
(Bild: Dall-E3 / OpenAI)
Entscheider-Facts
- Ein BQS-Programm stellt die termingerechte Übergabe der Anlage nach Fertigstellung sicher, so dass alle Systeme bereit zur Inbetriebnahme sind.
- Die Auswahl eines geeigneten Generalunternehmers für ein Pharma-Bauprojekt ist von hoher Wichtigkeit. Außerdem ist der frühzeitige Auftrag an ein unabhängiges BQS-Management-Unternehmen signifikant für den Projekterfolg.
- Eine klare Inbetriebnahmestrategie, die gleichzeitig durch ein effektives BQS Programm unterstützt wird, ermöglicht eine optimal effiziente Projektumsetzung.
Unternehmen planen und tätigen nach wie vor Investitionen, achten jedoch mehr als je zuvor darauf, Risiken zu minimieren, Budgets ein-zuhalten, Zeitpläne zu beschleunigen sowie die Umsetzungsqualität sicherzustellen bzw. zu verbessern. Zusätzlich werden Parameter wie Anlagenverfügbarkeit, kosteneffiziente Wartung und die Betriebskosten über den gesamten Anlagen-Lebenszyklus zu wichtigen Schlüsselindikatoren. Terminverzögerungen, Budgetüberschreitungen und mangelhafte Ausführungsqualität, die auf schlechte Projektplanung zurückzuführen sind, sind mehr denn je nicht akzeptabel.
Planungsingenieure können in der Pharmaindustrie auf zahlreiche regulatorische Richtlinien sowie auf Leitfäden zurückgreifen, darunter die Regeln der EU-Kommission oder der US-amerikanischen FDA sowie die Richtlinien von Organisationen wie der ISPE. Viele Firmen wenden das Konzept “Quality by Design” bereits standardisiert an. Good Engineering Practice (GEP) und Good Documentation Practice (GDP) sind nahezu durchgehend etabliert. Ein Investitionsprojekt ist jedoch nur dann erfolgreich, wenn eine exzellente Planung beim anschließenden Bau und der Inbetriebnahme ebenso exzellent umgesetzt wird.
Subunternehmer sind kritisch für erfolgreiche Projekte
Üblicherweise wählt der Bauherr einen Generalunternehmer, der dann wiederum entscheidet, die Arbeitspakete entweder selbst durchzuführen, sie vollständig auszulagern oder eine Kombination aus beidem. Dabei sollte die Qualität der selbst durchgeführten Aufgaben am ehesten vorhersehbar sein. Demgegenüber ist die Qualität von ausgelagerten Aufgaben von der Auswahl der Subunternehmer abhängig. Deshalb sind Auswahl und Management der Subunternehmer kritisch für das erfolgreiche Ergebnis des Projektes.
In der Konzeptphase eines Projektes ist für alle Phasen die erforderliche Qualität festzulegen. Jedoch werden oft während der „Bau- und Inbetriebnahmephase“, möglicherweise die beiden kritischsten Phasen, die Bedeutung von Bedienbarkeit, Betriebsbereitschaft und Wartungsfreundlichkeit einer Anlage unterschätzt. Der Generalunternehmer sollte daher bereits in der Entwurfs- und Genehmigungsplanung (Basic Engineering) einen Inbetriebnahmeplan erstellen. Ziel ist dabei, kritische Bereiche und Gefährdungspotenziale vor der Bauphase zu definieren und planbar zu machen. Allerdings ist ein Inbetriebnahmeplan mit detaillierten Protokollen und Checklisten wertlos, wenn die vorangehende Bauausführung von minderer Qualität und mit Defekten übersät ist.
Abhängig von der Größe bzw. Komplexität des Projektes bietet es sich als logische Schlussfolgerung an, die Überwachung der Ausführungsqualität externen Spezialisten zu überantworten. Diese Aufgabe sollte jemandem übertragen werden, der den angestrebten Zweck des Produktionsneubaus genau versteht, die spezifischen Anforderungen an den Betrieb und die Wartung der Anlagen kennt, und einen angemessenen Qualitätsanspruch in die Bauphase einbringen kann.
