Im Zuge der Recherche wurden fast 150 Produkte getestet, die der Nahrungsmittelkonzern in asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern vermarktet. Das Ergebnis zeigt, dass fast alle der untersuchten Cerelac-Cerealien Zuckerzusatz – durchschnittlich fast 4 g pro Portion – enthalten. Die meisten Nido-Milchpulver für Kleinkinder zwischen einem und drei Jahren enthalten ebenfalls Zucker, im Schnitt fast 2 g pro Portion.
WHO-Arzt sieht Doppelstandards
Für die von Public Eye befragten Kinderärzte und Experten für Kinderernährung ist dieser Zuckerzusatz aus ethischer wie gesundheitspolitischer Sicht problematisch, besonders angesichts der Adipositas-Erkrankungen in wirtschaftsschwachen Ländern.
„Ich verstehe nicht, warum die in Südafrika verkauften Produkte anders sein sollten als die in Ländern mit höherem Einkommen“, kritisiert Karen Hofman, Professorin für öffentliche Gesundheit an der Universität Witwatersrand in Johannesburg. Sie sieht darin gar „eine kolonialistische Praxis, die nicht toleriert werden darf“.
Der Weizenbrei der Marke Cerelac, den Nestlé als Nahrung für sechs Monate alte Babys verkauft, enthält in Deutschland und Großbritannien keinen Zuckerzusatz, in Südafrika hingegen pro Portion 4 g Zucker. „Solche Doppelstandards sind nicht zu rechtfertigen“, befindet Dr. Nigel Rollins vom Department of Maternal, Newborn, Child and Adolescent Health der WHO.
Suchtfaktor für Kinder, Risiko- für Erwachsene
Derzeit kontrolliert Nestlé 20 % des Weltmarktes für Babynahrung, der auf fast 70 Mrd. US-Dollar geschätzt wird. In Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen gehören Cerelac und Nido zu den meistverkauften Marken des Schweizer Konzerns. Dem Marktforschungsunternehmen Euromonitor zufolge machte er 2022 allein mit Cerelac und Nido je 1 Mrd. Dollar Umsatz.
Laut Rodrigo Vianna, Epidemiologe und Professor an der Abteilung für Ernährung der Universität des brasilianischen Bundesstaats Paraíba, birgt Zuckerzusatz ein hohes Suchtpotenzial für Kinder. Dies erhöht im Erwachsenenalter das Risiko, an Fettleibigkeit, Diabetes oder Bluthochdruck zu erkranken.
Unter dem Motto „Für Nestlé sind nicht alle Babys gleich süß“ fordert Public Eye von dem Konzern die sofortige und weltweite Beendigung von Zucker- und Süßungsmittelbeigaben in Produkten für Kinder unter drei Jahren.