Mann mit Schutzkleidung vor Monitor

(Bild: Siemens)

Entscheider-Facts

  • Die Zyklen von Forschung und Entwicklung in der Pharmazie sind langwierig, kostspielig und schwierig zu managen.
  • Ein Grund dafür ist, dass sowohl die Zusammenarbeit als auch der Wissensaustausch während des gesamten Prozesses stark isoliert sind.
  • Enterprise Recipe Management ermöglicht als Plattform den Wissens- und Technologietransfer von der Prozessentwicklung über die Hochskalierung bis hin zum industriellen Maßstab.

Die Zyklen von Forschung und Entwicklung (New Product Development and Introduction, NPDI) in der Pharmazie sind langwierig, kostspielig und schwierig zu managen. Es dauert Jahre, bis neue therapeutische Medikamente oder Impfstoffe eine Zulassung erhalten. Die Forschungs- und Entwicklungsprozesse sind hochkomplex und bestehen aus Hunderten von Einzelschritten und aufwendigen klinischen Tests.

Eine Ausnahme war die Entwicklung der Covidimpfstoffe: Plötzlich konnten innerhalb weniger Monate mehrere wirksame und sichere Impfstoffe entwickelt und zugelassen werden. Das gelang, weil in der Pandemie deren Entwicklung überall priorisiert wurde und der Arbeitseinsatz entsprechend hoch war. Gleichzeitig konnte auf gute Vorarbeit in der Wissenschaft und ein nie zuvor gesehenes Maß an Zusammenarbeit in der Industrie aufgebaut werden. Das waren Ausnahmebedingungen. Daran jedoch anzuknüpfen, ist die Hoffnung.

Mind the Gap … und überwinde ihn

Ein Grund für die langwierige Entwicklung sind bestehende Datensilos und sogenanntes Tribal Knowledge: Sowohl die Zusammenarbeit als auch der Wissensaustausch sind während des gesamten Prozesses von der Arzneimittelentwicklung bis hin zur kommerziellen Herstellung stark isoliert. Dies gilt sowohl in technologischer als auch in geografischer Hinsicht, weil Entwicklung und Produktion an unterschiedlichen Standorten und oftmals auf verschiedenen Kontinenten stattfinden. Gleichzeitig wird eine Vielzahl an IT-Systemen verwendet, um den Prozess zu definieren und zu dokumentieren. Und wenn bisher digitalisiert wurde, dann typischerweise nur einzelne Prozessschritte – es fehlt ein integrierter Ansatz zur beschleunigten Entwicklung und Einführung neuer Produkte. Auf diese Weise ist ein IT-Overhead entstanden.

Diesen zu reduzieren und die bestehenden Datensilos aufzubrechen, ermöglicht die End-to-End-Lösung ERM: Mit ihr können sich Wissenschaftler in der Prozessentwicklung und Fertigungsingenieure über ihre Erkenntnisse zu Produkt- und Produktionsprozessen austauschen. Dadurch wird die Zusammenarbeit zwischen Prozessentwicklung und Produktionsanlage verbessert. Der Tech-Transfer vom Labor bis zur Produktion, der häufig viele Monate in Anspruch nimmt, wird beschleunigt. Ein zentrales ERM ist das digitale Rückgrat eines Unternehmens und schafft einen nahtlosen Daten- und Wissenstransfer. So schließt sich die Lücke zwischen Forschung und Entwicklung und Produktion. Die Datenvorbereitung und Hochskalierung von Rezepten für die weltweite Fertigung wird deutlich schneller und die Gesamteffizienz enorm gesteigert.

Die Vorteile eines digitalen Rückgrats für den gesamten Produktionsprozess werden in anderen Bereichen bereits vielfach genutzt. So sind in diskreten Industrien, etwa der Automobilindustrie oder der Luft- und Raumfahrttechnik, schon seit vielen Jahren so genannte PLM-Systeme (Product Lifecycle Management) üblich, die den gesamten Produktlebenszyklus darstellen und steuerbar machen.

Der rote Faden im Datenwirrwarr

Siemens hat sich das Ziel gesetzt, die digitale Transformation zu beschleunigen. Das Ziel sind Lösungen, die nahtlos über Kommunikationsstrukturen zusammenarbeiten und ein integriertes Bild der Produkte über ihre gesamte Lebensdauer hinweg liefern. Dahinter steht die Vision eines zentralen digitalen Wissensmanagements. Um dies zu erreichen, müssen Lösungen einfach, modular, interoperabel und offen sein. Für das eigene Lösungsportfolio hat der Anbieter diese Prinzipien zum Eckpfeiler seiner offenen digitalen Business-Plattform Industrial Operations X gemacht.

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Die Zusammenarbeit und der Wissensaustausch sind im gesamten Prozess der Arzneimittelentwicklung stark isoliert. (Bild: Siemens)

ERM ist ein erster Schritt in Richtung zentrales Wissensmanagement, nämlich eine Plattform auf Basis von Siemens Xcelerator mit Fokus auf der Digitalisierung von Produktionsprozessen. Als Prozesslebenszyklus-Management-Konzept definiert ein ERM wissenschaftliche und fertigungstechnische Prozess-Blaupausen. Es integriert alle Prozessdaten, um die Rezeptentwicklung und -verbesserung zu beschleunigen. Es ermöglicht den Wissens- und Technologietransfer von der Prozessentwicklung über die Hochskalierung bis hin zum industriellen Maßstab und zur kommerziellen Fertigung. Mit ERM wird die Rezepturentwicklung verschlankt.

