Blick auf Podiumsdiskusstion mit Puplikum

Durch die wolkenverhangene Aussicht lag der Fokus bei der Konferenz ganz auf der Bühne. (Bild: Multivac)

Entscheider-Facts

  • Der Markt für alternative Proteine ist in den letzten Jahren stark gewachsen, stagniert jedoch langsam.
  • Nicht nur das Aussehen einer Produktalternative muss dem Original ähneln, besonders der Geschmack bewegt Menschen zum Wiederkauf.
  • Alternative Proteine müssen günstiger werden, um einen breiteren Markt zu erreichen.

Es ist Anfang Februar. Auf den Feldern, die den Hauptsitz von Multivac in Wolfertschwenden im Unterallgäu umgeben liegt der Schnee. Um das Gebäude zieht ein eisiger Wind. Der Ort liegt so weit südlich in Deutschland, dass man normalerweise die Alpen sehen kann. Während den beiden Tagen der Future Protein Conference lassen sich diese durch den dichten Dunst am Horizont jedoch nicht blicken. Der Fokus liegt also nur auf der Konferenz und dem Thema, welches hier in den nächsten beiden Tagen besprochen werden soll: der Markt für alternative Proteine.

Die Zukunft der Proteine, die wir Menschen zu uns nehmen, scheint nicht mehr nur tierisch zu sein. Seit Jahren vergrößert sich der Markt für pflanzliche Proteine, dazu kommen Proteine aus dem Labor, die mittels Präzisionsfermentation hergestellt werden, aber auch Proteine aus Insekten. Aber nicht nur die Herkunft der Proteine ist immer vielfältiger auch die Produkte, zu denen sie verarbeitet werden. In den Anfängen gab es Pflanzendrinks maximal im Reformhaus und dann zu horrenden Preisen. Mittlerweile werden sowohl Milch- als auch Fleischprodukte vielfältig nachgebaut. Einem Report der Boston Consulting Group zufolge sind alternative Molkereiprodukte die größte Kategorie auf dem Markt für alternative Proteine und auch gleichzeitig die Kategorie mit dem schnellsten Wachstum. Von diesem alternativen Molkereimarkt nimmt Käse weniger als 1 % ein, etwa 10 % sind Joghurtalternativen und den größten Teil mit etwa 80 % repräsentieren Pflanzendrinks.

Überzeugt der Geschmack?

Fleischalternativen hingegen hatten gerade 2022 ein schwieriges Jahr. In den USA beispielsweise sank der Umsatz mit Fleischalternativen verglichen mit 2021 um 12 % und das Absatzvolumen um 15 %. Das Marktwachstum für Produkte wie den Beyond-Meat-Burger wurde – vermutlich durch den Ansturm, der darauf zu Beginn herrschte – sehr viel höher kalkuliert als es sich nun entwickelt hat. Einen Grund sahen viele Experten auf der Future Protein Conference darin, dass Geschmack und Konsistenz eines Produkts die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht überzeugen konnten, dieses erneut zu kaufen. Denn auch wenn viele Menschen angeben sich (teils) pflanzenbasiert zu ernähren, weil es besser für die Umwelt oder besser für die Gesundheit ist, spielt der Geschmack eines Lebensmittels noch immer die größte Rolle.

Weitere Punkte, die Verbraucher aktuell abschrecken, sind die Preise der Produkte mit alternativen Proteinen sowie deren Zutatenliste. Bei Pflanzendrinks ist die Zutatenliste vergleichsweise kurz, bei Fleischalternativen kann sie jedoch schon einmal einige Zeilen lang sein. Denn damit Geschmack und Konsistenz dem Original möglichst nah kommen, müssen in der Regel diverse Zusatzstoffe beigemischt werden.

