
Erst kommt das Aufmaß mit dem 3D-Laserscanner, um die digitalen Daten zu erfassen, dann wird im Planungsmodell ein virtuell begehbares Visualisierungsmodell erstellt. (Bild: Müller & Sohn)
Entscheider-Facts
- Stahlkonstruktionen sind essenziell für Sicherheit und Effizienz in der Produktion.
- Digitale Planung mit 3D-Scans macht Anlagen anpassungsfähiger an Hygieneanforderungen und bei Änderungen.
- Modular gefertigte Bühnen minimieren Stillstand und beschleunigen den Aufbau.
Unternehmen aus Europa verlagern ihre Produktion zunehmend zurück in die Heimat und gestalten diese neu. 47 % der in einer Studie des Capgemini Research Institute befragten Großunternehmen haben entsprechende Investitionen angeschoben, 72 % entwickeln hierzu Strategien oder setzen sie schon um. Deutsche Unternehmen sind dabei besonders aktiv. Insgesamt 3,2 Bio. Euro wollen die Unternehmen in den kommenden drei Jahren in den Aufbau neuer Produktionskapazitäten nahe der Heimat investieren. 633 Mrd. Euro davon entfallen allein auf Deutschland. Als Hauptgrund gelten Lieferengpässe der vergangenen Jahre; Unternehmen wollen besser gegen Störungen und Verzögerungen in der Lieferkette gewappnet sein.
Zuletzt geplant, zuerst benötigt
Das Fundament jeder Anlage und einer automatisierten Produktion sind die Bühnenkonstruktionen. Sie müssen individuell an den Bestand und die Gegebenheiten angepasst werden und sollten sich harmonisch in verschiedene Betriebsumgebungen vor Ort einfügen. Bedienbühnen und Begehkonstruktionen dienen dazu, Maschinen, Anlagen und Geräte effizienter, sicherer und funktionaler zu machen. Damit unterstützen sie reibungslose Produktionsabläufe und erfüllen gleichzeitig sicherheitsrelevante Anforderungen, um Gefahren bei der Arbeit zu reduzieren. Sie ermöglichen jederzeit Zugang und Zugriff auf Anlagen, um sie zu überwachen, anzupassen und Wartungen durchzuführen, ohne dabei sensible Produktionsabläufe zu beeinträchtigen.
Die Konstruktionen bieten Maschinenbedienern, Technikern und Wartungspersonal zudem eine sichere und stabile Arbeitsumgebung, um komplexe Aufgaben auch in erhöhten Positionen effizient und unfallfrei zu erledigen. In Produktionsumgebungen mit langen Prozesslinien verkürzen wiederum Überstiege und Wartungspodeste die Wege. Hier ist die Flexibilität wichtig: die Konstruktionen müssen zum Teil über mehrere Hindernisse oder Produktbänder hinaus – mit entsprechenden Querverstrebungen auch für hohe Produktionslinien – realisiert werden.

„Bedienbühnen werden zwar zuletzt geplant, werden bei der Modernisierung von Produktionsanlagen aber zuerst benötigt. Bedeutet, bestenfalls schon in der Planungs- und Layoutphase einen Experten hinzuzuziehen und für eine enge Abstimmung mit dem Obermonteur vor Ort und allen beteiligten Gewerken – Spedition, Logistikpartner, Maschinenhersteller – zu sorgen“, sagt Josef Müller, Geschäftsführer von Müller & Sohn, einem auf den Stahlbau spezialisierten Familienunternehmen aus der Eifel.
Ein ganzheitliches Vorgehen beim Entwickeln der Konstruktion stellt sicher, dass die Lösung bestmöglich an die Branche und ihre individuellen Anforderungen angepasst ist. Gerade dort, wo Lebensmittel und Getränke hergestellt, verpackt oder verarbeitet werden, gelten höchste Hygiene-, Sicherheits- und Qualitätsstandards. Neben Richtlinien, die national und international einheitlich sind, wie der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 der EU für die Lebensmittelhygiene oder dem Codex Alimentarius, müssen Unternehmen auch landesspezifische Normen, Vorschriften und Gesetze erfüllen. Mit modernen Schweiß- und Schleifmethoden kann der Stahlbauer das gesamte Spektrum der weltweiten Anforderungen abdecken.

