Wirkstoffe, die in der Veterinär- und Humanmedizin von einem Patienten aufgenommen wurden, werden in Teilen auch wieder ausgeschieden und landen dann im Abwasser.
Moderne Kläranlagen können zwar die meisten Stoffe durch mechanische, biologische und chemische Reinigung entfernen, allerdings nicht alle. Und so gelangen Wirkstoffe, die noch im Abwasser der Kläranlage enthalten sind, unter anderem in Flüsse und Bäche und von da aus ins Meer. Forschende der britischen Universität York haben zu Beginn des Jahres 2022 eine Studie mit dem Titel „Pharmazeutische Verschmutzung der weltweiten Flüsse“ veröffentlicht. Um nachzuweisen, welche Wirkstoffe wo und in welchen Konzentrationen zu finden sind, haben die Forschenden in 104 Ländern Proben des Ober-flächenwassers von 1.052 Flüssen entnommen.
Diese Proben hat das Team auf 61 aktive pharmazeutische Inhaltsstoffe sogenannte API untersucht; darunter waren Wirkstoffe von verbreiteten Medikamenten aber auch Verbindungen aus Lifestyle-Konsumgütern.
Die Forschenden konnten vier API auf allen Kontinenten nachweisen. Wenig verwunderlich ist, dass diese API zu den Lifestyle-Wirkstoffen sowie den rezeptfreien Wirkstoffen zählen: Nikotin, ein Stoffwechselprodukt des Nikotins (Cotinin), Koffein und Paracetamol. Weitere 14 API fanden die Forschenden in Flüssen auf allen Kontinenten außer der Antarktis darunter Betablocker, Antidepressiva und das Antibiotikum Trimethoprim. Einige der nachgewiesenen Substanzen blieben unter den für Gewässer zulässigen Grenzwerten, einige andere jedoch nicht.
Welche Umweltauswirkungen können Wirkstoffe in Flüssen haben?
Antimikrobiell wirkende Stoffe wie Antibiotika in der Umwelt könnten das globale Problem der antimikrobiellen Resistenzen weiter vergrößern. Auch ist nicht klar, wie die in den Gewässern nachgewiesenen API, miteinander in Wechselwirkung treten. Das Team von der Universität York befürchtet, dass auch Wirkstoffe, die unter ihrem zulässigen Grenzwert liegen, kombiniert mit anderen API im selben Fluss, zu ökologischen Risiken führen, die bisher noch nicht bekannt sind.
In verschiedenen Studien konnten Forschende bereits Auswirkungen von API auf aquatische Lebensformen nachweisen – von der Grünalge bis zu Fischen und Amphibien. Beispielsweise fanden Forschende von der Universität Umeå heraus, dass Benzodiazepine, die genutzt werden, um Angststörungen bei Menschen zu behandeln, eine ähnliche Wirkung auf Flussbarsche haben – die Fische verhalten sich furchtloser und werden gefräßiger.
Damit Wirkstoffe wie das Benzodiazepin nicht in die Umwelt gelangen, gibt es in der Pharmaindustrie Containmentlösungen. Für eine Kläranlage könnte das Äquivalent zum Containment eine weitere Reinigungsstufe sein. Entsprechende Pilotanlagen arbeiten mit Ozonreaktoren und nachgeschalteten Aktivkohlefiltern.
Die Möglichkeiten um die Umweltauswirkungen von Wirkstoffen in Wasser zu minimieren, sind da, bleiben aber häufig ungenutzt. Das kann an der fehlenden Infrastruktur, aber auch an einer bisher zu dünnen Datenlage zur Effektivität einer vierten Reinigungsstufe liegen, weshalb Kläranlagenbetreiber auf die Kosten für einen Umbau verzichten.