Virus and antibodies close-up on DNA background, scientific back

(Bild: ustas - AdobeStock)

  • Der Markt für Arzneimittel wird in den kommenden Jahren zwischen 4 und 6 % pro Jahr wachsen.
  • Biopharmazeutischen Arzneimitteln wird ein Umsatzwachstum um bis zu 14 % pro Jahr zugetraut.
  • Spielten Produktionskosten bislang angesichts hoher Gewinnspannen keine große Rolle, so ändert sich dies derzeit.

Vergossene Milch sollte man nicht beweinen. Doch die Erinnerung an das Jahr 2000 dürfte auch heute noch gestandenen BASF-Managern Tränen in die Augen treiben. Für knapp sieben Milliarden Dollar hatte der Konzern damals sein Pharmageschäft an den ameri-kanischen Konzern Abbot verkauft. An für sich ein ganz normaler Portfolio-Vorgang, allerdings mit gravierenden Konsequenzen: Die Forscher des Ludwigshafener Unternehmens hatten ein erstes biopharmazeutisches Produkt in der Pipeline, das kurz vor der Marktreife stand. Und sie ahnten nicht, dass dieses zum wert-vollsten Arzneimittel der Welt werden sollte.

2003 von der europäischen Gesundheitsbehörde zugelassen, spülte das Rheumamittel Humira dem aus Abbot hervorgegangenen Unternehmen Abbvie 133 Mrd. Dollar in die Kasse: Allein 2018, dem Jahr, in dem das Patent für das Rheumamittel auslief, erlöste der Hersteller mit dem Präparat fast 20 Milliarden Dollar.

Die Erfolgsgeschichte macht noch heute Schule: Immer mehr Hersteller engagieren sich im Markt für biopharmazeutische Arzneimittel – dem inzwischen am schnellsten wachsenden Segment der Pharmaindustrie. Im Jahr 2017 standen gentechnisch hergestellte Medika-mente für einen globalen Umsatz von 186 Milliarden US-Dollar, bis 2025 könnte der Markt auf 526 Mrd. Dollar anwachsen und dann ein Drittel des Umsatzens der weltweiten Pharmaindustrie ausmachen. (1/4)

Anspruchsvolles Neuland für Pharmaproduzenten

Gleich in mehrerlei Hinsicht hatte der Chemiekonzern BASF mit der Entwicklung damals Neuland betreten: Immunologisch aktive Proteine auf Basis monoklonaler Antikörper biotechnologisch zu produzieren beherrschten zu dieser Zeit nicht einmal die etablierten Pharmariesen. Die Entwicklung markierte gleichzeitig den Start für eine Wirkstoffklasse, der für die Zukunft noch enormes Potenzial zugetraut wird: monoklonale Antikörper gehören auch heute noch unter den biotechnolgisch produzierten Wirkstoffen zur aussichtsreichsten Wirkstoffklasse. Während der Markt für Arzneimittel in den kommenden Jahren zwischen
4 und 6 % wachsen wird, trauen Marktforscher biopharmazeutischen Arzneimitteln ein Wachstum um bis zu 14 % pro Jahr zu.

Neben dem Einsatz zur Bekämpfung rheumatischer Erkrankungen werden die Proteine vor allem zur Behandlung von Krebs entwickelt. Neben immunologisch aktiven Proteinen zählen auch Nukleinsäuren zu den aussichtsreichen Biopharmazeutika für die Behandlung von Krebs oder zum Einsatz in der Diagnostik.

Pharmaceutical factory woman worker in protective clothing operating production line in sterile environment

Große Monoprodukt-Anlagen sind in Zukunft immer weniger gefragt. Der Trend geht zu flexiblen, modular aufgebauten Prozessen.(Bild: Ivan Traimak − AdobeStock)

Im Vergleich zu klassischen pharmazeutischen Herstellverfahren unterscheiden sich die Produktions-methoden für Biopharmazeutika wesentlich:
Der technische Aufwand zur Herstellung der Proteine und deren Abtrennung und Reinigung ist enorm. Die Basis bilden tierische oder pflanzlichen Organismen. Die wichtigsten Säugerzellen die für die Herstellung thera-peutischer Proteine sind sogenannte CHO-Zellen (chinese hamster ovary cells). Die meisten Prozesse lassen sich heute auf einen einzigen chinesischen Zwerghamster zurückführen, der 1957 in einem Labor der Universität von Denver, Colorado, lebte. Im Falle von Humira bilden allerdings menschliche Immunglobulin-sequenzen die Grundlage. Die Zucht der Säugetierzellen ist schwierig und teuer: Sie wachsen im Vergleich zu anderen Mikroorganismen vergleichs-weise langsam und liefern auch nur wenig Protein.

