Big Bags in Pulverhandling Anlage

(Bild: Visval)

Ein weltweit tätiges Pharmaunternehmen plante 2019, sein Pulverhandling in der Herstellung eines intravenösen Endprodukts von Sackware zu automatisieren und auf Big-Bags als Verpackung und interne Transportgebinde umzustellen. Der alte manuelle Handhabungsprozess gestaltete sich kompliziert: Validierung und Zoneneinteilung in der pharmazeutischen Industrie bedingen, dass Rohstoffe mehrmals in verschiedenen Bereichen des Betriebes für unterschiedliche Prozesse gehandhabt werden müssen. Von der Annahme des Rohmaterials im Eingangslager über die Probenahmen und Quarantänen bis zum Wägen, Dosieren und den Transport durch die verschiedenen Zonen innerhalb der Produktion, wird jeder einzelne Behälter häufig vier Mal oder mehr einzeln transportiert, respektive einzeln gehandhabt. Aus personeller Sicht stellen diese manuellen Arbeiten eine bedeutende Belastung für die Mitarbeiter dar, was zu Fehlzeiten, Unzufriedenheit, erhöhter Fluktuation und in speziellen Fällen sogar zu Verletzungen und möglichen arbeitsrechtlichen Steitigkeiten führen kann.

Es ist generell auch kein guter Einsatz der verfügbaren Arbeitskräfte, wenn diese täglich eine Vielzahl von 25 kg schweren Säcken von Hand bewegen, öffnen und via Einschütttrichter oder Mannloch in die jeweiligen Prozessbehälter entleeren müssen. Diese Arbeitsweise erzeugt zudem viel Staub und birgt mikrobiologische Risiken aufgrund des „offenen Transfers“ der Schüttgüter. Da wegen der Prozessvalidierung zudem jeweils abgewartet werden muss, bis alle Produkte in die Prozessbehälter eingefüllt sind um die Mischung zu starten, wirkt sich die Geschwindigkeit mit der das Material in die Mischtanks zugegeben werden kann direkt auf die Produktivität der ganzen Anlage aus. Auch kann die Qualitätssicherung erst am Ende des Mischvorgangs bei der Überprüfung der fertigen Konzentration feststellen, ob die erforderlichen Materialmengen korrekt in den Tank eingefüllt wurden. Schließlich erfordern pharmazeutische Inhaltsstoffe die in 25-kg-Säcken angeliefert werden, eine aufwendige Verpackung aus Papier- und Polyethylen-Schichten, um das Pulver vor UV-Strahlung und Feuchtigkeit zu schützen. Dies macht das Aussortieren der verschiedenen Verpackungsmaterialien vor dem Recycling zu einer kaum lösbaren Aufgabe. Umweltbewusstes Produzieren ist heutzutage jedoch auch eine Triebfeder für neue Projekte. Beispiele für geeignete Ausrüstung finden Sie auch in diesem Artikel über Equipment für staubfreies Entleeren.

Big Bag in Apparatur
Mit der Verwendung von Big-Bags lässt sich die Abfallmenge im Vergleich zu 25-kg-Säcken deutlich reduzieren. (Bild: Visval)

Automatisierter Prozess für Big-Bags

Auch im vorliegenden Projekt war die Verringerung der Abfallmenge zusammen mit den finanziellen Einsparungen ein Hauptgrund für die Rechtfertigung des Gesamtprojekts. Neben weniger Verpackungsmaterial versprach die Einführung von Big-Bags als Gebinde noch weitere Vorteile: effizientes Handling, leichte Rückverfolgbarkeit, eine einzige Probenahme bei der Eingangskontrolle, keine manuelle Handhabung, kein Aufschneiden, Ausleeren oder Umfüllen, hoher Restenergiegehalt. Die wichtigste Frage aber war, welche Technologie für die höchstmögliche Automatisierung all dieser Schritte bis zur geschlossenen Entleerung in die Prozessanlagen in Frage kam.

Viele Unternehmen bieten dafür Isolatoren mit Handschuhzugang zum Auslauf der Big-Bags an, um Bediener und Umgebung zu schützen und sicherzustellen, dass das Produkt frei von Verunreinigungen bleibt. Diese Lösungen sind arbeitsintensiv und führen zu erheblichen Verzögerungen bei den Taktzeiten und der Gesamtauslastung der Prozessanlagen. Einfachere Systeme können die Taktzeiten zwar verbessern, wirken sich jedoch nachteilig auf das Containment der Prozesse und den Schutz des Produkts aus. Da Big-Bags zudem auf die eine oder andere Weise fest mit den Prozessanlagen verbunden sein müssen, kann gleichzeitig keine direkte Dosierung erfolgen. Es müssen zusätzliche nachgeschaltete Dosiergeräte vorgesehen werden, die alle die Anforderungen wie Durchflussmenge, Chargengrösse und Dosiergenauigkeit erfüllen müssen.

Während der Evaluationsphase des Projekts wurde dem verantwortlichen Projektteam aber auch die Solivalve-Technologie von Visval vorgestellt. Diese Lösung weckte das Interesse des Anwenders, da sie mit den Funktionen automatische Andockung, geschlossene Entleerung und direkte Dosierung aus den Big-Bags alle wesentlichen Anforderungen erfüllen konnte. Zwei Big-Bags mit unterschiedlichen Produkten wurden daraufhin ans Technikum des Herstellers geschickt, um Durchflussraten und Dosiergenauigkeiten zu überprüfen. Da das Systems schon vorher mit Inline-Dispergierern kombiniert wurde, waren Systemkonfigurationen, Schnittstellen und die Betriebsweise bereits bekannt. Lediglich die anwendungsspezifischen Bereiche der neuen Applikation mussten berücksichtigt werden, um ein zuverlässiges System mit reibungslos funktionierenden Schnittstellen sicherzustellen.

