Grafik Aktenordner aus einem Laptop Monitor kommend

(Bild: Suelzengenappel – StockAdobe.com)

Entscheider-Facts

  • Die Prozessindustrie steht bei der Digitalisierung vor besonderen Aufgaben, etwa bei der digitalen Integration von komplexen Produktionsverfahren und der Entwicklung digitaler Zwillinge.
  • Das Beispiel der papierlosen Dokumentation zeigt, dass es für diese Fragestellungen sicher umsetzbare Lösungen gibt.
  • Diese Herausforderungen anzugehen, kann Zeit, Geld und Platz sparen sowie die Sicherheit erhöhen.

Bei der digitalen Transformation sehen sich Chemieunternehmen mit diversen Herausforderungen konfrontiert, etwa bei der Leistungssteigerung der Supply Chains, der Integration der Produktionsabläufe und bei Compliance-Updates. Ein eher alltägliches Thema, das jedoch viele Unternehmen in der Branche nur zögerlich angehen und über das sich großes transformatives Potenzial heben lässt, ist der Abschied von Papierdokumenten bzw. die vollständige Digitalisierung der Dokumentation. Dabei ist dieser Schritt sicherer, einfacher und viel schneller rentabel, als viele glauben – wenn man richtig vorgeht.

Sobald es um aufbewahrungspflichtige Dokumente geht, ist in den meisten Unternehmen der Prozessindustrie heute eine „Hybrid-Lösung“ üblich: Die Unterlagen werden nicht durchgängig digital erfasst, gespeichert und aktualisiert, sondern generell in Papierform abgelegt, um die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Im Tagesgeschäft arbeitet man zugleich zum Beispiel mit Scans, die letztendlich ebenfalls wieder auf Papier ausgedruckt und entsprechend abgelegt werden müssen. Der rechtlichen Sicherheit stehen also hohe Aufwände für die Archivierung gegenüber, zugleich kann der Platzbedarf für die weiter zunehmenden Papiermengen Folgekosten mit sich bringen.

Eine vollständige Dokumentendigitalisierung löst diese Herausforderungen. Sie ist mit dem sogenannten „Ersetzenden Scannen“ gesetzeskonform möglich. Dieses Verfahren ersetzt die Hybriddokumentation durch eine beweiswerterhaltende, regelkonforme, vollständig elektronische Erfassung und Archivierung von Herstellungs- und Qualitätsdokumenten, inklusive aller Rohdaten und Berichte. Das Ergebnis sind „True Copies“.

Effizienz- und Ressourcengewinne

Ein regelkonformes Ersetzendes Scannen bringt mehrere Vorteile mit sich, insbesondere bei der vereinfachenden Digitalisierung operativer Prozesse wie dem Unterschriftenlauf oder bei Freigabeprozessen. Es ermöglicht die Sicherstellung der Datenintegrität, etwa mittels digitaler Signaturen. Zudem stehen Informationen dank Software-Funktionen wie einer Texterkennung/OCR-Suche unmittelbar zur Verfügung. Die Verschlagwortung, Verknüpfung sowie die zentrale Ablage der digitalisierten Dokumente sorgen darüber hinaus für deren schnelle Wiederauffindbarkeit. Dies ermöglicht ortsunabhängigen Zugriff zu jeder Zeit.

Außerdem macht es die Papierarchive mit der Zeit überflüssig. Das kann für einen erheblichen Raumgewinn sorgen und reduziert Kosten für das Archiv-­Management und für Sicherheitsvorkehrungen wie den Brandschutz. Spätestens bei der Entscheidung zwischen der Finanzierung eines Neubaus zur Lagerung von Papierdokumenten oder einer Digitalisierung der Archive erweist sich in der Regel die zweite Option schnell als rentabler.

Richtlinien zum regelkonformen Scan- und Ablageprozess

Wer sich für eine gesetzeskonforme und vollständige digitale Archivierung entscheidet, sollte dies im Bewusstsein tun, dass damit ein vollständiger, konsequenter Abschied vom Papierformat einhergehen muss – schließlich macht eine Digitalisierungsinitiative bzw. -strategie keinen Sinn, wenn die Mitarbeiter weiter Dokumente ausdrucken.

