Die Tablettierung ist bereits heute quasi ein kontinuierlicher Produktionsprozess.

Die Tablettierung ist bereits heute quasi ein kontinuierlicher Produktionsprozess. (Bild: Kadmy - Fotolia)

  • Ein wesentlicher Grund, warum Konti-Prozesse bisher nicht in die Pharma-Welt eingezogen sind, mag der eher zurückhaltenden Position der Behörden gegenüber Neuerungen in der Herstellung geschuldet sein.
  • Diese Situation ändert sich derzeit grundlegend. Vor allem seitens der FDA wird der Konti-Gedanke stark gefördert.
  • Es empfiehlt sich, die Zulassungsbehörden (FDA und EMA) frühzeitig in ein Projekt einzubinden, wenn eine Konti-Produktion angestrebt wird.

Neben dem geringeren Platzbedarf ist es vor allem der Aspekt des stark vereinfachten Scale-up, welcher die Konti-Produktion attraktiv macht. So ist Scale-up keine Frage der Maschinengröße mehr, sondern eine Frage der Zeit, d.h. mehr Produkt erreicht man durch eine Verlängerung der Prozesslaufzeit. Ein wesentlicher Grund, warum Konti-Prozesse bisher trotzdem nicht in die Pharma-Welt eingezogen sind, mag der eher zurückhaltenden Position der Behörden gegenüber Neuerungen in der Herstellung geschuldet sein. Doch hier ist eine grundlegende Veränderung zu bemerken. Vor allem seitens der FDA wird der Konti-Gedanke stark gefördert.

Die kontinuierliche Mischung von Pulvern, ist in „Nicht-Pharma-Anwendungen“ bereits etabliert. Lösungen sind z.B. von Lödige, Gericke und Glatt erhältlich. Auch für den Folgeschritt, die Granulierung, gibt es passendes Pharma-Equipment, wobei die Trockengranulierung bzw. Walzen-Kompaktierung an sich schon ein kontinuierlicher Prozess ist. Firmen wie die Alexanderwerke, Bohle, Fitzpatrick und Gerteis sind hier aktiv. In der Pharma-Industrie wird aber bevorzugt auf die Feuchtgranulierung gesetzt. So werden weltweit ca. 80 bis 90% aller Tabletten vor der Tablettierung so granuliert. GEA verwendet für das Mischen und Granulieren einen Doppelschnecken-Gleichlauf-Extruder, während Bohle und Glatt diese Technik nur für die Feuchtgranulierung einsetzen. Die Trocknung erfolgt bei GEA und Bohle in „Mini-Batch-Trocknern“, in denen kleine Mengen seriell getrocknet werden. Lödige und Glatt bieten hier ebenfalls eigene Geräte mit einer kontrollierten Verweilzeit. Der anschließende Schritt, die Tablettierung, ist eigentlich schon ein kontinuierlicher Prozess. Schaut man sich eine reale Tablettenproduktion an, mag dieser Eindruck aufgrund von zahlreichen Stillständen allerdings nicht entstehen. Bei fast allen Tablettierprozessen werden dem Granulat „Schmiermittel“ wie Magnesiumstearat zugemischt. Im Sinne einer kontinuierlichen Arbeitsweise, wäre es sinnvoll, diesen Schritt durch eine Schmierung der Matrizen zu ersetzen.

Generell sollte man Prozesse vereinfachen. So sind zum Beispiel bereits vorgranulierte Hilfsstoffmischungen und API erhältlich, welche eine Vielzahl von Dosierschritten vermeiden würden. (Bild: fotogenicstudio - Fotolia)

Generell sollte man Prozesse vereinfachen. So sind zum Beispiel bereits vorgranulierte Hilfsstoffmischungen und API erhältlich, welche eine Vielzahl von Dosierschritten vermeiden würden. (Bild: fotogenicstudio - Fotolia)

Prozesse vereinfachen – transportable Konti-Anlagen

Generell sollte man Prozesse vereinfachen. So sind zum Beispiel bereits vorgranulierte Hilfsstoffmischungen und API erhältlich, welche eine Vielzahl von Dosierschritten vermeiden würden. Der Großteil aller Tabletten ist gecoatet, so darf auch dieser Schritt in einer Konti-Linie nicht fehlen. Kontinuierliche Coater sind von Thomas Engineering (USA), O’Hara Technologies (Kanada) und Driam (Deutschland) erhältlich, wobei Letzterer eher semi-kontinuierlich arbeitet. Die Geräte von GEA, Bohle und Glatt sind Mini-Coater, die seriell arbeiten.

