Graphische Darstellung eines Corona-Virus mit erkennbaren Spike-Proteinen auf der Außenhülle.

Darstellungen des mit Spike-Protein bedeckten Coronavirus Sars-Cov-2 sind seit Anfang 2019 allgegenwärtig. Mittlerweile nimmt auch die Zahl der zugelassenen Impfstoffe zu. (Bild: CDC / Alissa Eckert, MSMI, Dan Higgins, MAMS)

Die Form des Coronavirus Sars-Cov-2 ist mittlerweile weithin bekannt: annähernd kugelförmig, und übersäht mit Stacheln. Diese Stacheln, die sogenannten Spikes, bestehen aus Proteinen und sind entscheidend für die Fähigkeit des Virus, an menschliche Köperzellen anzudocken und einzudringen. Da sie also das erste und wichtigste Element des Virus sind, mit denen die Zellen in Kontakt kommen, sind sie in der Regel auch das erste Ziel für Antikörper, die das Immunsystem dagegen bildet.

Arsenal aus Impfstoffen der zweiten Generation

Impfstoffe regen das Immunsystem dazu an, solche Antikörper zu bilden (hier ein Überblick zu verschiedenen Impfstoff-Mechanismen, mit denen dieses Ziel zu erreichen ist). Mutationen in den Spike-Proteinen können dazu führen, dass gebildete Antikörper die Spikes und damit das Virus weniger gut „erkennen“. Deshalb ist es möglich, dass einzelne Covid-Impfstoffe gegen verschiedene Varianten von Sars-Cov-2 unterschiedlich wirksam sind. Auch aus diesem Grund sind die sogenannten Impfstoffe der zweiten Generation wichtig, um ein Arsenal an wirkungsvollen Mitteln gegen aufkommende Varianten zu haben.

Transmissions-Elektronenmikroskopische Aufnahme eines anderen Corona-Virus, hier Mers-Cov, beim Andocken und Eindringen in eine Zelle. Der von den Spike-Proteinen gebildete, namensgebende Strahlenkranz - die Corona - ist gut erkennbar.
Transmissions-Elektronenmikroskopische Aufnahme eines anderen Corona-Virus, hier Mers-Cov, beim Andocken und Eindringen in eine Zelle. Der von den Spike-Proteinen gebildete, namensgebende Strahlenkranz - die Corona - ist gut erkennbar. (Bild: CDC / National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID))

Allen Impfstoffen gemein ist, dass sie dem Immunsystem eine Art harmlose Vorlage präsentieren, nach der die Antikörper gebildet werden. Bei den Impfstoff-Kandidaten von Novavax und Sanofi handelt es sich um sogenannte Totimpfstoffe, sie enthalten also keine Virus-Bestandteile, die sich vermehren bzw. vermehren lassen können. Stattdessen basieren diese Impfstoff-Kandidaten auf Spike-Proteinen von Sars-Cov-2. Novavax hat für seinen Impfstoff-Kandidaten namens NVX-CoV2373 in Ländern wie Indien bereits die Zulassung beantragt. In der EU und damit in Deutschland hat sich die Zulassung verzögert, auf die kürzlich veröffentlichten Ergebnissen der klinischen Phase-III-Studie sollte der Zulassungsantrag jedoch bald folgen. (Was ist Phase III? Hier ein Überblick zu den Schritten, die ein Impfstoff bis zur Zulassung durchläuft.)

Spike-Produktion mit Gentechnik

Diese Spike-Proteine von tatsächlichen Viren gewissermaßen abzuernten wäre jedoch zu umständlich. Sowohl Novavax als auch Sanofi haben sich dazu entschieden, diesen wirksamen Bestandteil des Impfstoffs auf biotechnologischem Weg mit Methoden der Gentechnik zu produzieren. Dazu fügten sie zunächst ein Gen für das Spike-Protein in ein anderes Virus, ein so genanntes Baculovirus, ein und infizierten damit eine Zellkultur von Mottenzellen. Diese Mottenzellen erhalten so den „Bauplan“ für das Spike-Protein und fangen an, es zu produzieren.

Die so hergestellten Spike-Proteine schließen sich von allein zu Spikes zusammen, wie sie auf der Oberfläche des Coronavirus zu finden sind. Andere bereits zugelassene Impfstoffe, beispielsweise gegen Grippe oder HPV, werden auf ähnliche Weise hergestellt. Die aus den Mottenzellen „geernteten“ Spikes lassen sich zu Nanopartikeln zusammensetzen, die zwar die molekulare Struktur des Coronavirus nachahmen, sich aber nicht vervielfältigen oder Covid-19 verursachen können. Die großtechnische Produktion des Novavax-Impfstoffes in Europa soll das polnische Biotech-Unternehmen Mabion übernehmen. Für die Abfüllung haben die Entwickler bereits einen Vertrag mit dem deutschen Lohnhersteller Siegfried am Standort Hameln geschlossen.

