Katalin Karikó und Drew Weissman erhalten den Medizin-Nobelpreis 2023.

Katalin Karikó und Drew Weissman erhalten den Medizin-Nobelpreis 2023. (Bild: Ill. Niklas Elmehed, Nobel Prize Outreach)

Die Entdeckungen der Forschenden waren entscheidend für die Entwicklung wirksamer mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 während der Pandemie, die Anfang 2020 begann. Durch ihre bahnbrechenden Erkenntnisse, die unser Verständnis davon grundlegend verändert haben, wie mRNA mit unserem Immunsystem interagiert, haben die Preisträger zu der beispiellosen Geschwindigkeit bei der Entwicklung von Impfstoffen während einer der größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit in der modernen Zeit beigetragen.

Ansatz an den Bauplänen

Damit Zellen bestimmte Proteine produzieren, benötigen sie Anordnungen und „Baupläne“ für diese Proteine. Einfluss auf diese Baupläne – die mRNA – zu nehmen, erschien schon früh als Ansatzpunkt für Therapiemöglichkeiten. Die tatsächlichen Chancen auf einen klinischen Einsatz von mRNA-Produkten galten Anfang der 1980er Jahre allerdings noch als gering: mRNA ist notorisch instabil und im Labor schwierig zu handhaben. Hinzu kamen unerwünschte Nebenreaktionen in ersten Labortests, die damals noch unvermeidbar erschienen.

Die ungarische Biochemikerin Katalin Karikó ließ sich davon jedoch nicht bei der Entwicklung von Methoden zum Einsatz von mRNA für Therapiezwecke entmutigen. In den frühen 1990er Jahren arbeitete sie als sie Assistenzprofessorin an der University of Pennsylvania daran, mRNA als therapeutisches Mittel verfügbar zu machen. Ein neuer Kollege von Karikó an ihrer Universität war der Immunologe Drew Weissman. Er interessierte sich für dendritische Zellen, die wichtige Funktionen bei der Immunüberwachung und der Aktivierung impfstoffinduzierter Immunreaktionen haben. Zusammen konzentrierten sie ihre Forschung darauf, wie verschiedene Arten von RNA mit dem Immunsystem interagieren.

Karikó und Weissman stellten fest, dass dendritische Zellen in vitro transkribierte mRNA als fremde Substanz erkennen, was zu ihrer Aktivierung und Freisetzung von entzündlichen Signalstoffen führt. Sie fragten sich, warum die in vitro transkribierte mRNA als fremd erkannt wurde, während mRNA aus Säugetierzellen nicht die gleiche Reaktion auslöste. Karikó und Weissman erkannten, dass einige wichtige Eigenschaften die verschiedenen Arten von mRNA unterscheiden müssen. Sie wussten, dass die Basen – die grundlegenden Bausteine der RNA – in Säugetierzellen häufig chemisch modifiziert sind, während in vitro transkribierte mRNA dies nicht ist. Sie fragten sich, ob das Fehlen von veränderten Basen in der in vitro transkribierten RNA die unerwünschte Entzündungsreaktion erklären könnte. Sie produzierten darum verschiedene Varianten von mRNA, jede mit einzigartigen chemischen Veränderungen in ihren Basen, die sie an dendritische Zellen lieferten. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Die entzündliche Reaktion wurde fast vollständig unterdrückt.

Entscheidende Hindernisse beseitigt

Dies war ein Paradigmenwechsel im wissenschaftlichen Verständnis dafür, wie Zellen verschiedene Formen von mRNA erkennen und darauf reagieren. Karikó und Weissman verstanden schnell die Bedeutung für den Einsatz von mRNA für medizinische Zwecke. Diese wegweisenden Ergebnisse wurden bereits 2005 veröffentlicht, fünfzehn Jahre vor der COVID-19-Pandemie. In weiteren Studien von 2008 und 2010 zeigten sie, dass mRNA mit Basenmodifikationen die Proteinproduktion im Vergleich zu unmodifizierter mRNA deutlich erhöhte. Der Effekt beruhte auf der verringerten Aktivierung eines Enzyms, das die Proteinproduktion reguliert. Durch ihre Entdeckungen, dass Basenmodifikationen entzündliche Reaktionen reduzieren und die Proteinproduktion erhöhen können, hatten Karikó und Weissman entscheidende Hindernisse auf dem Weg zu klinischen Anwendungen von mRNA beseitigt.

Das Interesse an der mRNA-Technologie begann zu wachsen, und im Jahr 2010 arbeiteten mehrere Unternehmen an der Entwicklung der Methode. Impfstoffe gegen das Zika-Virus und Mers-CoV wurden verfolgt; letzteres ist eng mit Sars-CoV-2 verwandt. Nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie wurden zwei basenmodifizierte mRNA-Impfstoffe entwickelt, die das Oberflächenprotein von SARS-CoV-2 kodieren, und zwar in Rekordgeschwindigkeit. Schutzraten von etwa 95% wurden gemeldet, und beide Impfstoffe wurden bereits im Dezember 2020 zugelassen.

Die beeindruckende Flexibilität und Geschwindigkeit, mit der mRNA-Impfstoffe entwickelt werden können, ebnet den Weg für die Verwendung der neuen Plattform auch für Impfstoffe gegen andere Infektionskrankheiten. In der Zukunft könnte die Technologie auch zur Bereitstellung therapeutischer Proteine und zur Behandlung einiger Krebsarten verwendet werden.

Mehrere andere Impfstoffe gegen Sars-CoV-2, die auf unterschiedlichen Methoden basieren, wurden ebenfalls schnell eingeführt, und zusammen wurden weltweit mehr als 13 Milliarden COVID-19-Impfdosen verabreicht. Die Impfstoffe haben Millionen von Menschenleben gerettet und schwerwiegende Krankheiten bei vielen weiteren verhindert. Durch ihre grundlegenden Entdeckungen zur Bedeutung von Basenmodifikationen in mRNA haben die diesjährigen Nobelpreisträger damit einen entscheidenden Beitrag zu dieser bahnbrechenden Entwicklung während einer der größten Gesundheitskrisen unserer Zeit geleistet.

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