Der „intelligente Rost“ wie das Team um Prof. Dr. Marcus Halik die Partikel auch nennt, bindet abhängig von der Beschichtung Schadstoffe im Wasser, sodass per Magnet sowohl die Partikel als auch die gebundenen Stoffe entfernt werden. „Unser intelligenter Rost ist billig, ungiftig und recycelbar“, sagt Halik. „Und wir haben den Einsatz bei allen Arten von Verunreinigungen nachgewiesen und das Potenzial dieser Technik für eine drastische Verbesserung der Wasseraufbereitung aufgezeigt.“
Wie funktionieren die Eisenoxid-Nanopartikel?
Das Team forscht seit vielen Jahren an einer umweltfreundlichen Möglichkeit, Schadstoffe aus Wasser zu entfernen. Als Grundmaterial dienen Eisenoxid-Nanopartikel in superparamagnetischer Form: Das heißt, sie werden von Magneten angezogen, nicht aber voneinander, so dass die Partikel nicht verklumpen.
Um sie „intelligent“ zu machen, entwickelte das Team eine Technik, um Phosphonsäure-Moleküle an die nanometergroßen Kügelchen zu binden. „Nachdem wir eine Schicht der Moleküle auf die Eisenoxidkerne aufgetragen haben, sehen sie aus wie Haare, die aus der Oberfläche dieser Partikel herausragen“, erläutert Halik. Indem die Wissenschaftler dann ändern, was an der anderen Seite der Phosphonsäuren gebunden ist, können sie die Eigenschaften der Nanopartikeloberflächen so anpassen, dass sie verschiedene Arten von Schadstoffen stark adsorbieren.
Frühe Versionen des intelligenten Rosts fingen Rohöl aus Wasser aus dem Mittelmeer und Glyphosat aus Teichwasser ein, das die Forscherinnen und Forscher in der Nähe der Universität sammelten. Darüber hinaus zeigte das Team, dass die Partikel Nano- und Mikroplastik entfernen können, das Labor- und Flusswasserproben zugesetzt wird.
Östrogen aus Wasser entfernen
Bisher konzentrierte sich die Gruppe auf Schadstoffe, die meist in großen Mengen vorhanden sind. Lukas Müller, ein Doktorand, wollte wissen, ob er die Rost-Nanopartikel so modifizieren könnte, dass sie Spurenverunreinigungen wie Hormone anziehen.
Natürliche und synthetische Östrogene sind eine Hormon-Gruppe, die ins Abwasser gespült wird und schließlich in die Gewässer gelangt – Hauptquellen dieser Schadstoffe sind Abfälle von Menschen und Nutztieren. Die Mengen an Östrogenen seien in der Umwelt sehr gering, meint Müller, daher seien sie nur schwer zu entfernen. Doch selbst diese Konzentrationen beeinflussen nachweislich den Stoffwechsel und die Fortpflanzung einiger Pflanzen und Tiere. Auswirkungen niedriger Konzentrationen dieser Verbindungen auf den Menschen über lange Zeiträume sind noch nicht vollständig erforscht.
Taschen halten Hormon fest
„Ich habe mit dem häufigsten Östrogen Östradiol begonnen und dann vier weitere Derivate mit ähnlichen Molekülstrukturen untersucht“, sagt Müller. Östrogenmoleküle haben einen sperrigen Steroidkörper und Teile mit leicht negativen Ladungen. Um beide Eigenschaften zu nutzen, beschichtete er Eisenoxid-Nanopartikel mit zwei Gruppen von Verbindungen: einer langen und einer positiv geladenen. Die beiden Moleküle organisierten sich auf der Oberfläche der Nanopartikel, und die Forschungsgruppe geht davon aus, dass sie zusammen viele Milliarden winziger Taschen bilden, die das Östradiol ansaugen und an Ort und Stelle festhalten.
Da diese Taschen für das bloße Auge unsichtbar sind, hat Müller High-Tech-Instrumente verwendet, um die Existenz dieser Östrogen-einschließenden Taschen zu überprüfen. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass die Forschenden die Hormone effizient aus Laborproben extrahieren konnten, aber sie müssen zusätzliche Experimente abwarten, um die Taschenhypothese zu überprüfen. „Wir versuchen anhand verschiedener Puzzleteile zu verstehen, wie sich die Moleküle tatsächlich auf der Oberfläche der Nanopartikel anordnen“, erklärt Müller.