Idealerweise kann ein spezialisiertes Inbetriebnahme-Unternehmen mit dem notwendigen Qualitätsbewusstsein und Anwendungsverständnis im betreffenden Feld die Funktion des “Bau-Qualitätssicherungsmanagers“ (BQS-Manager) übernehmen. Verantwortungsvolle, kosteneffiziente und unabhängige Ausübung dieser Rolle ermöglicht dann einen großen Mehrwert für Bauherr und Generalunternehmer durch eine deutliche geringere Anzahl von Bau- und Inbetriebnahmemängeln.

Bau-Qualitätssicherungs-Programm
Bereits in der Entwurfs- und Genehmigungsplanung eines Projektes sollte der Projektmanager einen Bauablaufplan entwerfen, in dem alle erforderlichen Arbeitspakete bis zur Übergabe der fertigen Produktionsanlage an den Betreiber dokumentiert sind. Dieser Plan bleibt jedoch nur ein Plan und erweist sich oft als ineffektiv, solange er nicht Teil eines übergeordneten, integrierten Baustellen-Qualitätssicherungsprogrammes ist. Wenn das Qualitätsmanagement nicht integraler Bestandteil des Projektmanagements ist, wird der Projekterfolg eher eine Wahrscheinlichkeit als eine Sicherheit.
Das Ziel eines BQS-Programms besteht in der Anwendung von Qualitätssicherungsmaßnahmen in Bezug auf die Bauaktivitäten, um sicherzustellen, dass die Anlage termingerecht, spezifikationsgerecht und mangelfrei übergeben werden kann. Dementsprechend hebt ein BQS-Programm die Wichtigkeit von Qualität und Selbstinspektionen sowie Tests gegenüber General- und Subunternehmern deutlich hervor. Die Verantwortung für die Ausführungsqualität kann deshalb niemals gänzlich den General- und Subunternehmern abgenommen werden.
Ein wirksames BQS-Programm ermöglicht dem Bauherrn, Kontraktoren mit unterschiedlicher Expertise der Bauqualitätsüberwachung zu beauftragen und dennoch eine problemlose Inbetriebnahme und Qualifizierung sicherzustellen. Dies geschieht in mehreren Schritten:
1. Risikoanalyse und Bewertung
Kritische Aspekte, die Zeitplan und Kosten beeinflussen, sollten bereits zu Beginn eines Projektes identifiziert und untersucht werden. Dies geschieht durch eine klare Definition der Projektziele, die Analyse auf mögliche Zielkonflikte, die Entwicklung eines Projektstrukturplans, die Durchführung einer Stakeholder- und Umfeldanalyse, die Erstellung eines individuellen, spezifischen Projektmanagement-Handbuchs für das angestrebte Projekt sowie die Schulung aller Projektteammitglieder. Weiterhin erfolgt eine Projekt-Risikoanalyse während der Planungsphase durch Ingenieure und Anlagenbetreiber mit Fokus auf die geplante Anlage.
Ebenso wichtig sind aber auch die Identifizierung und Bewertung von Risiken aus Sicht der Bau-Ausführenden. Diese Maßnahme sollte vor der Bauphase unter Berücksichtigung der Qualitätsaspekte durchgeführt werden und besonders die gegebenen Projektbedingungen berücksichtigen. System-Abhängigkeiten und mögliche Einflüsse auf den Zeitplan sind dabei essenzielle Faktoren, denn auch nicht GMP-kritische Systeme können durchaus kritisch für den Terminplan des Projekts sein. Ein Beispiel wäre hier eine nicht termingerechte Fertigstellung von Abwasser-Behandlungsanlagen, die damit die Inbetriebnahme der Produktionsanlagen verzögern. Eine Risikobewertung, die sowohl die Qualität als auch den Zeitplan widerspiegelt erlaubt dem Team, kritische Arbeitspakete des Projektes zu priorisieren.
2. Bewertung von Subunternehmern
Nach der Identifikation dieser kritischen Arbeitspakete sollten im nächsten Schritt die Kontraktoren auditiert werden. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass Subunternehmer über geeignete Qualitätssysteme, Übergabepläne nach mechanischer Fertigstellung („mechanical completion“ = MC), Inbetriebnahmepläne, Arbeitsanweisungen und Checklisten verfügen. Das frühe Wissen um Defizite wichtiger Unternehmenspartner und die Einleitung entsprechender korrektiver Maßnahmen trägt entscheidend zum gesamten Erfolg des Projektes bei.