Zwischen der Tablettierung und dem Coating sollten man einen Puffer vorsehen, da viele Tabletten nach dem Verpressen eine Relaxationszeit benötigen. GEA und Bohle bieten hierzu Lösungen an. Auch Konti-Gesamtanlagen sind bereits am Markt verfügbar: GEA (Consigma), Bohle-LBB (mit Gericke und Korsch), Glatt (Modcos M Linie, mit Thermofischer und Fette) und Lödige sind hier aktiv.

Bei Pfizer in Freiburg werden verschiedene Szenarien in Fallstudien getestet: Beim Ansatz PCMM (Portable, Continuous, Miniature und Modular) geht es um eine transportable, vollintegrierte Konti-Anlage in der Filmtabletten aus Pulvern hergestellt werden. CM@F (Continuous Manufacturing in Freiburg) ist  dagegen eine hochvolumige, kontinuierlich arbeitende Dispensier- und Mischeinheit.

Laut Dr. Clemens Stief, Team Leader Operations Produkt- und Prozess-Entwicklung bei Pfizer, macht es für die Erstzulassung eines neuen Produkts durchaus Sinn, zusammen mit einer neuen (kontinuierlichen) Herstellungstechnologie zusätzlich parallel einen herkömmlichen Batch-Prozess zu entwickeln. Der Grund hierfür liegt in potentiellen Unwägbarkeiten und im Time-to-Market Ansatz, denn dieser kann bei einem Konti-Prozess durchaus länger dauern. Werden die entsprechenden Zulassungsbehörden (FDA und EMA) frühzeitig eingebunden, kann man bereits während der Entwicklungsphase auf Anforderungen der Zulassungsbehörden eingehen. Gerade bei der Kopplung von neuen Produkten mit einer neuen Herstellungstechnologie ist dies sehr zu empfehlen, um Probleme frühzeitig aus dem Weg räumen zu können. Allerdings wird dies auch nicht mit allen Behörden so einfach möglich sein, wie mit der FDA oder der EMA.

Auch wenn die Zulassung erfolgreich ist, sollte man beachten, dass die Marktversorgung mit einem neuen Konti-Prozess potentiell risikoreicher ist, als mit einem herkömmlichen Chargen-Prozess. (Bild: Kadmy - Fotolia)

Auch wenn die Zulassung erfolgreich ist, sollte man beachten, dass die Marktversorgung mit einem neuen Konti-Prozess potentiell risikoreicher ist, als mit einem herkömmlichen Chargen-Prozess.(Bild: Kadmy - Fotolia)

Chargen-Prozess als Back-up-Strategie

Die weltweite Einführung von Produkten unter Nutzung von kontinuierlichen Prozessen basiert dann ggf. auf der Anerkennung der Zulassung von FDA und EMA durch andere Behörden. Aber auch wenn die Zulassung erfolgreich ist, sollte man laut Stief beachten, dass die Marktversorgung mit einem neuen Konti-Prozess potenziell risikoreicher ist, als mit einem herkömmlichen Chargen-Prozess. Mit einem Konti-Prozess ist man sehr viel mehr von störungsfrei laufenden, verketteten Maschinen abhängig. Nach Stiefs Meinung sollte man daher speziell bei neuen Markteinführungen möglichst eine Back-up-Strategie haben, also einen parallel entwickelten diskontinuierlichen Prozess, um die Marktversorgung jederzeit aufrecht erhalten zu können.

Process Analytical Technology (PAT) ist für Clemens Stief ein „Muss“ bei der Verwendung von verketteten Anlagen und auch bei kontinuierlich laufenden Teilprozessen, wie z.B. dem Mischen, denn diese Technologie unterstützt die Steuerung und Überwachung der Anlage im Sinne einer Advanced Process Control Strategie (APC) federführend. Außerdem können diese Daten unter Umständen zur parametrischen Freigabe herangezogen werden. Hierbei sollte man aber beachten, dass die Behörden seiner Erfahrung nach einen PAT- Experten am Standort erwarten, der in der Lage ist, die von den PAT-Applikationen gelieferten Daten zu interpretieren und fachgerecht auszuwerten. Eine Hilfestellung durch andere Fachabteilungen bzw. Experten im Konzern wird als notwendig gesehen. Dies ist nachvollziehbar, muss es doch jemanden vor Ort geben, der bei unklaren Messwerten oder NIR-Peaks weiß, wie mit dem laufenden Prozess zu verfahren ist und wie eine Messwertabweichung sich auf die aktuelle produzierte Charge und deren Freigabe bzw. Ablehnung auswirkt.

