Auf dem Weg vom ersten Wirkstoff-Kandidaten bis zum zugelassenen Medikament kann eine Menge passieren. Schon während der Entwicklung eines Arzneimittels müssen die forschenden Unternehmen den größten Teil der möglichen Wirkstoffe aussortieren, etwa wenn die erforderliche pharmazeutische Reaktion eines Präparats ausbleibt, eine Injektion zu starke unerwünschte Nebenwirkungen hervorruft oder eine Tablette schlicht nicht so gut wirkt wie erhofft, oder gar weniger gut als ein Konkurrenzprodukt.
Enttäuschte Erwartungen der Analysten
Die Entwicklung eines Medikaments verschlingt enorme Kosten, und ein gescheitertes Medikament wird diese Kosten nie wieder einholen können. Auch deshalb kommt es den Pharmakonzernen auf eine schnelle Markteinführung an: nicht nur, um Entwicklungskosten auszugleichen und weitere Forschung zu finanzieren, sondern auch die Kosten vergangener oder zukünftiger Fehlschläge abzufedern.
Dass selbst zugelassene Arzneimittel die Erwartungen der Entwickler – und insbesondere der Börsen-Analysten und Investoren – überraschend oft enttäuschen, zeigt ein Bericht des Beratungsunternehmens L.E.K. Consulting. Dieser sogenannte L.E.K. Launch Monitor besagt, dass rund 40 % aller zwischen 2004 und 2016 zugelassenen Medikamente in den ersten drei Jahren nach der Zulassung die von Analysten prognostizierten Umsätze um mehr als 20 % verfehlt haben. Tatsächlich erreichte nur ein Fünftel der neuen Medikamente auf dem US-Markt einen Umsatz von 1 Mrd. US-Dollar, und mehr als die Hälfte brachte weniger als 250 Mio. Dollar ein.
Marktenttäuschungen fanden sich dabei in vielen Therapiebereichen, einige Felder stachen jedoch hervor. Beispielsweise blieb die Hälfte der neuzugelassenen Herz-Kreislauf-Medikamente in den ersten drei Jahren hinter den Erwartungen zurück, ebenso wie die Hälfte der Immunologie-Präparate. Auch Arzneimittel gegen Infektionskrankheiten waren schwach, rund 48 % erfüllten die gestellten Erwartungen nicht. Etwas erfolgreicher waren Medikamente gegen Krebs, hier verfehlten 38 % der Arzneimittel die Erwartungen. Aus diesem Bereich stammten mit 82 Medikamenten auch die meisten der insgesamt 450 im Bericht betrachteten Kandidaten.
Größer ist besser
Bei der Ursachenforschung deckt der L.E.K.-Bericht einen wichtigen Trend auf: Offenbar sind große Konzerne tendenziell besser als kleine Startups in der Lage, neue Produkte erfolgreich zu vermarkten. Der von den Pharmariesen generierte Spitzenumsatz liegt im Schnitt 50 % höher als das, was die kleineren Unternehmen erwirtschaften können. Die Größe eines Riesenkonzerns gelte oft als Hindernis für Innovationen, urteilt das Beratungsunternehmen, „aber wenn es um die Vermarktung geht, werden sie zu einem entscheidenden Faktor."
Besondere Hindernisse für die kleinen Unternehmen macht L.E.K. in den Bereichen Herz-Kreislauf, Infektionskrankheiten und Immunologie aus. Hier müssen sie ihre neuen Medikamente sowohl Allgemeinmedizinern als auch Fachärzten anbieten, wobei oft dazu neigen „die Herausforderung zu unterschätzen, das Verschreibungsverhalten einer großen und uneinheitlichen Gruppe von Ärzten zu schulen und zu ändern." Besonders solche Unternehmen sollten darum ihre Strategie im Umgang mit Analysten und Umsatzprognosen für neue Arzneimittel überdenken, „da die negativen Auswirkungen einer verfehlten Prognose schwerwiegend sein können, insbesondere für ein kleines Biotech-Unternehmen, das sein erstes Produkt auf den Markt bringt.
Zum Teil sieht L.E.K. allerdings auch Ursachen bei den aufgestellten Umsatzerwartungen, die häufig verfrüht aufgrund vorläufiger oder gar unvollständiger Studienergebnisse getroffen werden. Das Beratungsunternehmen empfiehlt, Markteinführungen frühzeitig zu planen und diszipliniert gemäß der Planung durchzuführen. Dabei sollten die Entwickler Investoren von Anfang einbeziehen. Diese verbesserte Kommunikation sowie sorgfältigere und damit präzisere Marktprognosen sollen überzogene Erwartungen eindämmen.
Fehlschläge in allen Bereichen
Der Branchendienst Fiercepharma hat anhand des Launch Monitor 10 der größten Fehlschläge identifiziert. In der Liste vertreten sind sowohl große Pharmakonzerne als auch kleine Biotech-Startups. Die gescheiterten Präparate stammen, genau wie im Bericht von L.E.K., aus ganz unterschiedlichen medizinischen Bereichen, darunter finden sich Krebstherapien, Herz-Kreislauf-Medikamente, immunologische Präparate, Mittel gegen Infektionskrankheiten und weitere Therapiefelder. Aufgrund der aktuellen Lage ausdrücklich nicht berücksichtigt sind Entwicklungen gegen Covid-19. Genauso vielfältig wie die Indikationen sind die Ursachen des Scheiterns, von Fehlern im Management bis zu plötzlich auftretenden Sicherheitsbedenken. Klicken Sie sich durch die Liste:
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