Niedrige Reinigungszeiten und Reinraumklasse

Die Gesamtbetriebskosten sind das entscheidende Kriterium für global tätige Unternehmen, allerdings spielten für die Projektmanager im vorliegenden Fall auch viele andere Kriterien eine wichtige Rolle bei der Anlagenplanung. Das Planungsteam konzentrierte sich bei der Auswahl der verschiedenen Systemkomponenten insbesondere auf deren hohe Zuverlässigkeit und somit auf die Verfügbarkeit der gesamten Produktionsanlage. Da die einzelnen Prozessschritte sehr lange dauern können war es wichtig, dass die Entleer- und Dosierleistungen hoch und die Reinigungszeiten möglichst niedrig ausfallen würden, damit die Anlagen immer wieder schnell für die Produktion zur Verfügung stehen.

Das Big-Bag-Entleersystem ist dabei Teil des „trockenen“ Anlagenbereichs. Der Inline-Dispergierer ist Teil des „nassen“ Bereichs und wird täglich nass gereinigt und getrocknet. Dafür wird der kurze Verbindungsschlauch jeweils ausgetauscht, sodass der Entleer-Bereich trocken bleibt. Bei jedem Materialwechsel oder wöchentlich wird auch die Entleer-Einheit mittels einer WIP-Haube nass gereinigt und anschließend getrocknet, wobei die Reinigungsflüssigkeiten durch den Inline-Dispergierer abgeleitet werden.

Die Tatsache, dass die Einheit ein vollständig geschlossenes Big-Bag-Entleersystem ist und an Ort und Stelle gereinigt und getrocknet werden kann ermöglichte es dem Anwender, die Anlagen in einem Reinraum der Klasse D zu installieren. Bei anderen Big-Bag-Entleersystemen, bei denen der Big-Bag-Auslauf vor dem Materialtransfer manuell geöffnet wird, hätte die Nassreinigung und Trocknung vor Ort, einen Reinraum der höheren Klasse C erforderlich gemacht. Unabhängig von den Reinigungs- und Trocknungskosten für das Big-Bag-Entleersystem hätte der Bau eines Klasse-C Reinraums anstelle eines Klasse-D-Raums einen Investitionsaufschlag von 50 bis 60 % bedeutet und auch die Betriebskosten deutlich erhöht.

Auch die pneumatische Förderung der trockenen Inhaltsstoffe wurde anfangs angedacht, aber da die Förderrohre aus Erfahrung nicht sicher nass gereinigt und getrocknet werden konnten, verwarf der Anwender diese Technologie. Eine Alternative waren auch Glove-Box-Isolatoren, mit welchen eine Einhausung und somit der Schutz des Produkts und der Bediener sichergestellt werden kann. Diese Technologie erfordert jedoch nicht nur einen Reinraum der Klasse C, sondern ist in Bezug auf die manuelle Handhabung, die Reinigung und den Platzbedarf auch wesentlich anspruchsvoller und hätte immer noch ein zusätzliches Dosiersystem zur Beschickung des Prozesses erfordert, was zu deutlich höheren Kosten geführt hätte. Daher fiel die Entscheidung aufgrund der Kosteneinsparungen und den anderen betriebsbedingten Vorteilen auf das Solivalve-System mit den entsprechenden Peripheriegeräten.

Implementierung unter Pandemie-Bedingungen

Nach der Auftragserteilung und dem Bau der verschiedenen Systemkomponenten wurde ein komplettes Modul für ein vollständiges FAT einschliesslich dem Flüssigbereich und dem CIP aufgebaut und ausführlich getestet. Dies wurde auch für das Software-Debugging genutzt da aufgrund von Unternehmensstandards die Software von Siemens auf Rockwell/Allenbradley umgestellt wurde.

Anschließend wurde das getestete Modul zur Montage und zum Anschluss an die bauseitigen Prozessanlagen zum definitiven Standort transportiert. Die SATs fanden in Anwesenheit der Teammitglieder statt, aber Restriktionen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie zwangen dann die beteiligten Unternehmen mittels Modems, TeamViewer und Videokonferenzen alle Inbetriebnahmephasen bis zu den ersten kommerziellen Produktionen aus der Ferne durchzuführen. Das Projekt konnte trotz dieser ungewohnten Bedingungen innerhalb eines sehr engen Zeitrahmens abgewickelt werden. So erfolgreich, dass die installierte Lösung nun auch von einem Schwesterbetrieb für ein weitaus größeres Projekt ausgewählt wurde. Bei diesem Projekt, bei dem es ebenfalls um die Produktion von Infusionslösungen ging, konkurrierte das Big-Bag-System mit starren IBCs.

Schematische Darstellung eines Entleersystems für Big Bags
Das System bietet eine vollständig geschlossene Entleerung der Big-Bags. (Bild: Visval)

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Entscheider-Facts

  • Ein Pharmaunternehmen wollte die Eignung verschiedener Systeme für die Entleerung und Dosierung von Schüttgütern aus Big-Bags evaluieren.
  • Die Anforderungen an das System waren sehr hoch, da die dosierte Zuführung zum Produktionsprozess über einen leistungsfähigen Fest-Flüssig-Dispergierer erfolgen sollte und das intravenöse Endprodukt höchste Hygiene erfordert.
  • Die Entscheidung fiel aufgrund der Kosteneinsparungen und den anderen betriebsbedingten Vorteilen auf ein vollständig geschlossenes Entleersystem.

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