Das erste Fallbeispiel – die PCMM–Anlage – stellt eine mobile, modular aufgebaute Fabrikationsstätte in Containern dar, die es ermöglicht, Arzneimittel von der Einwaage der Rohstoffe bis zur Filmtablette zu produzieren. Diese Anlage wird mittels PAT-Applikationen überwacht und mithilfe eines APC-Systems vollautomatisch gesteuert. Diese Anlage weist durch den geringen Platzbedarf und durch die geringe Anzahl benötigter Mitarbeiter eindeutige Kostenvorteile auf.

Process Analytical Technology (PAT) ist ein „Muss“ bei der Verwendung von verketteten Anlagen und auch bei kontinuierlich laufenden Teilprozessen. (Bild: Kadmy - Fotolia)

Process Analytical Technology (PAT) istein „Muss“ bei der Verwendung von verketteten Anlagen und auch bei kontinuierlich laufenden Teilprozessen.(Bild: Kadmy - Fotolia)

Hochvolumige Konti-Produktion bei Pfizer in Freiburg

In einem zweiten Szenario wird bei Pfizer in Freiburg die hochvolumige kontinuierliche Produktion etabliert. In einem hierfür errichteten Gebäudeteil, sind kontinuierliche Dispensier- und Mischeinheiten, mit einer maximalen Kapazität von 400 kg Durchsatz pro Stunde vorgesehen. Das Pharmaunternehmen nutzt hierbei moderne Transport- und Logistiklösungen wie Big-bags sowie hochautomatisierte Transportvorgänge. Diese dienen als komplementäre Systeme, die dem Anlagendesign entsprechend geplant und gebaut werden müssen. Die Chargendefinition bei diesen Anlagen ist durch die Masse definiert. Um eine kontinuierliche Produktion zu erreichen, wurden diverse Teilschritte im derzeitigen Batchprozess eliminiert und der Prozess auf ein bereits am Markt befindliches Produkt zugeschnitten. Diese Anlage kann zukünftig auch für andere Produkte verwendet werden und die erwartete Effizienzsteigerung auch dort unter Beweis stellen.

Zulassungsanträge, die auf einer kontinuierlichen Produktion beruhen, werden beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft – die Behörde ist in Deutschland für die Zulassung von Arzneimitteln verantwortlich. Im Gegensatz zur FDA ist das BfArM nur für die Produkt-Zulassung verantwortlich, nicht für GMP-Fragen. Für Dr. Andreas Grummel vom BfArM ist ein Prozess dann kontinuierlich, wenn Material kontinuierlich zu- und abgeführt wird. Ein wichtiges Thema ist die Definition der Charge und der Chargengröße. Dafür können Größen wie z.B. Prozesszeiten, produzierte Menge oder die Menge des zugeführten Einsatzstoffes herangezogen werden. Ganz wichtig ist dabei, die mittlere Verweildauer der Stoffe in der Maschine zu kennen.

An- und Abfahrvorgänge müssen beherrscht werden

Wesentlich ist darüber hinaus die Kontroll-Strategie für den Prozess, wobei Grummel hier keine großen Unterschiede zur Batch- oder diskontinuierlichen Verfahrensweise sieht. Ein Prozess hat vier Stufen, und alle müssen kontrolliert werden: das Anfahren, der Prozess im Gleichgewicht (Standard), der Prozess bei Schwankungen (Prozessverhalten bei Änderungen eines Zustandes) und das Abfahren des Prozesses. Gerade beim An- und Abfahren sollte man durch mehrfaches Wiederholen zeigen, dass der Prozess valide ist, so Grummel. Hier müssen auch die normale und die maximale Prozesszeit festgelegt werden. Für die Zulassung ist es enorm wichtig, wie die Homogenität einer Charge gezeigt wird. Dies spielt im kontinuierlichen Kontext eine noch größere Rolle. Keinen wesentlichen Unterschied gib es bei der Produkt-Stabilität. In jedem Fall ist es zu empfehlen, möglichst frühzeitig auf die Zulassungsbehörde zuzugehen um Details für die kontinuierliche Produktion frühzeitig zu besprechen.

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