Die Optimierung biopharmazeutischer Prozesse zielt deshalb darauf, die Ausbeute im Bioreaktor zu steigern. Der Trend geht außerdem zu kleineren Bioreaktoren, die häufig nicht mehr als Edelstahlkessel sondern als Single-use-Systeme aus Kunststoff ausgeführt werden, wodurch die Investitionskosten sinken. Oft ist die Proteinsynthese auch heute noch von vielen manuellen Arbeitsschritten geprägt. Vermehrt wird deshalb versucht, die Produktionsprozesse zu automatisieren. (2/4)

Effizienz in der Produktion wird zum Schlüsselfaktor

Mit der wachsenden Weltbevölkerung und dem Zugang immer breiterer Bevölkerungs-schichten zu hochwertigen Medikamenten steigt in der Pharmaindustrie der Bedarf nach effizienten Produktionsprozessen. Spielten Produktionskosten in der Vergangenheit angesichts hoher Gewinnspannen keine große Rolle, so ändert sich dies nicht nur mit den Mengen, sondern auch mit dem wachsenden Wettbewerb. Branchenkenner schätzen, dass sich bereits bei der Entwicklung der Arzneimittel 30 % Zeit einsparen lässt, wenn die Effizienz in der Planung und Forschungslogistik gesteigert wird.

Für die Produktion von Biopharmazeutika sieht eine aktuelle Studie von Bioplan Associates mehrere Ansatzpunkte, um die Effizienz zu steigern: Flexible Produktionsstätten sollen künftig aus modularen Anlagen aufgebaut werden. Die modularen Anlagen sollen sich einfach vervielfältigen lassen, beispielsweise um die Produktion an ausländische Standorte zu verlagern. Bereits in der Entwicklung, aber auch in der späteren Produktion sollen Single-use-Systeme fest installierte Produktionseinrichtungen ersetzen. Flankiert werden diese Maßnahmen durch einen höheren Automatisierungsgrad und dem Einsatz kontinuierlicher Prozesse.

Mit der wachsenden Zahl an biopharmazeutischen Produkten und dem Einsatz neuer Produktionsprozesse steigt allerdings die Komplexität: Wo heute Monoprodukt-Anlagen die Szene beherrschen, werden künftig verstärkt flexible Mehrprodukt-Anlagen, oft ausgeführt als kontinuierliche Prozesse, zum Einsatz kommen. Dadurch entstehen neue Anforderungen an die Planung, die Ausrüstung und für das Personal, das diese Anlagen betreibt. Auch für die Überwachungsbehörden bedeuten neue Produktionsprozesse Herausforderungen. In der Folge steigt der Aufwand für die Betreiber, um GMP-Compliance sicherzustellen. (3/4)

Biopharmazeutika in Deutschland

2017 gab es 23 Zulassungen für Biopharmazeutika – mehr als je zuvor und erstmals auch mehr Zulassungen als für andere Medikamente (22), berichtet der Branchenverband vfa. Zehn dieser Biopharmazeutika waren Biosimilars.

Der Umsatz mit Biopharmazeutika summierte sich 2017 auf 10,2 Mrd. Euro, der Marktanteil lag bei 26,0 %. Allein in 2017 wurden in Deutschland in der medizinischen Biotechnologie 2.900 weitere Mitarbeiter eingestellt. Das Pharma-Segment hat in Deutschland insgesamt rund 47.000 Beschäftigte.

An allen Kostenschrauben wird gedreht

Pharmacy production. factory woman examining bottles with medicine

Auch die Hersteller von Biopharmaka spüren immer stärker den Kostendruck und suchen nach Möglichkeiten die Produktionskosten zu senken.(Bild: Kadmy - AdobeStock)

Doch nicht nur biopharmazeutische Hersteller haben die Bedeutung der Produktivität und Herstellkosten erkannt. Generell sucht die Pharmaindustrie nach Wegen, um die Kosten zu senken. Der Bioplan-Studie zufolge wird sich das auch auf das Verhältnis zwischen Betreibern und Lieferanten auswirken. Der Druck in den Vergabe-verhandlungen für Projekte steigt. In der Fertigung sollen Optimierungsmethoden wie Lean Management dabei helfen, die Abläufe kontinuierlich zu verbessern und Verschwendung zu minimieren. Prozesse werden systematisch untersucht, um Bottlenecks zu identifi-zieren und zu beseitigen. Die Fokussierung und Ver-netzung mit wenigen Lieferanten soll zusätzliche Einsparpotenziale erschließen und den regulativen Aufwand verringern helfen.

Auch im Falle des Blockbusters Humira dürften die Herstellkosten seit Oktober 2018 stark an Bedeutung gewonnen haben. Am 17.10. lief das Patent für den Antikörper aus – und die Konkurrenz, darunter Boehringer Ingelheim, Amgen, Novartis und Mylan, stand bereits mit günstigen Kopien (Biosimilars) in den Startlöchern. Schon im vierten Quartal wirkte sich das mit einem deutlichen Umsatzrückgang auf die Bilanz von Abbvie aus. Und die heftigste Patentklippe steht dem Hersteller noch bevor: Ab 2023 sollen auch im wichtigsten Absatzmarkt USA Biosimilars für das Rheumamittel auf den Markt kommen. (4/4)

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