Gewonnene Erkenntnisse können wiederverwendet werden. Die Kontrolle über verschiedene Rezepturen, Inhaltsstoffe, Rezepturlebenszyklen und Produktionsverfahren wird einfacher. Auch das Wissen über Produktionsanlagen weltweit wird vereinfacht, da sie von einem einzigen System aus gesteuert werden. Das bedeutet auch, dass Unternehmen die Möglichkeit haben, weltweit nach den besten Fertigungsoptionen zu suchen. Mithilfe der datengesteuerten Intelligenz eines ERM können Produktionen jederzeit flexibel und dynamisch erweitert oder von einer bestehenden Anlage zu einer anderen verlegt werden.

ERM als Plattform

ERM ist eine modulare Plattform, die Lösungen für die Digitalisierung und Übertragung von Produktionsprozessen für die Prozessindustrie bündelt. Siemens hat in der Vergangenheit Milliarden von Euro in ein integriertes Portfolio von Software- und Hardwareangeboten investiert und somit den Grundstein für eine End-to-End-Lösung für Pharma- und Life Science-Unternehmen gelegt. Dazu gehört beispielsweise der Prozess- und Rezept-Designer Riffyn X, der vor kurzem in das umfassende Portfolio aufgenommen wurde. Diese cloud-basierte Lösung erfasst, dokumentiert und kontextualisiert Daten während des gesamten Prozesses der biopharmazeutischen und biotechnologischen Entwicklung. Auf diese Weise ermöglicht die Lösung eine strukturierte und systematische gemeinsame Nutzung der Daten im gesamten Unternehmen.

Bei der Erfassung, Kontextualisierung und Integration von Daten werden alle unterschiedlichen Merkmale und Varianten jedes Rezepts für jedes Produkt, jede Abteilung und jeden Standort berücksichtigt. Damit ist das System ein Katalysator für ERM. Modellierungswerkzeuge wie Gproms und Simcenter Star-CCM+ zählen ebenfalls zur Plattform. Mit ihnen lassen sich digitale Zwillinge von Teilen des Prozesses während des gesamten Lebenszyklus erstellen. Mit den verschiedenen Tools lassen sich echte und simulierte Daten kombinieren, um die Prozessentwicklung zu beschleunigen und digitale Modelle zu validieren.

Im Fokus: Hochskalierung eines Prozesses

ERM optimiert die Herstellbarkeit in der gesamten Pipeline: Sie können einen Prozess vom Labor über klinische Studien bis zur Produktion schnell und flexibel hochskalieren und gleichzeitig Qualität, Compliance und Nachhaltigkeit sicherstellen. So bietet ERM – genauer gesagt Riffyn X – Unterstützung bei der Entwicklung des
Laborrezepts. Der erste Schritt besteht darin, einen flexiblen und strukturierten Prozess zu entwickeln. Diese Entwicklung wird durch den kollaborativen und iterativen Ansatz beschleunigt: Der Prozess- und Rezept-Designer bietet einen intuitiven grafischen Workflow und eine Ontologie als ein Mittel zur Wiederverwendung und Konsistenzsicherung.

Im nächsten Schritt wird die Hypothese für die Assays und Experimente überprüft oder bestätigt. Mit der cloudbasierten Lösung lassen sich ein Design of Experiment (DoE) auf der Grundlage eines vordefinierten Prozesses oder Teilprozesses erstellen oder importieren, Experimente planen und Bedingungen definieren. Danach müssen Daten aus fragmentierten Labordaten kontextualisiert und aggregiert, das heißt ausgeführt, werden. Hier hilft der Prozess- und Rezept-Designer, indem er eine flexible und zugleich strukturierte Möglichkeit bietet, Daten aus einer Vielzahl von Labordatenquellen zu erfassen. Er bietet auch Unterstützung bei der Aggregation von Daten in einem einfachen, prozesszentrierten Ansatz: Visualisierung und Bearbeitung von Tabellen wie in einer Tabellenkalkulation, einschließlich Formeln und automatischem Canvas.

Der nächste Schritt ist die Beschleunigung der Datenvorbereitung und -aufbereitung (Aggregation). Das gelingt mit den intelligenten Datenmanagement-Funktionen: Das Bereinigen, Verknüpfen, Integrieren und Analysieren von Daten wird so denkbar einfach. Außerdem erleichtert es die Zusammenarbeit zwischen Prozess- und Datenwissenschaftlern. Schließlich gilt es, die Experimentierdaten sinnvoll zu interpretieren (analysieren). Auch dabei hilft das System: Es stellt Daten in einem anbieterneutralen Datenrahmen bereit, der sich für Visualisierung, maschinelles Lernen, Datenpipelines, Datenanalysen oder Business Intelligence eignet.

ERM ist somit ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einem digitalen Pharmaunternehmen. Es trägt zur Prozessbeschleunigung bei und bringt der Pharmabranche ihrem Ziel näher, den Wettlauf gegen die Zeit zu gewinnen.

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ERM schließt die Lücke zwischen Forschung und Entwicklung und Produktion. (Bild: Siemens)

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