3. Audits
Audits zur Sicherstellung der Compliance führen die Ingenieure und Betreiber entsprechend den GEP - Regeln gewöhnlich während der Designphase durch. Das Ergebnis erfasst potenzielle Probleme bei Sicherheit, Behördenanforderungen, Bedienbarkeit und Wartungseigenschaften. Jedoch wird dabei oft wenig oder gar keine Betrachtung der Ausführbarkeit aus Sicht der Baustellenanforderungen durchgeführt. Der BQS-Manager sollte deshalb auch in dieser Phase beteiligt sein und in der Folge Begehungen einplanen, die auf kritische Systeme fokussiert sind. Diese Baustellenaudits zielen auf die Untersuchung von Bau-Qualitätsproblemen der Anlage, welche die MC und Inbetriebnahme und damit den gesamten Zeitplan des Projektes beeinflussen können.
Ebenso sollten Audits die Compliance der Protokolle zur Baufreigabe (approved for construction, AFC) bei der Bewertung von Angeboten und vor Beginn der Bauarbeiten absichern. Auf diese Weise werden die Betreiberanforderungen von Beginn an berücksichtigt. In diesem Zusammenhang ist auch die Kommunikation mit den Zulassungsbehörden wichtig. Eine frühzeitige Information der zuständigen Inspektoren hat sich in Projekten immer wieder als sehr hilfreich erwiesen.
4. Durchführung und Dokumentation von BQS-Baustellenbegehungen
Regelmäßige Baustellenbegehungen durch den BQS-Manager sind für die Ausführung des Projektes notwendig. Dafür werden Inspektionspläne, Übergabeprotokolle, Checklisten, Arbeitsanweisungen und Punch-Lists eingesetzt ebenso wie Prozesse, die das Format der Dokumentation, Verteilung und Archivierung regulieren.
5. Kontrolle von Änderungen auf der Baustelle
Während der Design-Phase laufen das Management und die Änderungskontrolle von Planungsänderungen gewöhnlich eng verknüpft ab. Änderungen auf der Baustelle werden hingegen oft übersehen, obwohl diese weit häufiger als in der Planungsphase auftreten. Aus diesem Grund muss Verfolgung und Kontrolle von Änderungen während der Bauausführung durch das gesamte Projektteam priorisiert und diese Punkte vom BQS-Manager bewertet werden.
Innerhalb des BQS-Programms wird außerdem sichergestellt, dass alle Baustellenabläufe im Einklang mit dem Sicherheitskonzept stehen. Beide Programme sollten parallel laufen und sich gegenseitig widerspiegeln, um einen Bauablauf ohne Unfälle und Mängel zu gewährleisten.
6. Geeignete Bau-Dokumentation
Die gesamte Dokumentation der Anlage sollte konform mit den GEP-Anforderungen angelegt werden. Die erforderliche GMP-gerechte Dokumentation muss allen Beteiligten geschult und die Umsetzung überprüft werden.
7. Definition und Organisation des Turn-Over Package (TOP)
Die Entwicklung eines Prozedere für das Turn-Over Package (TOP) erfolgt idealerweise vor der Bauphase durch den BQS-Manager und sollte mit dem Generalunternehmer sowie dessen Subunternehmen besprochen werden. Sie tragen die Verantwortung für die Einhaltung der TOPs. Der BQS-Manager überprüft die Entwicklung der TOPs und fasst die Ergebnisse in einem finalen Review bei der Übergabe zusammen.
8. Training von Schlüssel- und Unternehmenspersonal
Die Qualitätskultur “Right First Time” sollte mit dem gesamten Projektteam im Rahmen eines Trainingsprogramms geschult und verinnerlicht werden. Schlüsselpersonal der Bauunternehmen sowie der Subunternehmer sollte hinsichtlich Good Documentation Practices, relevanter SOPs und den individuellen Baustellenregeln geschult werden.
