pharmazeutische Produktionslinie mit Sekundärverpackungen; ETH Zürich, Medikamentenengpässe, Opiatkrise, Lieferengpass, Lieferkette

Die Koordination zwischen Distributionszentren könnte dabei helfen, Versorgungsengpässe bei Medikamenten abzuschwächen. (Bild: Kadmy - stock.adobe.com)

In den letzten Monaten waren die Zeitungen voll von Meldungen zu Engpässen bei verschiedenen Medikamenten, das stellt Gesundheitssysteme weltweit vor Herausforderungen. Bisher versuchen Medikamentengroßhändler einer Mangellage zu entgehen, indem sie alternative Produkte von anderen Herstellern und über andere Lieferketten beschaffen. Doch auch das funktioniert nicht immer, da aufgrund knapper Arzneimittelrohstoffe kurzfristig gar keine Alternativen zur Verfügung stehen.

Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) haben sich dieses Problem angeschaut und das gesamte Vertriebssystem von Opiaten in den USA zwischen 2006 und 2014 untersucht. Die dafür nötigen Logistikdaten stammen von der amerikanischen Drogenvollzugsbehörde (DEA) und wurden im Rahmen des Gerichtsprozesses gegen den Medikamentenhersteller Purdue Pharma veröffentlicht. Die Daten enthalten über 40 Mrd. Verteilrouten zwischen Herstellern, Händlern und Endabnehmern. „Dieser Datensatz bietet einen noch nie dagewesenen Überblick über den landesweiten Vertrieb eines stark nachgefragten und im Untersuchungszeitraum immer wieder knappen Medikaments“, erklärt Luca Verginer, einer der Mitautoren der Studie.

Flexibler heißt auch teurer

Indem sie den umfangreichen Datensatz aus den USA auswerteten, fanden die Forschenden heraus, dass auch wenn mehrere Großhändler von einem Lieferengpass bei einem bestimmten Medikament betroffen sind, sind im Gesamtsystem der Medikamentendistribution meist noch genügend Medikamente vorhanden. Sofern die Händler knappe Medikamente möglichst flexibel entlang bestehender Lieferketten umleiten, können Engpässe hinausgezögert und abgeschwächt werden. Dafür sind vollständig digitalisierte Distributionssysteme nötig, in denen Aufsichtsbehörden und Händler die Medikamentenbestände in Echtzeit beobachten können und wissen, wo sich bestimmte Lieferungen befinden.

Frank Schweitzer, Professor für Systemgestaltung an der ETH Zürich hat gemeinsam mit seiner Forschungsgruppe ein Modell entwickelt, das die Flexibilität pharmazeutischer Vertriebssysteme in Echtzeit misst und so deren Resilienz bestimmt. Das Modell kann Aufsichtsbehörden dabei helfen, Versorgungsengpässe frühzeitig zu erkennen und die Resilienz von Vertriebssystemen zu stärken. Die Forschenden zeigen zudem, dass Flexibilität auch ihren Preis hat: „Flexible Lieferketten sind meist weniger direkt, da sie mehr Zwischenhändler einbeziehen. Dies macht den Vertrieb langsamer und erhöht die Kosten“, sagt Schweitzer und ergänzt: „Es besteht ein Zielkonflikt zwischen der Flexibilität und Resilienz eines Vertriebssystems und seiner betriebswirtschaftlichen Effizienz.“

Bestehende Lieferketten effizienter nutzen

Schematische Darstellung von Medikamentenlieferketten
Indem Großhändler Restbestände knapper Medikamente umleiten, können Lieferengpässe abgeschwächt werden. (Bild: ETH Zürich)

„Man kann sich das Vertriebsnetz für ein Medikament wie ein Straßennetz mit Kreuzungen vorstellen“, sagt Verginer. Hersteller und Endabnehmer wie Apotheken und Krankenhäuser sind meist über mehrere Großhändler verbunden, die ihre Bestände in Verteilzentren lagern. Über diese Knotenpunkte wäre es auch möglich, Medikamente umzuleiten.

Kommt es nun zu Engpässen bei der Produktion oder der Verteilung, können Händler ein knappes Medikament oder ein gleichwertiges Substitut auf einer alternativen Route an die Endabnehmer bringen – ähnlich einem Navigationssystem, das bei einem Stau Umfahrungsrouten anzeigt. Ungenutzte Lagerbestände des knappen Medikaments werden so besser verteilt. Dies hat den Vorteil, dass Händler keine neuen Geschäftsbeziehungen zu Produzenten und Verteilern aufbauen müssen. Sie nutzen lediglich bestehende Lieferketten effizienter.

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