Entscheider-Facts
- Ein Fleischverarbeiter will die Pick-Rate seiner verpackten Produkte durch Automatisierung erhöhen.
- Zwei Hersteller konstruierten daraufhin eine End-of-Line-Anlage mit zwei Handling-Robotern.
- Die identisch aufgebauten Greifer nutzen ein rein elektrisches Vakuumsystem.
Falten gelten bisweilen als Schönheitsproblem. In automatisierten Verpackungsprozessen können sie dagegen die Abläufe empfindlich stören. Das kann beispielsweise bei Fleischwaren passieren, die in Kunststoffschalen verpackt und mit einer Folie versiegelt werden. Diese Folie ist bei der folgenden Kommissionierung der Angriffspunkt für die Vakuum-Sauggreifer. Sie verformt sich jedoch durch das Eigengewicht der Verpackung und zerknittert.
Das Ergebnis: Durch den Faltenwurf stoßen herkömmliche Greiflösungen an ihre Grenzen. Sie dichten die Unregelmäßigkeiten trotz weicher Dichtlippen nur unzureichend ab und eine konventionelle Vakuum-Erzeugung hält den Unterdruck nicht aufrecht. Bizerba, Spezialist für Logistik- & Verpackungssysteme, suchte daher nach einer geeigneten Lösung, um die Kommis-sionierung dieser folierten Schalen zuverlässig zu automatisieren.
Hohe Pick-Rate rund um die Uhr
Ein spanischer Anwender beauftragte den Spezialisten für Logistik- & Verpackungssysteme damit, ein End-of-Line-System für die automatisierte Kommissionierung von Fleischverpackungen zu entwickeln. Bislang stapelten Beschäftigte nach dem Verpacken, Wiegen und Etikettieren die Lebensmittelschalen in Transportkisten. Die Geschwindigkeit der manuellen Tätigkeit entsprach jedoch nicht den Anforderungen und begrenzte damit den Output. Aufgrund des Fachkräftemangels war zusätzliches Personal für den Fleischverarbeiter nicht verfügbar. Daher sollte die Automatisierung eine höhere Pick-Rate sowie einen Betrieb rund um die Uhr sicherstellen.
Gemeinsam mit Kilivations, einem Unternehmen, das auf Automatisierungslösungen spezialisiert ist, die direkt auf dem Robotercontroller installiert sind, konstruierte der Spezialist für Logistik- & Verpackungssysteme eine neue End-of-Line-Anlage mit zwei Handling-Robotern – den Case-Packer. Das Automatisierungsunternehmen integrierte die Einzelkomponenten in die Automatisierungszelle für den Fleischverarbeiter. Wichtiger Bestandteil sind zwei Cobots von Universal Robots, die den Greifern die notwendige Reichweite verleihen. Bei den End-of-Arm-Effektoren setzen Bizerba und Kilivations auf die Systeme des Vakuumtechnologie-Herstellers Schmalz.
Vakuum auch bei Energieausfall Beide identisch aufgebauten Greifer, die jeweils an einem Cobot-Arm sitzen, nutzen ein rein elektrisches Vakuumsystem des Vakuumtechnologie-Herstellers. In jeder dieser Einheiten arbeitet eine Compact-Pumpe des Typs GCPi, die den Greifer am Roboterarm mit Vakuum versorgt. Der kompakte Vakuumerzeuger bildet mit den elektrischen 3/2-Wege-Kompaktventilen LQEi ein leistungsstarkes System und ist genauso performant wie pneumatische Ejektor-Lösungen. Die Compact-Pumpe erzeugt den notwendigen Unterdruck mittels einer
Doppelkopf-Membranpumpe, die der Vakuumtechnologie-Hersteller mit einer integrierten Energiesparregelung ausgestattet hat. Diese steuert die Drehzahl der Pumpe bedarfsgerecht. Über eine IO-Link-Schnittstelle lassen sich Prozessparameter direkt übertragen.
