Maschine auf Rollen

1: Mobiler Ex p-Steuerschrank für die Raman-Spektroskopie. (Bild: R. Stahl)

Ohne den Blick aufs Detail wäre dieses Projekt wohl nicht möglich gewesen. Dies fängt schon bei der zu schützenden Anlage an: Innerhalb einer Granulatproduktion, in der große Mengen an Lösemittel benötigt werden, kommt die Raman-Spektroskopie für die Online-Prozesssteuerung zum Einatz. Die Raman-Analysatoren geben mit hoher Genauigkeit Auskunft über die chemische Zusammensetzung in einem Prozess. Hierfür tritt Laserlicht bestimmter Wellenlängen mit Molekülen in Wechselwirkung und verursacht eine Streuung, die identifiziert werden kann. Jedes Element hat hier quasi einen einzigartigen Fingerabdruck, zudem kann auch die Menge quantifiziert werden. Das Spannende daran ist, dass die Werte in Echtzeit bereitstehen, so dass eine Online-Steuerung des Prozesses möglich ist.

Nun ging es in dem Projekt darum, den Raman-Analysator aus Sicht des Explosionsschutzes sicher zu verpacken. Schließlich gehört das Gerät zu den kostenintensivsten Analysegeräten überhaupt. Daraus ergab sich bereits eine weitere Herausforderung: Der Analysator musste mobil bleiben, da er innerhalb der Produktion für mehrere Prozesse eingesetzt wird.

Man stand nun vor zwei Möglichkeiten: Entweder wäre das Gerät im Nicht-Ex-Bereich aufgestellt und die explosionsgeschützten Sonden wären in den explosionsgefährdeten Bereich überführt worden. Oder das Gerät selbst befindet sich auch im Ex-Bereich der Produktion, dafür benötigt das Gerät jedoch einen entsprechenden Explosionsschutz. Gegen die erste Variante sprach, dass die Sonden – dabei handelt es sich um hochempfindliche Lichtwellenleiter – über eine Strecke von bis zu 40 m hätten geführt werden müssen. Die zweite Möglichkeit bestand darin, das Gerät in einem Ex-p-geschützten Schaltschrank sicher zu integrieren.

Maschine auf Rollen
2: Antennen sorgen für die WLAN-Anbindung, so dass Analysedaten gleich ins Leitsystem übertragen werden können. (Bild: R. Stahl)

Überdruckkapselung im Aufwind


Mehr und mehr Anwender gehen dazu über, ihre Geräte durch diese Schutzart Überdruckkapselung zu schützen. Ihr größter Vorteil: Das Konzept ist sicher, robust und einfach. Ist das Gerät im Innern sicher verpackt – sprich nach den Vorgaben des Explosionsschutzes installiert – kann der Anwender getrost die Türen schließen und sich beruhigt zurücklehnen. Auch besitzt die Schutzart im praktischen Handling einige Vorteile. So können maßgefertigte Sondergehäuse, aber auch kleinere und größere Ex-e- oder Standardgehäuse verwendet werden. Zum Vergleich: Ein typisches Ex-d-Gehäuse wiegt 180 kg, das entsprechende Ex-p-Gehäuse liegt hier bei nur 40 kg.
R. Stahl, Partner in diesem Projekt, bietet Steuerungs- und Überwachungssysteme in der Zündschutzart Überdruckkapselung in mehreren Varianten an. Diese sind einheitlich aufgebaut und bestehen immer aus Ex-p-Steuergerät, Ex-p-Druckwächtern (Luftauslässen) sowie Ex p-Spülventilen mit digitaler oder proportionaler Regelung. Je nach Phase wird über das Spülventil in das Innere des Ex-p-Gehäuses eine bestimmte Menge an Zündschutzgas (Druckluft oder Inertgas) eingebracht und auf einen gewissen Überdruck geregelt. Zusätzlich ist im Innern eine Temperaturüberwachung und -regelung zur adäquaten Kühlung integriert.

Schaltschrank
3: Das Spülventil leitet Spülluft in den Schaltschrank und sorgt für Ex-p-Sicherheit. (Bild: R. Stahl)

Stets zur Stelle

Bei der Umsetzung des Projektes waren einige Detailfragen zu klären. Dies fing mit der Mobilität an. So benötigten die Wirkstoffhersteller eine mobile Variante, damit das Gerät unterschiedlichen Anlagen zur Verfügung steht. Dies erforderte ein fahrbares Untergestell für den Schaltschrank, bei dem unter anderem die Rollen elek-trisch leitfähig ausgeführt sein mussten.
Dies hatte den großen Vorteil, dass der Analysator direkt in der Nähe der Anlage aufgestellt und damit die Sonden auf 10 m gekürzt werden konnten. Damit beim Wechsel zu einer anderen Anlage die hochempfindlichen Sonden nicht beschädigt werden, wurde ein mechanischer Schutz für die aufgerollten Sonden installiert. Bei Nicht-Gebrauch sind die Sonden dort sicher aufgehoben. Gleiches gilt für die Versorgungsleitungen von Druckluft und Elektrik, auch diese werden bei Nicht-Gebrauch sicher an der Rückseite verstaut.