Planen mit dem digitalen Zwilling
Bestandteil jeder Projektplanung sind präzise statische Berechnungen in Bezug auf Größe, Ausführung und Belastung mittels Aufmaßnahmen und technischen Zeichnungen per 3D-Laserscantechnik. Dafür wird der Bestand einmal digital aufgenommen, woraus anschließend per CAD-Software in einer realitätsgetreuen Umgebung ein erster virtueller Modellentwurf entsteht. Dieser digitale Zwilling wird dann auf Anknüpfungs- und Kollisionspunkte überprüft.
Bereits in diesem Schritt kommt es auf Millimeterarbeit an: Abmessungen, Konfigurationen und Zusatzfunktionen, wie integrierte Sicherheitsvorrichtungen, Treppen, Steigleitern, Geländer und rutschfeste Laufflächen, sind keine Grenzen gesetzt, müssen aber von Beginn an mitgedacht werden. Nur so können Konstruktionen auch in engen Raumverhältnissen platzsparend angeordnet werden. Zu berücksichtigen sind auch strenge statische Anforderungen und Verkehrslasten sowie Arbeitsschutzstandards wie die DIN EN ISO 14122. Durch digitale Dokumentation kann im Laufe des Projekts flexibel auf Änderungen hinsichtlich Kollisionspunkten, Lasten oder Stützenstellungen reagiert werden.
Der nächste Schritt ist die Materialwahl. Oberflächen von Stahl unterscheiden sich in Verzinkung, Grundierung, Beschichtung und Lackierung. Wichtige Faktoren, die die Entscheidung beeinflussen, sind Stand- und Einsatzort der Anlage. Verzinkter Stahl ist kostengünstiger und auch für draußen geeignet. Edelstahl ist zwar teuer, dafür glatter und korrosionsbeständiger. Er eignet sich besonders, wenn ein Produkt viele Berührungspunkte mit der Konstruktion hat. In jedem Fall ist Stahl langlebig und recycelbar.
„Die DIN-gerechte Qualität und die von hygienisch produzierenden Unternehmen geforderten Oberflächenparameter hinsichtlich eines geringen Ra-Wertes lassen sich über hochmoderne, teilautomatisierte Maschinen, Erfahrung und Know-how sicherstellen“, erläutert Müller. Sind die Entscheidungen über das Material getroffen, geht das Planen in die Konstruktionsphase über, die den ersten Entwurf und später den perfekten Bauplan umfasst – dieser wird dann in der Fertigung umgesetzt.
Alles aus einer Hand
Die Konstruktionen des Stahlbauers werden aus der Eifel in die ganze Welt geliefert. Das letzte Großprojekt war eine 21 t schwere hygienische Bühnenkonstruktion aus Edelstahl für das Modernisieren einer Anlage eines führenden Nahrungsmittelherstellers mit Sitz in Ostdeutschland. Dieser hatte besondere Anforderungen an Hygiene und Statik. Der Stahlbauer musste die Konstruktion in den Bestand implementieren und komplett vor Ort verschweißen. Das heißt, alle Profile, Hohlräume und Rohre mussten geschlossen und der Bodenbelag mit Abläufen verschweißt sein, damit die Konstruktion leicht zu reinigen ist und sich kein Staub ablagert. Die Elemente hat der Stahlbauer in Modulbauweise in der eigenen Fertigungshalle vorbereitet, auf die Transportmittel zugeschnitten und später auf der Baustelle miteinander verschweißt. Die Montage erfolgte innerhalb von zehn Tagen im Schichtbetrieb, um den Ausfall der Anlage so gering wie möglich zu halten – üblich sind sechs Wochen.
Bei Projekten mit mehreren Bauabschnitten, verschiedenen technischen Spezifikationen und bürokratischen Hürden kann es bis zu zwei Jahre dauern, bis die Konstruktion fertig ist und die Anlage umgebaut werden kann. So geschehen bei einem belgischen Softdrinkhersteller, der eine 800 m² große Bühnenfläche mit verzinkter Unterkonstruktion und 27 Überstiege benötigte. Hier arbeitete der Stahlbauer an zwei Standorten parallel, beim Kunden und in Kall, um den strikten zeitlichen Rahmen einzuhalten. Müller: „Beim Transport und der Vor-Ort-Montage kommt es dann auf ‚just in time‘ an.“