Der Impfstoff wird in die Armmuskulatur injiziert. Jede Dosis enthält viele Spike-Nanopartikel, die dem Immunsystem als Vorlage dienen. Da eine Impfung dem Immunsystem eine Infektion jedoch nur vortäuscht, sind solche Vorlagen oft zu harmlos, um eine effektive Immunantwort auszulösen. Damit die Impfung wirksamer ist, enthalten die meisten Impfstoffe darum noch Zusatzstoffe, sogenannte Adjuvantien. Beim Impfstoffkandidaten von Novavax sind dies Saponine, die aus dem Seifenrindenbaum gewonnen werden. Diese Verbindungen reizen das Immunsystem und locken so Immunzellen an die Injektionsstelle, wo sie dann auch stärker auf die Nanopartikel reagieren.

Bestimmte Immunzellen, so genannte Antigen-präsentierende Zellen, treffen auf die Nanopartikel des Impfstoffs und nehmen sie auf. Eine Antigen-präsentierende Zelle zerreißt die Spike-Proteine und zeigt einige der Bruchstücke auf ihrer Oberfläche. Eine sogenannte T-Helferzelle kann diese Stücke erkennen, wenn ein Fragment zu einem Protein an ihrer eigenen Oberfläche passt. In dem Fall wird die T-Zelle aktiviert und kann andere Immunzellen rekrutieren, um auf den Impfstoff zu reagieren.

Eine andere Art von Immunzellen, die so genannten B-Zellen, können ebenfalls mit den Nanopartikeln des Impfstoffs in Berührung kommen. B-Zellen haben Oberflächenproteine in einer Vielzahl von Formen, und einige wenige haben vielleicht die richtige Form, um sich an ein Spike-Protein zu heften. Setzt sich eine B-Zelle fest, kann sie das Impfstoffpartikel aufnehmen und ebenfalls Spike-Protein-Fragmente auf ihrer Oberfläche präsentieren. Wenn sich eine gegen das Spike-Protein aktivierte T-Helferzelle an eines dieser Fragmente anheftet, aktiviert sie die B-Zelle. Diese schüttet dann Antikörper aus, die die gleiche Form wie ihre Oberflächenproteine haben. Außerdem vermehrt sich die aktivierte B-Zelle, so dass die Massenproduktion von passenden Antikörpern beginnen kann.

Infektionsschutz mit möglicher Langzeit-Wirkung

Wenn geimpfte Menschen später mit dem Coronavirus in Kontakt kommen, können sich ihre Antikörper an die Spike-Proteine binden und diese blockieren. Das Virus kann nicht in die Zellen eindringen und sich folglich nicht vermehren – die Infektion wird gestoppt. Der Novavax-Impfstoff bewirkt auch eine andere Art von Schutz, indem er infizierte Zellen zerstört. Wenn das Coronavirus eine Zelle befällt, lagert die infizierte Zelle Fragmente des Spike-Proteins auf ihrer Oberfläche ab. Antigen-präsentierende Zellen können neben den T-Helferzellen auch sogenannten Killer-T-Zellen aktivieren. Diese können mit dem Coronavirus infizierte Zellen erkennen und zerstören, bevor sie die Chance haben, neue Viren zu produzieren.

Andere proteinbasierte Impfstoffe können darüber hinaus das Immunsystem dazu anregen, sogenannte Gedächtnis-B-Zellen und Gedächtnis-T-Zellen zu erzeugen. Diese Zellen behalten die Informationen über das Coronavirus über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg, so dass der Impfschutz lange anhält und bei einer neuen Infektion ein schneller Gegenangriff möglich ist. Inwiefern dieser Effekt auch bei den Impfstoffen von Novavax und Sanofi eintritt, ist noch nicht bekannt und wird sich erst mit der Zeit untersuchen lassen. Ein Langzeit-Schutz wäre jedoch ein Vorteil gegenüber den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna, wofür derzeit regelmäßige Auffrischungen diskutiert werden. Ein weiterer Vorteil der Protein-Impfstoffe ist, dass sie sich bei Kühlschrank-Temperaturen bis zu drei Monate halten. Damit sind sie einfacher zu transportieren und zu lagern als die mRNA-Impfstoffe, die Lagertemperaturen von -80 °C erfordern.

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