Die als „Abnehm-Spritzen“ bekanntgewordenen Medikamente Wegovy und Ozempic von Novo Nordisk kommen im Pen-Format zur Selbstanwendung.

Die als „Abnehm-Spritzen“ bekanntgewordenen Medikamente Wegovy und Ozempic von Novo Nordisk kommen im Pen-Format zur Selbstanwendung. (Bild: K KStock – Adobe Stock)

Adipositas, allgemein als Fettleibigkeit bekannt, ist ein weltweit verbreitetes Gesundheitsproblem, das mit einer Vielzahl von Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen Stoffwechselstörungen verbunden ist. Während Lebensstiländerungen wie Ernährungsumstellungen und Bewegung eine entscheidende Rolle bei der Gewichtsabnahme spielen, können bestimmte Medikamente als Ergänzung zu diesen Maßnahmen verschrieben werden. Dieser Artikel dient als Hintergrundinformation und kann im Behandlungsfall nicht die Beratung durch einen Arzt ersetzen.

Abnehmspritzen wie Wegovy, Ozempic oder Zepbound erleben weltweit einen Boom – sowohl in der Diabetestherapie als auch bei der Gewichtsreduktion. Ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt, zeigen diese Medikamente auch beim Abnehmen teils beeindruckende Effekte. Doch wie wirken sie genau? Und was ist bei ihrer Anwendung zu beachten?

Was sind GLP-1-Agonisten?

Die bekanntesten Wirkstoffe wie Semaglutid (Ozempic, Wegovy) und Tirzepatid (Zepbound, Mounjaro) gehören zur Gruppe der GLP-1-Rezeptoragonisten. Diese Medikamente ahmen das körpereigene Hormon GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1) nach. GLP-1 wird nach dem Essen im Darm freigesetzt und beeinflusst:

  • das Sättigungsgefühl,

  • die Magenentleerung,

  • sowie die Insulinausschüttung.

Dadurch verringern sich Appetit und Nahrungsaufnahme – was zu einem signifikanten Gewichtsverlust führen kann.

Was ist der Unterschied zwischen Ozempic, Wegovy und Zepbound?

Medikament Wirkstoff Zulassung für Besonderheit
Ozempic Semaglutid Typ-2-Diabetes geringere Dosis als Wegovy
Wegovy Semaglutid Adipositas höhere Dosis für Gewichtsreduktion
Zepbound Tirzepatid Adipositas kombiniert GLP-1- und GIP-Wirkung

Zepbound wirkt dabei doppelt: Es aktiviert zusätzlich den GIP-Rezeptor, ein weiteres Hormon mit Einfluss auf Glukose- und Fettstoffwechsel.

Neue Entwicklungen in der Pipeline

Der Markt für Abnehmmedikamente steht erst am Anfang. Unternehmen wie Lilly oder Amgen entwickeln derzeit neue Wirkstoffe mit teils noch stärkerer Wirkung. Die Kombination mit Apps, personalisierter Ernährung oder digitaler Begleitung wird bereits erprobt. Auch der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim hat ein solches Medikament in Entwicklung, den Wirkstoff Survodutid. Das gemeinsam mit dem dänischen Biotech-Unternehmen Zealand Pharma entwickelte Mittel nutzt den gleichen Wirkmechanismus wie Ozempic und Zepbound. Neben Diabetes und Übergewicht hat es sich in einer klinischen Studie auch als wirksam gegen Fettleberentzündung gezeigt.

Was sagen Studien zur Wirksamkeit?

In klinischen Studien zeigten sich beeindruckende Ergebnisse:

  • Wegovy: bis zu 15 % Gewichtsverlust in einem Jahr.

  • Zepbound: bis zu 22 % bei höherer Dosierung.

Diese Zahlen kommen jenen nahe, die sonst nur durch bariatrische Operationen erreicht werden.

Welche Nebenwirkungen gibt es?

Trotz der Erfolge ist Vorsicht geboten. Häufige Nebenwirkungen sind:

  • Übelkeit, Erbrechen, Durchfall,

  • Bauchschmerzen, Verstopfung,

  • in seltenen Fällen: Pankreatitis, Gallenprobleme oder Nierenstörungen.

Langfristige Daten zur Sicherheit liegen noch nicht vollständig vor – insbesondere bei Anwendung außerhalb der Diabetes-Therapie.

Wer sollte die Medikamente einnehmen?

GLP-1-Agonisten sind nicht für jede*n geeignet. Die europäische Zulassungsbehörde empfiehlt sie für:

  • Erwachsene mit einem BMI ≥ 30 (Adipositas),

  • oder mit BMI ≥ 27 bei gleichzeitigen Begleiterkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes).

Die Verordnung erfolgt in der Regel durch Fachärzte. Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten derzeit nur bei Diabetes, nicht bei Adipositas.

Was macht die Abnehmspritzen wirtschaftlich so bedeutend?

Allein Novo Nordisk konnte den Umsatz mit Ozempic und Wegovy 2023 auf über 20 Mrd. Euro steigern. Analysten sprechen bereits vom „Blockbuster-Markt“ – mit großem Einfluss auf Pharma-, Biotech- und Verpackungsbranche.

Was spricht gegen den Einsatz?