Am Greifer sitzen dezentral die beiden Kompaktventile, die zwei getrennte Saugkreise kontrollieren. Sie schalten das Vakuum dort, wo es gebraucht wird und sorgen für eine schnelle Evakuierung sowie Belüftung des Vakuumsystems. Dies beschleunigt die Ansaug- und Ablegezeiten deutlich. Ein im Ventil integrierter Sensor überwacht den Unterdruck und garantiert eine hohe Prozesssicherheit. Durch die Endlagenfixierung und Rückschlagklappe des Kompaktventils hält das System auch bei einem Energieausfall das Vakuum aufrecht.
Der PXT-Greifer ist flexibel und modular, da die Hersteller aus den Standard-Komponenten passende Endeffektoren zusammengestellt haben. Falls sich die Geometrie der Lebensmittelschalen später ändern sollte, lassen sich die Bestandteile neu kombinieren. „Das ist innovativ und passt zu unserer offenen Roboterzelle, die nur durch Lichtschranken geschützt ist“, betont Oliver Deifel, Director Global Customer Solutions & Integration Business beim Spezialisten für Logistik- & Verpackungssysteme. Bislang setzten die Lebensmittelverarbeiter auf geschlossene Zellen, die meist nur für ein Werkstückformat ausgelegt waren. „Das System musste auf wechselnde Packungsgrößen aufwendig umgerüstet werden“, blickt Deifel zurück.
Den direkten Kontakt zur Fleischverpackung haben die Balgsauggreifer PSPF. Jeweils sechs Stück werden durch ein Kompaktventil gesteuert. Sie besitzen neben einem flexiblen und zugleich stabilen Balg eine besonders weiche Dichtlippe. Damit kann das System die Folienverpackung automatisiert handhaben – trotz Faltenwurf. So werden Falten auch hier zum reinen Schönheitsproblem. Der Balgsauggreifer besteht aus FDA-konformem Silikon und ist für den Kontakt mit Lebensmitteln geeignet.
Werkstücke ohne Druckluft ablegen
Doch wie so oft steckt die Technik im Detail: Mit der Compact-Pumpe lassen sich über IO-Link zwei voneinander getrennte Vakuumkreise pro Greifer realisieren. „Über die IO-Link-Kommunikation haben wir die Möglichkeit, alle relevanten Prozessparameter wie Ansaugzeit und Leckagerate auszuwerten“, erklärt Jan Walter. Er ist Leiter des Verkaufs Deutschland und Außendienstes beim Vakuumtechnik-Hersteller. „So können wir einen schleichenden Saugerverschleiß erkennen oder Leckagen im System detektieren.“ Durch diese vorausschauende Wartung vermeidet der Lebensmittelbetrieb ungeplante Stillstandzeiten.
Das gesamte System arbeitet rein elektrisch, verbesserte Strömungsquerschnitte und Leitungslängen ermöglichen, die gegriffenen Werkstücke schnell und zuverlässig ohne Druckluft abzulegen – das senkt die Betriebskosten. Durch den dezentralen Einbau der Kompaktventile am Greifer realisiert der Vakuumtechnik-Hersteller schnelle Evakuierungs- und Ablegezeiten, die notwendig sind, um die geforderten 96 Picks pro Minute zu erreichen.
Ein Transportband bringt die verpackten und gelabelten Schalen an die Aufnahmestelle der Handhabungslösung des Vakuumtechnik-Herstellers. Jeder der beiden Greifer nimmt vier Lebensmittelverpackungen auf und setzt diese in die bereitstehenden Ladekisten – alle fünf Sekunden, eine Lage nach der anderen. Ein Rollenförderer transportiert anschließend diese Kisten zur Versandabwicklung.
„Die Zusammenarbeit mit Schmalz und Kilivations verlief durchweg positiv und wir konnten gemeinsam ein hervorragendes System bei unserem Kunden in Spanien installieren“, erzählt Deifel. „Und auch unser Auftraggeber ist sehr zufrieden. Er fährt die Anlage jetzt mit einem hohen Durchsatz, spart Personalkosten und dies bei maximaler Prozesssicherheit durch die Automatisierung.“ Der Case-Packer arbeitet wie geplant seit Ende 2023 in Spanien, andere Kunden haben bereits Interesse an der Lösung gezeigt. „Das smarte Konzept dieser Anlage bildet die Grundlage für weitere Projekte“, verrät Deifel.