In einer Analyse gibt die EFPIA bekannt, dass die bisher vorgeschlagene beschränkte Verwendung von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) zu einer weitgehenden Schließung der Arzneimittelherstellung im gesamten europäischen Wirtschaftsraum (EWR) führen könnte. Der europäische Dachverband weist darauf hin, dass ein pauschales Verbot aller PFAS den Zugang von Patientinnen und Patienten zu vielen Arzneimitteln gefährden könnte. PFAS werden zwar in der Pharmaindustrie verwendet, allerdings haben diejenigen Substanzen, die tatsächlich in Arzneimitteln genutzt werden, kein oder nur ein geringes Risiko – das bereits in Bewertungen des Risikonutzens von Arzneimitteln oder des Umweltrisikos festgestellt wurde.
Ende September reichte die EFPIA eine Antwort auf die offene Konsultation der europäischen Chemikalienagentur (ECHA) ein. Ziel des Dachverbands war es, wissenschaftliche und technische Beweise zu liefern, um Ausnahmeregelungen zu rechtfertigen und über die möglichen Auswirkungen der PFAS-Beschränkung auf die Lieferkette medizinischer Produkte hinzuweisen.
Die nachstehenden Folgen ermittelte die EFPIA sollten die Behörden die Stoffbeschränkungen ohne Ausnahmen umsetzen:
- Mindestens 47.677 globale Zulassungen wären betroffen, wobei eine beträchtliche Anzahl wichtiger Arzneimittel nicht mehr verfügbar wäre, was den Zugang der Patienten zu Arzneimitteln beeinträchtigen würde.
- Mehr als 600 Arzneimittel aus der WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel, die eine Vielzahl von pharmakologischen/therapeutischen Gruppen abdecken, sind gefährdet.
- Besonders schwerwiegend sind die Auswirkungen auf die Listen kritischer Arzneimittel (Critical Medicines Lists) der europäischen Mitgliedstaaten, die entwickelt wurden, um Engpässen entgegenzuwirken und die Abhängigkeit Europas im Gesundheitswesen von außereuropäischen Ländern zu verringern.
- So könnten beispielsweise 78 % der Liste kritischer Arzneimittel in Norwegen von der vorgeschlagenen Beschränkung betroffen sein, in Finnland 74 %, in Schweden 73 %, in Frankreich 72 % und in Deutschland 60 %.
Neben Arzneimitteln auch weitere medizinische Produkte betroffen
Der Pharmasektor stellt eine Vielzahl von Produkten her, die Materialien enthalten, die der breiten Definition von PFAS entsprechen. Dazu gehören die Bausteine und Rohstoffe, die bei der chemischen Synthese von PFAS- und Nicht-PFAS-Arzneimitteln verwendet werden, sowie Reagenzien und Geräte. Zudem wären Verpackungsmaterialien, die Fluorpolymere verwenden, oder Kombinationsprodukte wie vorgefüllte Spritzen von dem Materialverbot betroffen. Darüber hinaus hängt der gesamte Prozess der Herstellung und Entwicklung von Arzneimitteln stark von einer Reihe von PFAS-Materialien in einer Vielzahl von Anwendungen ab.
In einer weiteren sozioökonomischen Bewertung kam der Dachverband darum zu den folgenden Schlüssen:
- Eine umfassende Beschränkung von PFAS, die bei der Herstellung von Humanarzneimitteln verwendet werden, hätte eine unverhältnismäßig negative Auswirkung auf die europäische Wirtschaft und Gesellschaft.
- Ohne zusätzliche Ausnahmeregelungen wäre die gesamte pharmazeutische Industrie nicht mehr in der Lage, aktive pharmazeutische Wirkstoffe (API) – unabhängig davon, ob sie als PFAS oder nicht-PFAS-API eingestuft sind – oder damit verbundene Arzneimittel im EWR herzustellen.
- Dies hätte zur Folge, dass die Produktion von Wirkstoffen aus dem EWR verlagert werden müsste.
- Wenn weltweit keine Kapazitäten zur Verfügung stehen, wären Arzneimittelengpässe eine realistische Möglichkeit.
- Infolgedessen hätte die PFAS-Beschränkung schwerwiegende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit von Patienten in Europa und außerhalb Europas, aber auch auf die europäische Wettbewerbsfähigkeit, den Wettbewerb im Binnenmarkt, die Innovation und die allgemeine Handelsbilanz.
- Der Ersatz von PFAS wird durch die Verfügbarkeit, die technische Anwendbarkeit und die Umweltverträglichkeit von Alternativen begrenzt, die bisher nicht (ohne weiteres) verfügbar sind.
Diese gesammelten Informationen rechtfertigen laut der EFPIA eine zeitlich unbegrenzte Ausnahmeregelung vom Anwendungsbereich des bevorstehenden EU-Chemikalienverordnungs-Vorschlags für die gesamte Entwicklung und Herstellung von Humanarzneimitteln und nicht nur Wirkstoffen.