Auch für das dicke Ende gibt es eine Lösung

Für die Durchführungen der Leitungen von innen nach außen können normalerweise Ex-e-Kabelverschraubungen verwendet werden. Allerdings zeigte sich das Projekt auch hier von seiner besonderen Seite. So ließ sich das dicke Ende der Sonden nicht einfach mithilfe einer Kabelverschraubung durch den Schrank führen. Daher wurde hier ein spezielles, flexibles und anpassungsfähiges Kabelabdichtungssystem ausgewählt. Bei diesem Multi-Cable-Transit-Anschluss (MCT) mit IP 66 handelt es sich um eine klappbare Kabeldurchführung, die den Durchgang von potenziell explosiven Gasen verhindert. Das Gehäuse selbst erfüllt generell alle Ex-e-Anforderungen, wie IP-Schutz und Schlagfestigkeit. Zudem mussten jedoch die GMP-Richtlinien beachtet werden, so liegt die Oberflächenrauigkeit unter 0,8 µm und statt IP65 bei den Luftauslässen wurde lieber eine Klasse höher gewählt. So wurde über die Auslässe zusätzlich eine IP66-Schutzhaube gesetzt.

Um das Kommunikationskabel einzusparen, wurden außerdem zwei Antennen für die WLAN-Anbindung in den Schaltschrank integriert. So können die Analysedaten gleich in das Leitsystem übertragen werden. Zusätzlich bietet jedoch ein HMI mit Sicherheitsglas in der Tür des Schaltschrankes einen Überblick über die aktuellen Messdaten, so dass sich der Prozess auch an Ort und Stelle gut überwachen lässt. Damit alle Komponenten – nicht nur die für den Explosionsschutz – sicher im Schaltschrank untergebracht werden, wurde der Raman-Analysator innerhalb des Schranks gedreht.

Schön cool bleiben

Generell sollte bei der Schutzart Überdruckkapselung darauf geachtet werden, dass die im Gehäuse eingebauten Komponenten nicht überhitzen. Da viele dieser Systeme in sehr warmen Klimazonen eingesetzt werden, ist inzwischen bei rund drei Viertel der Ex-p-Anwendungen eine Klimatisierung nötig. Auch hierzulande können die Sommer warm werden und dies ist vor allem für den Raman-Analysator herausfordernd. Denn dieser schaltet bei Temperaturen über 35 °C im Schaltschrank einfach ab. Dennoch wurde in diesem Projekt zunächst auf eine zusätzliche Kühlung verzichtet, vielmehr überwacht ein Thermostat im Innern die Temperatur. Sollten die Temperaturen steigen, öffnet sich das Spülventil kurz, um kalte Luft einströmen zu lassen. Sollte dies nicht ausreichen, sind im Schaltschrank bereits die Vorrichtungen für eine zusätzliche Vortex-Kühlung vorgesehen. Lieber wäre es den Verantwortlichen allerdings, man könnte darauf verzichten, da eine Vortex-Kühlung immer mit einem gewissen Lärmpegel verbunden und auch teurer im Betrieb ist. So würde man statt der derzeitigen 2 bar einen Druck von 5 bar benötigen.

Ex P Druckwächter
4: Ex p-Druckwächter optimieren die Strömungsverhältnisse, Spülzeiten und Druckbelastung. (Bild: R. Stahl)

Drei Schritte zur Überdruckkapselung

Der Betrieb einer klassischen Überdruckkapselung Ex p unterteilt sich in drei Schritte:

1. Vorbereitungsphase: Über das Spülventil werden Druckluft oder Inertgase in das Ex p-Gehäuse zugeführt und ein Überdruck generiert. Ist dieser erreicht, beginnt die sogenannte Vorspülphase, die über das Ex-p-Steuergerät reguliert wird.
2. Vorspülphase: Vor Inbetriebnahme der im Inneren des Schaltschranks befindlichen Betriebsmittel muss das potenziell vorhandene explosionsfähige Gemisch aus dem Gehäuse ausgeblasen werden. Nach Erreichen des vorab eingestellten Gehäuse-Innendrucks öffnet sich das Spülventil. Es folgt die Durchspülung mit Zündschutzgas. Diese Luftaustrittsventile (Druckwächter) werden an verschiedenen Stellen positioniert, um für kontrollierte Strömungsverhältnisse zu sorgen. Von Vorteil sind die sehr kurzen Spülzeiten bei sehr kleinen Druckbelastungen (bis 15 mbar). Dadurch können dünnere Schaltschrank-Wandstärken (i.d.R. 2 mm) verwendet werden. Dies senkt die Kosten. Ist diese Vorspülphase beendet, schließt sich das Spülventil und der Spülfluss stoppt. Der Gehäuse-Innendruck stellt sich erneut auf den voreingestellten Wert ein und das Luftaustrittsventil schließt.
3. Betriebsphase: Der Normalbetrieb beginnt und die Steuereinheit kontrolliert und reguliert den Gehäuse-Innendruck, um das Eindringen explosionsfähiger Gase oder Stäube zu verhindern. Leckverluste werden automatisch durch das Spülventil ausgeglichen.

Entscheider-Facts

  • Das Projekt eines maßgefertigten Schaltschranks für einen empfindlichen Raman-Analysator bei einem Wirkstoffhersteller war auch für R. Stahl etwas Besonderes.
  • Neben dem Explosionsschutz waren auch die spezifischen Vorgaben einer pharmazeutischen Produktion herausfordernd..
  • Der Anwender entschied sich für eine mobile Variante, damit das Gerät unterschiedlichen Anlagen zur Verfügung steht.

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Unternehmen

R. STAHL Schaltgeräte GmbH

Am Bahnhof 30
74638 Waldenburg
Germany