Die als „Abnehm-Spritzen“ bekanntgewordenen Medikamente Wegovy und Ozempic von Novo Nordisk kommen im Pen-Format zur Selbstanwendung.

Die als „Abnehm-Spritzen“ bekanntgewordenen Medikamente Wegovy und Ozempic von Novo Nordisk kommen im Pen-Format zur Selbstanwendung. (Bild: K KStock – Adobe Stock)

Adipositas, allgemein als Fettleibigkeit bekannt, ist ein weltweit verbreitetes Gesundheitsproblem, das mit einer Vielzahl von Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen Stoffwechselstörungen verbunden ist. Während Lebensstiländerungen wie Ernährungsumstellungen und Bewegung eine entscheidende Rolle bei der Gewichtsabnahme spielen, können bestimmte Medikamente als Ergänzung zu diesen Maßnahmen verschrieben werden. Dieser Artikel dient als Hintergrundinformation und kann im Behandlungsfall nicht die Beratung durch einen Arzt ersetzen.

Was sind diese Abnehmspritzen eigentlich?

Die höchsten Wellen schlagen derzeit die per Injektion verabreichten Medikamente Wegovy und Ozempic des dänischen Pharmakonzerns Novo Nordisk. Diese beiden Mittel haben praktisch im Alleingang den Begriff der „Abnehmspritze“ geprägt. Beide basieren auf dem Wirkstoff Semaglutid, der ursprünglich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt wurde. Vor dem gleichen Hintergrund als Diabetes-Medikament hat der US-amerikanische Pharmakonzern Eli Lilly den Wirkstoff Tirzepatid entwickelt und vermarktet diesen unter den Markennamen Zepbound und Mounjaro.

Ozempic ist seit 2017 in den USA, seit 2018 in der EU zur Behandlung von Typ-II-Diabetes zugelassen. Klinische Studien zeigten auch das Potenzial des Mittels, bei der Gewichtsabnahme helfen zu können. 2021 erhielt Entwickler und Hersteller Novo Nordisk auch die Zulassung, den Wirkstoff Semaglutid auch für den Einsatz gegen Adipositas vermarkten zu dürfen, und brachte die Abnehmspritze Wegovy auf den Markt. Seitdem hat sich das Interesse an diesen Therapien kontinuierlich vervielfacht. Wegovy ist seit 2022 in der EU zugelassen und seit Juni 2023 auf dem deutschen Markt erhältlich. Wettbewerber Eli Lilly erhielt 2022 in den USA die Zulassung für Tirzepatid als Diabetes-Medikament unter dem Namen Mounjaro, die Zulassung als Zepbound zur Gewichtsreduktion folgte 2023. In der EU ist Mounjaro seit 2022 gegen Diabetes zugelassen, seit April 2024 auch zum Gewichtsmanagement.

Die Medikamente sind verschreibungspflichtig, also nur auf ärztliches Rezept erhältlich. Die Behandlung mit Wegovy besteht aus wöchentlichen Injektionen über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen. Die Kosten der vierwöchigen Therapie liegen je nach Dosis bei etwa 170 bis 300 Euro. Diese Kosten werden in Deutschland nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Auch international unterstützen bislang wenige Gesundheitssysteme die Finanzierung der Abnehmspritzen für die Patienten.

Wie funktionieren die Abnehm-Medikamente?

Die Wirkstoffe Semaglutid (Ozempic, Wegovy) und Tirzepatid (Zepbound) funktionieren auf dieselbe Art und Weise: Sie imitieren ein körpereigenes Hormon namens GLP-1, welches dem Gehirn ein Sättigungsgefühl vermittelt und dadurch Hunger und Appetit unterdrückt sowie die Entleerung des Magens verlangsamt. Patienten essen dadurch weniger und verlieren so an Gewicht. Letztendlich handelt es sich also bei der Therapie mit Wegovy oder Zepbound um eine pharmazeutisch unterstützte Diät.

Was spricht gegen den Einsatz?

Wie bei allen Medikamenten gibt es auch bei den Abnehm-Mitteln mögliche Nebenwirkungen, die im Verhältnis zum Einsatz zu sehen sind. Zu den möglichen Nebenwirkungen von Wegovy gehören Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen und Kopfschmerzen. Bedingt durch die Wirkung des Medikaments kann es zu hohem Insulin- und damit niedrigem Blutzuckerspiegel kommen. Letzteres gilt insbesondere für Diabetiker, die Insulin oder andere blutzuckersenkende Medikamente einnehmen.

