Blisterpackungen

Auch 2022 werden wieder viele neue Medikamente auf den deutschen Markt kommen. (Bild: Takeda / VFA)

Die Einschätzung des VFA stützt sich auf die in der EU beantragten oder kürzlich erteilten Zulassungen für neue Arzneimittel sowie die beschleunigten Entwicklungsprogramme für Covid-19-Medikamente. Der Verband rechnet auf dieser Basis damit, dass Unternehmen 2022 mehr als 45 Medikamente mit neuem Wirkstoff in Deutschland auf den Markt bringen. 2021 waren es mit 46 ähnlich viele gewesen. Zusätzlich dürfte das Anwendungsgebiet einiger schon eingeführter Medikamente ausgedehnt werden – etwa auf weitere Krebsarten oder Covid-19. Die Übersicht in den einzelnen Bereichen:

Infektionskrankheiten

Mehr als ein Viertel der Medikamente mit neuem Wirkstoff, die 2022 in Deutschland herauskommen, dürften dabei der Behandlung von Infektionskrankheiten dienen. So werden voraussichtlich gegen Covid-19 mehrere Impfstoffe verfügbar, die auf Virusproteinen (Novavax – wie funktioniert ein solcher Impfstoff) oder abgetöteten Viren (Valneva) beruhen. Zur Behandlung Infizierter dürften erste Medikamente kommen, die nicht infundiert oder gespritzt werden müssen, sondern geschluckt werden können. Daran arbreiten etwa Pfizer und MSD. Neue Mittel mit antiviralen Antikörpern könnten unter anderem beitragen, Menschen zu schützen, die keinen ausreichenden Impfschutz aufbauen können.

Neue Impfstoffe könnten noch vor anderen Krankheiten schützen, insbesondere vor Dengue-Fieber, Cholera, Hepatitis B, Grippe und Pneumokokken-Infektionen. Gegen problematische Bakterien könnten mehrere neue Antibiotika sowie ein Antikörper-Medikament auf den Markt kommen. "Das kann helfen, gegen die sich ausbreitenden Resistenzen Boden gut zu machen. Doch es bleibt eine große Aufgabe für Industrie und Politik, noch mehr antibakterielle Medikamente zu entwickeln und dafür die nachhaltige Finanzierung und Erstattung zu sichern", so Han Steutel.

Krebserkrankungen

Ein weiteres Viertel der neuen Medikamente 2022 dürfte gegen unterschiedliche Krebserkrankungen gerichtet sein. Bis zu fünf Neueinführungen könnten Patient:innen mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) zugutekommen. Und auch bei Blasen-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, gastrointestinalen Stromatumoren, Gliomen, Neuroblastomen, verschiedenen Leukämien und Lymphomen, Multiplem Myelom und Melanom am Auge stehen die Chancen auf neue Behandlungsmöglichkeiten gut.

Die dafür in Betracht kommenden Medikamente gehören zu unterschiedlichen Arzneimittelklassen. Neben einigen Kinasehemmern könnten beispielsweise mehrere Antikörper-Wirkstoff-Konjugate eingeführt werden. Bei diesen bringen Antikörper einen Giftstoff oder radioaktive Atome gezielt in Krebszellen, unter weitgehender Schonung des gesunden Gewebes. Auch weitere CAR-T-Zell-Therapien könnten kommen - gegen verschiedene hämatologische Tumore. CAR-T-Zellen sind Immunzellen des Patienten, die im Labor gentechnisch so ausgerüstet wurden, dass sie nach Rückführung in den Körper bestimmte Tumorzellen bekämpfen können.

Seltene Gendefekte

Trotz Fortschritten seit der Jahrtausendwende sind immer noch tausende Krankheiten, die auf ererbten Gendefekten beruhen, bis heute nicht ursächlich behandelbar. 2022 soll sich das aber wieder für einige Betroffene bessern. So könnte erstmals ein Medikament gegen die sehr seltene Krankheit "Fibrodysplasia ossificans progressiva" eingeführt werden. Bei dieser Krankheit wandeln sich Knorpel und andere Arten von Bindegewebe allmählich in Knochen um. Auch könnte ein Medikament herauskommen, das die Lebenserwartung von Patient:innen mit beschleunigten Alterungsvorgängen aufgrund von Hutchinson-Gilford-Progerie verbessert.

Manche dieser Krankheiten sollen durch Gentherapie behandelbar werden, etwa die Augenkrankheit Lebersche hereditäre Optikusneuro-pathie oder ein angeborener Mangel des Enzyms AADC (aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase), das eine Rolle im Neurotransmitter-Stoffwechsel im Gehirn spielt. Auch für Patient:innen mit Hämophilie A könnte erstmals ein Gentherapeutikum verfügbar werden.

Viele dieser Medikamente haben von der EU während ihrer Entwicklung den Orphan Drug-Status erhalten, weil sie eine wesentlich verbesserte Behandlung für die betreffende seltene Krankheit versprechen. Dass dies in der Tat gegeben ist, wird stets im Zulassungsverfahren überprüft. Nur wenn es sich bestätigt, behalten die Arzneimittel den Status auch nach der Zulassung.

Weitere Erkrankungen

Das breit gefächerte Spektrum neuer Medikamente von 2022 dürfte auch Patient:innen mit einer chronischer Nierenerkrankung, einer HIV-Infektion, Wachstumsstörungen, Autoimmunkrankheiten, Migräne, Gebärmuttermyomen und vielen weiteren Erkrankungen zu neuen Behandlungsmöglichkeiten verhelfen.

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