Die entscheidenden Ausgangspunkte für eine solche Initiative sind zwei Richtlinien des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): Zum einen TR-03138 für Ersetzendes Scannen (Resiscan) und zum anderen TR-03125 zur Beweiswerterhaltung kryptographisch signierter Dokumente (ESOR). Diese stellen den jeweils aktuellen Stand der Technik dar.

TR-Resiscan – Ersetzendes Scannen

Diese Richtlinie betrifft alle Prozesse der elektronischen Erfassung bei der Übertragung vom Papieroriginal in eine digitale Kopie. Sie berücksichtigt den Verlust der Sicherheitsmerkmale des Papiers (Art, Beschaffenheit, Tinte etc.) und definiert einen gesicherten Scanprozess, der den Beweiswert des Originalbelegs im gescannten Beleg erhält und damit die Nachweisfähigkeit (Compliance) sicherstellt.

TR-Esor – Beweiswerterhaltung kryptographisch signierter Dokumente

Doch was ist bei der „Transformation“ vom Papierdokument bis zu dessen digitaler Speicherung zu berücksichtigen? Mit der Integritätssicherung sowie der sicheren, langfristig beweiswerterhaltenden Aufbewahrung/Speicherung gescannter und kryptographisch signierter Dokumente befasst sich die BSI-Richtlinie zum TR-Esor-Verfahren. Diese beschreibt zum Beispiel das Vorgehen bei digitalen Freigabeprozessen durch digitale Signaturen, Siegel- und Zeitstempelformate. Auch der unternehmensübergreifende Informationsaustausch von „True Copies“ ist darin geregelt. Bei der rechtssicheren Eliminierung von Hybriddokumentationen kommt mit TR-Esor außerdem ein international etablierter Standard zum Einsatz, der die maximale Datenintegrität sichert. Die Umsetzung beider Richtlinien sorgt zudem dafür, dass durch das Scannen und die Archivierung keine Medienbrüche mehr entstehen.

Scankonzept für Ersetzendes Scannen

Weil beim Ersetzenden Scannen alle Papierdokumente nach Scan und Verifizierung vernichtet werden, ist ein integriertes Konzept entscheidend. Dies gilt für Archive wie für das gesamte „Daily Business“. Unternehmen, die ein solches Scankonzept entwickeln möchten, sollten dies in sechs aufeinanderfolgende Phasen gliedern. In der Initiierungsphase steht die Sammlung generischer Inhalte und bisheriger Erkenntnisse aus Ist-Analysen und W-Fragen im Vordergrund, die das Scankonzept beinhalten soll. Darauf aufbauend werden der Ablauf und die praktische Durchführung des Scanprozesses bildlich und textuell entworfen. Dieser Prozess sollte als User Story ins Lastenheft der Scansoftware übernommen werden. In der dritten Phase sind die Soll-Prozesse sowie technische, organisatorische, personelle und Sicherheitsmaßnahmen zu konkretisieren.

Die vierte Station betrifft das Thema der Beweiswerterhaltung mit der TR-Esor-Middleware. Hier sind ausschließlich die funktionalen und technischen Anforderungen in das Lastenheft aufzunehmen. Schließlich ist die Gesamtarchitektur des Scansystems, der Middleware und der Zielsysteme festzulegen. Das fertige Scankonzept kann in der abschließenden Phase als Blaupause für das Rollout in weiteren Bereichen zum Einsatz kommen.

Tabelle über Scannen
Ersetzendes Scannen vs. traditionelle Papierverarbeitung. (Bild: MSG Advisors)

Management-Tipps

  • Für maximale Sicherheit und vollumfängliche Compliance sollte Ersetzendes Scannen immer im Verbund mit der Einführung einer TR-Esor-Lösung realisiert werden.
  • Integrieren Sie Ersetzendes Scannen in die Digitalisierungsstrategie sowie ins Input- / Outputmanagement Ihrer Organisation.
  • Beachten Sie, dass Ersetzendes Scannen zwar die elektronische Bearbeitung bedingt, jedoch keine E-Akte (z. B. eRechnung, CAFM etc.).
  • Betrachten Sie den Einsatz kryptographischer Sicherungsmittel beim Ersetzenden Scannen ebenfalls im Kontext der Digitalisierung Ihrer Organisation, etwa in Hinblick auf die Elemente Ihrer IT-Security-Strategie.

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