Eine Referentin fasste den Sachverhalt wie folgt zusammen: Der Mensch möchte nicht per se Tiere essen, sondern er möchte ein bestimmtes Produkt und zu diesem Produkt können Fleischalternativen oder auch kultiviertes Fleisch eine Abkürzung sein. Doch bei kultiviertem Fleisch also Fleisch, welches aus tierischen Zellen mittels Präzisionsfermentation hergestellt wird, sieht die Marktlage im Moment noch eher schwierig aus. Die Produktion ist noch nicht für den Großmaßstab geeignet, wodurch das kultivierte Fleisch aktuell noch einen schlechteren Klima-Fußabdruck hat als Fleisch aus der Viehhaltung. Dadurch ist es für den breiten Markt auch noch zu teuer.

Business Frauen im Gespräch
Die Pausen boten Zeit, sich bei den Ausstellern über Produkte und passende Verpackungen zu informieren. (Bild: Multivac)

Warum nicht beides?

Verschiedene Vortragende auf der Konferenz sehen für die nahe Zukunft eine Kombination aus pflanzlichen und durch Präzisionsfermentation hergestellten Proteinen. Beispielsweise ein Burger-Patty aus Erbsenprotein, welches dann durch tierische Muskel- oder Fettzellen aus einem Fermenter angereichert wird. Damit könnte sich auch die Problematik der langen Zutatenliste bei Ersatzprodukten verbessern. Es gibt bereits Hersteller, die mit der Fermentation von Biomasse auf dem Markt für Fleischalternativen unterwegs sind, allerdings verwenden sie die Fermentation nicht, um tierische Zellen sondern die Biomasse von Pilzen zu vermehren.

Andere Vortragende auf der zweitägigen Konferenz im Unterallgäu vertreten die Meinung, dass die Industrie besser gar nicht versuchen sollte, Produkte nachzubauen, sondern Verbraucherinnen und Verbrauchern Pflanzen schmackhaft zu machen. Sie raten Herstellern, Produkte mit pflanzlichen Proteinen auf den Markt zu bringen und diese gar nicht als Alternative sondern als Produkt, welches für sich allein steht zu vermarkten.

Und was jetzt?

Die Vorschläge wie der Markt für alternative Proteine zukünftig aussehen könnte und sollte sind vielfältig. Umfragen zeigen, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern aus verschiedenen Gründen zu Fleisch- oder Molkereiprodukt-Alternativen greifen. Und die Umsätze bestätigen, dass ein Interesse für den Markt vorhanden ist. Der Vortragende von der Boston Consulting Group beispielsweise berichtet, dass sein Unternehmen stark in den Markt für alternative Proteine investiert.

Gerade bei kultiviertem Fleisch sind sich diverse Vortragende einig: es muss mehr investiert werden. Aktuell sind die Investitionen verstärkt privat, nach Meinung der Expertinnen und Experten sollten Länder mehr in die Präzisionsfermentation investieren – Spanien, Belgien und die Niederlande tun das bereits, Deutschland ist bisher eher verhalten. Vermutlich auch weil hierzulande ein großes Misstrauen gegenüber Gentechnik herrscht, und was schreit für die breite Öffentlichkeit mehr nach Gentechnik, als Fleisch welches im Labor produziert wird?

Aber es muss auch nicht gleich die Präzisionsfermentation sein. Um es grob mit den Worten eines der Sprecher auf der Konferenz wiederzugeben: Lebensmittelhersteller sollten nicht versuchen, Verbraucherinnen und Verbraucher zu erziehen, sondern ihnen gute Alternativen bieten. Seine Meinung – und auch die mehrerer anderer Vortragenden – ist simpel: schmeckt einem Menschen das gekaufte Lebensmittel, wird er es immer wieder kaufen und immer wieder sein Geld bei dem entsprechenden Unternehmen lassen. Jedoch muss sich auch der Preis der Produkte mit alternativen Proteinen noch dem breiten Markt anpassen, damit sie nicht nur einmal probiert, sondern immer wieder gekauft werden. Auch wenn sich während der Konferenz die Alpen nicht am Horizont gezeigt haben, so gibt es dort zumindest den sprichwörtlichen Silberstreif für die Zukunft der alternativen Proteine zu sehen.

Menschen bei Live Demo auf Konferenz
Die beiden Konferenztage schlossen jeweils mit einer Live-Demonstration verschiedener Verpackungsmaschinen. (Bild: Multivac)

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