Während die Impfstoff-Kampagne gegen Covid-19 in der EU bisher noch eher schleppend läuft, sind andere Länder wie die USA und Großbritannien bereits deutlich weiter. Dazu tragen teilweise auch Impfstoffe aus EU-Produktion bei: Seit Dezember seien insgesamt 77 Mio. Impfdosen aus den Werken der Hersteller in der EU in 33 Länder der Welt ausgeführt worden, rechnete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Auftakt einer Videokonferenz des Europäischen Rates vor.
EU prüft jetzt auch Gegenseitigkeit und Verhältnismäßigkeit
Und auch weiterhin sei die Europäische Union der einzige große Wirtschaftsraum, der weiterhin Impfstoffe im großen Maßstab in Dutzende Länder ausführe. Und das in „in Zeiten, in denen die Mitgliedstaaten mit der dritten Welle der Pandemie konfrontiert sind und nicht jedes Unternehmen vertragsgemäß liefert“. Außerdem sei die EU auch der größte Geldgeber für die globale Impfplattform Covax.
Bei den Impfstoff-Ausfuhren prüfen die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission bisher nur, ob Hersteller ihre Lieferverträge mit der EU erfüllen. Das soll sich nun ändern: Die EU will in Zukunft auch untersuchen, ob das Bestimmungsland selbst Ausfuhren beschränkt („Grundsatz der Gegenseitigkeit“) und wie dort die epidemiologische Lage, die Impfquote und die Impfstoffvorräte sind (Verhältnismäßigkeit). Dazu hat die Europäische Kommission am Mittwoch eine aktualisierte Durchführungsverordnung angenommen.
VFA und Oschmann warnen vor Exportstopps
Die Pharmaindustrie blickt jedoch skeptisch auf mögliche Exportverbote durch die EU. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) weist etwa in einer Stellungnahme darauf hin, dass man für einen Corona-Impfstoff mehrere Hundert Bestandteile und Hilfsmittel braucht. Und diese würden von überall auf der Welt geliefert und in Vorbearbeitungsstufen auch zwischen verschiedenen Ländern ausgetauscht. Die Gefahr: Wenn immer mehr Länder einen Exportstopp verhängen, kommt irgendwann die ganze Logistikkette ins Straucheln. „Das können weder Deutschland noch die EU, obwohl sie starke Produktionsstandorte sind, wegstecke“, warnt der Verband.
VFA-Präsident Han Steutel nannte Exportstopps ein "süßes Gift", das am Ende die Pandemiebekämpfung lähme und damit allen schaden werde. Ähnliche Bedenken äußerte auch Stefan Oschmann, Chef des Darmstädter Pharma- und Chemiekonzerns Merck, in einem Interview mit dem Handelsblatt: „Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung, über die ich mir große Sorgen mache. Ein Impfstoffkrieg wird allen schaden.“