Diskussionsbedarf ist jedoch auch darum entstanden, was ein gerechtfertigter Einsatz des Medikamentes ist. Während Übergewicht zwar mehr und mehr verbreitet ist, ist es auch weiterhin gesellschaftlich verpönt – so dass insbesondere im Rampenlicht ein großes Interesse an medizinischer Hilfe beim Abnehmen zu bestehen scheint. Berühmte Personen wie Moderatorin Oprah Winfrey oder Unternehmer Elon Musk haben öffentlich von ihren Erfolgen mit Wegovy & co berichtet und den Hype damit weiter befeuert. Diesen Trend unter Prominenten griff auch Moderator Jimmy Kimmel auf, als er während der Oscar-Verleihung scherzte: „Wenn ich mich hier im Saal umschaue, frage ich mich, ob Ozempic das richtige für mich ist.“

Während dies als zusätzlicher Umsatz den Herstellern der Medikamente in die Hände und in die Kassen spielt, sehen diese den Trend dennoch zwiespältig. Eli Lilly etwa sprach sich direkt gegen den „kosmetischen“ Einsatz seines Wirkstoffes aus: „Mounjaro und

Zepbound sind für die Behandlung von schweren Krankheiten indiziert. Sie sind nicht für die kosmetische Gewichtsabnahme zugelassen und sollten auch nicht dafür verwendet werden. Lilly fördert oder ermutigt nicht die Verwendung von Mounjaro, Zepbound oder anderen Lilly-Medikamenten außerhalb der von der FDA zugelassenen Indikation eines Medikaments“, heißt es in einem offenen Brief des Unternehmens.

Mounjaro - Tirzepatid mit Spritze zur Behandlung von Typ-2-Diabe
Auch das Diabetes-Medikament Mounjaro mit dem Wirkstoff Tirzepatid von Eli Lilly verspricht die gewünschte Unterstützung beim Abnehmen. (Bild: Olaf Kunz – Adobe Stock)

Doch wo hört der ungerechtfertigte kosmetische Einsatz auf und wo fängt der gerechtfertigte medizinische Einsatz an? Die Diskussion erinnert an den Konflikt um das „Lifestyle-Medikament“ Viagra und dessen Wirkstoff Sildenafil. Tatsache ist, dass Übergewicht und Fettleibigkeit behandlungsbedürftige Krankheiten sein können. Gleichzeitig betonen die Hersteller der Abnehmspritzen, dass ihre Medikamente einen gesunden Lebensstil unterstützen, aber nicht ersetzen sollen. Sorgloses und einfaches Abnehmen oder Schlankbleiben allein per wöchentlicher Spritze ist nicht vorgesehen.

Wie gehen die Hersteller mit dem Abnehm-Hype um?

Sowohl Novo Nordisk als auch Eli Lilly stellen bereits fest, dass die hohe Nachfrage nach den Wirkstoffen Semaglutid und Tirzepatid zu Engpässen in der Versorgung mit Diabetes-Medikamenten führt. Novo hat aus diesem Grund über seinen Mutterkonzern Novo Holdings tief in die Kasse gegriffen: Anstatt die Produktion an Lohnhersteller auszulagern, wie es in der Pharmaindustrie verbreitet ist, hat der Konzern den derzeit strauchelnden Lohnhersteller Catalent und dessen rund 50 Produktions-Standorte übernommen.

Gleichzeitig wittern bei besonders nachgefragten Medikamenten auch Schwarzmarkthändler und Fälscher Profit. Mit Unterstützung der FDA gehen die Hersteller schon seit Monaten hart gegen gefälschte und unter unzulässigen Bedingungen produzierte Wirkstoffe vor. Allein Anfang Februar hat die Behörde zwei Unternehmen bzw. deren Standorte mit einem „Warning Letter“ abgemahnt. Die betroffenen Standorte hatten nicht-zugelassene Varianten von Wegovy und Ozempic zum Verkauf angeboten.

In den USA ist es zwar gestattet, dass Apotheken mit entsprechender Genehmigung Medikamente selbst mischen und formulieren, wenn ansonsten die Versorgung von Patienten nicht gewährleistet ist, wie es bei den Diabetes- und Abnehm-Spritzen zuletzt der Fall war. Einzelne Apotheken-Ketten hatten es mit der korrekten Formulierung jedoch nicht so genaugenommen und sind darüber mit Novo Nordisk in Konflikt geraten: Der Konzern verklagte zwei Medikamenten-Händler wegen Markenrechtsverletzungen, nachdem diese ihre eigenen Semaglutid-Formulierungen als Ozempic und Wegovy etikettiert und vertrieben hatten. Auch gegen verschiedene Wellness-Resorts und Abnehm-Kliniken, die Behandlungen mit ihren eigenen, Semaglutid-basierten Medikamenten anbieten, geht der Pharmakonzern rechtlich vor.

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