Wie bei allen Medikamenten gibt es auch bei den Abnehm-Mitteln mögliche Nebenwirkungen, die im Verhältnis zum Einsatz zu sehen sind. Zu den möglichen Nebenwirkungen von Wegovy gehören Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen und Kopfschmerzen. Bedingt durch die Wirkung des Medikaments kann es zu hohem Insulin- und damit niedrigem Blutzuckerspiegel kommen. Letzteres gilt insbesondere für Diabetiker, die Insulin oder andere blutzuckersenkende Medikamente einnehmen.

Diskussionsbedarf ist jedoch auch darum entstanden, was ein gerechtfertigter Einsatz des Medikamentes ist. Während Übergewicht zwar mehr und mehr verbreitet ist, ist es auch weiterhin gesellschaftlich verpönt – so dass insbesondere im Rampenlicht ein großes Interesse an medizinischer Hilfe beim Abnehmen zu bestehen scheint. Berühmte Personen wie Moderatorin Oprah Winfrey oder Unternehmer Elon Musk haben öffentlich von ihren Erfolgen mit Wegovy & co berichtet und den Hype damit weiter befeuert. Diesen Trend unter Prominenten griff auch Moderator Jimmy Kimmel auf, als er während der Oscar-Verleihung scherzte: „Wenn ich mich hier im Saal umschaue, frage ich mich, ob Ozempic das richtige für mich ist.“

Während dies als zusätzlicher Umsatz den Herstellern der Medikamente in die Hände und in die Kassen spielt, sehen diese den Trend dennoch zwiespältig. Eli Lilly etwa sprach sich direkt gegen den „kosmetischen“ Einsatz seines Wirkstoffes aus: „Mounjaro und Zepbound sind für die Behandlung von schweren Krankheiten indiziert. Sie sind nicht für die kosmetische Gewichtsabnahme zugelassen und sollten auch nicht dafür verwendet werden. Lilly fördert oder ermutigt nicht die Verwendung von Mounjaro, Zepbound oder anderen Lilly-Medikamenten außerhalb der von der FDA zugelassenen Indikation eines Medikaments“, heißt es in einem offenen Brief des Unternehmens.

Mounjaro - Tirzepatid mit Spritze zur Behandlung von Typ-2-Diabetes
Auch das Diabetes-Medikament Mounjaro mit dem Wirkstoff Tirzepatid von Eli Lilly verspricht die gewünschte Unterstützung beim Abnehmen. (Bild: Olaf Kunz – Adobe Stock)

Doch wo hört der ungerechtfertigte kosmetische Einsatz auf und wo fängt der gerechtfertigte medizinische Einsatz an? Die Diskussion erinnert an den Konflikt um das „Lifestyle-Medikament“ Viagra und dessen Wirkstoff Sildenafil. Tatsache ist, dass Übergewicht und Fettleibigkeit behandlungsbedürftige Krankheiten sein können. Gleichzeitig betonen die Hersteller der Abnehmspritzen, dass ihre Medikamente einen gesunden Lebensstil unterstützen, aber nicht ersetzen sollen. Sorgloses und einfaches Abnehmen oder Schlankbleiben allein per wöchentlicher Spritze ist nicht vorgesehen.

Wie gehen die Hersteller mit dem Abnehm-Hype um?

Sowohl Novo Nordisk als auch Eli Lilly stellen bereits fest, dass die hohe Nachfrage nach den Wirkstoffen Semaglutid und Tirzepatid zu Engpässen in der Versorgung mit Diabetes-Medikamenten führt. Novo hat aus diesem Grund über seinen Mutterkonzern Novo Holdings tief in die Kasse gegriffen: Anstatt die Produktion an Lohnhersteller auszulagern, wie es in der Pharmaindustrie verbreitet ist, hat der Konzern den derzeit strauchelnden Lohnhersteller Catalent und dessen rund 50 Produktions-Standorte übernommen.

Gleichzeitig wittern bei besonders nachgefragten Medikamenten auch Schwarzmarkthändler und Fälscher Profit. Mit Unterstützung der FDA gehen die Hersteller schon seit Monaten hart gegen gefälschte und unter unzulässigen Bedingungen produzierte Wirkstoffe vor. Allein Anfang Februar hat die Behörde zwei Unternehmen bzw. deren Standorte mit einem „Warning Letter“ abgemahnt. Die betroffenen Standorte hatten nicht-zugelassene Varianten von Wegovy und Ozempic zum Verkauf angeboten.

In den USA ist es zwar gestattet, dass Apotheken mit entsprechender Genehmigung Medikamente selbst mischen und formulieren, wenn ansonsten die Versorgung von Patienten nicht gewährleistet ist, wie es bei den Diabetes- und Abnehm-Spritzen zuletzt der Fall war. Einzelne Apotheken-Ketten hatten es mit der korrekten Formulierung jedoch nicht so genaugenommen und sind darüber mit Novo Nordisk in Konflikt geraten: Der Konzern verklagte zwei Medikamenten-Händler wegen Markenrechtsverletzungen, nachdem diese ihre eigenen Semaglutid-Formulierungen als Ozempic und Wegovy etikettiert und vertrieben hatten. Auch gegen verschiedene Wellness-Resorts und Abnehm-Kliniken, die Behandlungen mit ihren eigenen, Semaglutid-basierten Medikamenten anbieten, geht der Pharmakonzern rechtlich vor.

Fazit

Insgesamt bieten die „Abnehmspritzen“ eine neue Perspektive im Kampf gegen Adipositas – mit großem Potenzial, aber auch offenen Fragen. Ihr Erfolg zeigt, wie sich moderne Wirkstoffforschung und chronische Volkskrankheiten künftig begegnen könnten.

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