Konsumenten unter Druck gesetzt – Patienten kaufen Medikamente schließlich nicht nach der Verpackung. Doch auch Investoren und Geschäftspartner fordern zunehmend Strategien zur Dekarbonisierung und gegen Umweltverschmutzung. Leider lassen sich nachhaltige Verpackungslösungen aber noch nicht einfach bestellen und einsetzen: „Es gibt heute noch keine Verpackung, die die hohen Standards erfüllt und zugleich hundertprozentig nachhaltig ist“, betont Jan-Christoph Kischkewitz, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Inverto und Experte für die Pharmaindustrie. Das liegt auch daran, dass Nachhaltigkeit verschiedene Aspekte beinhaltet, die einander durchaus widersprechen können. So vermeiden Mehrwegsysteme zum Beispiel Müll, verursachen aber bei langen Transportwegen mehr CO2 als Einwegbehälter. Beschichteter Karton spart Plastik, lässt sich aber nicht gut recyceln. Glas wiederum lässt sich hervorragend recyceln, jedoch ist gerade bei der Produktion kleiner Dosen und Fläschchen, wie sie in der Pharmaindustrie üblich sind, der Energieverbrauch sehr hoch – die Liste ließe sich noch mit vielen weiteren Beispielen anreichern.

Erst Ziele festlegen, dann Strategie entwickeln

Rudolf Trettenbrein, Geschäftsführer von Inverto und Experte für die Lebensmittelindustrie und Nachhaltigkeit, rät zu einer ganzheitlichen Strategie: „Zunächst einmal sollten Unternehmen für sich festlegen, welche Nachhaltigkeitsziele sie hauptsächlich verfolgen wollen.“ Konzepte für Verpackungen sollten sich in diese Gesamtstrategie einfügen. Sind die Ziele klar, sollten Unternehmen überprüfen, wo sie aktuell stehen und welche Schritte notwendig sind, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Wichtig sei, dass der Einkauf von Anfang an in die Planungen einbezogen werde, um den Markt zu sondieren und realistische Einschätzungen zu Verfügbarkeit, Aufwand sowie Mehrkosten zu geben.

Nachhaltige Verpackungen sind nicht zwangsläufig teurer, betont der Experte: Wird zum Beispiel Material eingespart oder auf Hochglanz-Beschichtungen verzichtet, sinken die Kosten. Andererseits kann an unerwarteter Stelle höherer Aufwand entstehen, etwa wenn das Substitut zwar günstiger ist, Maschinen aber aufgrund veränderter Materialeigenschaften langsamer laufen als zuvor.

Die Tertiärverpackung mit betrachten

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Nachhaltigkeit im Verpackungsbereich beginnt bei der Abfüllung von Produkten. Besonders im Pharmabereich sind die Anforderungen hoch. (Bild: Avatar_023 – Adobe Stock)


Zu den Verpackungen, die es zu optimieren gilt, zählen für Trettenbrein nicht nur die Primär- und Sekundär-, sondern auch die Tertiärverpackungen, die der Endverbraucher in der Regel nicht zu Gesicht bekommt. „Da wird oft Potenzial übersehen und nicht realisiert, weil die Unternehmen diesen Bereich nicht im Fokus haben“, hat er beobachtet. Auch hier gilt: Eine ganzheitliche Betrachtung aller Verpackungen ermöglicht Lösungen aus einem Guss zu entwickeln. Das ist effizienter und in der Regel auch kostengünstiger als der Versuch, Primär-, Sekundär- und Tertiärverpackungen getrennt voneinander nachhaltiger zu gestalten.

In einer breit angelegten Studie hat das Beratungsunternehmen Lebensmittel- und Konsumgüterproduzenten, Händler und Verpackungshersteller zu nachhaltigen Verpackungen befragt. Die große Mehrheit der Befragten will künftig den Anteil nachhaltiger Verpackungen deutlich steigern, jedoch herrscht viel Unsicherheit darüber, welche Lösungen wirklich sinnvoll sind. Auch trauen viele Unternehmen dem eigenen Einkauf nicht den nötigen Marktüberblick zu, um die richtige Verpackungslösung zu finden. Ein weiteres Problem ist der Mangel: Innovative Materialien stehen nicht immer in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung.

„An nachhaltigen Materialien wird zurzeit intensiv geforscht“, bestätigt Trettenbrein. Es werde aber noch eine Weile dauern, bis etwa Kunststoffe aus Lebensmittelabfällen oder Papier aus Grasfasern in ausreichend großen Mengen zur Verfügung stehen, um den zukünftigen Bedarf zu decken. Aktuell beträgt der Anteil von Biopolymeren an der Gesamtproduktion von Kunststoff zum Beispiel weniger als ein Prozent. Der Anteil von Kunststoff-Rezyklaten beträgt rund elf Prozent.

Recyclingfähigkeit beachten

Rezyklate kommen derzeit als Primärverpackung für Lebensmittel und Pharmazeutika ohnehin noch nicht in Frage: „Das Risiko, dass im Rezyklat Verunreinigungen enthalten sind, ist viel zu groß“, betont Joline Langhans, Project Manager bei Inverto und Leiterin des Competence Centers Healthcare. Die einzige Ausnahme sind PET-Flaschen, für die dank des Dosenpfandes ein geschlossener Sammel- und Wiederaufbereitungskreislauf besteht. Anders sieht es bei den Sekundärverpackungen aus: Hier kann durchaus Recyclingkarton verwendet werden. „Sinnvoll ist das für Arzneimittel allerdings nur bei Neuentwicklungen, um die Verpackung direkt mit freigeben zu lassen“, rät Langhans.

Auch wenn Pharmaunternehmen und Lebensmittelproduzenten Recyclingmaterialien nicht selbst verwenden können, können sie viel zur Recyclingfähigkeit ihrer Primärverpackungen beitragen. So lassen sich etwa Monomaterialien weitaus leichter recyceln als Verbundstoffe und sollten daher bevorzugt eingesetzt werden. Auch Farbpigmente im Kunststoff können die Wiederverwertung beeinträchtigen. Sofern die Einfärbung nicht dem Lichtschutz dient, sollten Unternehmen darauf verzichten.

Darüber hinaus können Unternehmen ihr Abfallmanagement optimieren, um geschlossene Wertstoffkreisläufe zu ermöglichen. „Für einen Kunden haben wir in der Produktion von Blistern eine automatisierte, getrennte Sammlung von Kunststoffresten und Alufolie eingerichtet“, berichtet Langhans. Die Reste und Verschnitte werden seitdem an ein Recyclingunternehmen abgegeben. Langhans: „Das ist umweltfreundlich und kosteneffizient zugleich.“

Manchmal ist es aber auch sehr einfach, eine nachhaltige Lösung zu finden. Geschäftsführer Trettenbrein erinnert sich an einen Hersteller von Cerealien, der eine Verpackung aus Pappe, Kunststoffboden und einer Aluminiumplatine als Verschluss verwendete. Zunächst wurde der Kunststoffboden gegen Pappe ausgetauscht, schließlich auch die Aluminiumplatine. „Die Verpackung besteht seitdem komplett aus Pappe – sie ist günstiger als zuvor und kann komplett im Altpapier entsorgt werden.“

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