Vom Grenzwert zur Schutzstufe

OEL und OEB: Was die Containment-Klassen aussagen

Wer hochaktive Wirkstoffe sicher verarbeiten will, braucht eine verlässliche Einstufung des Expositionsrisikos. Diese toxikologischen Grundlagen sind die Basis für moderne Containment-Konzepte. Wir erklären, wie OEL/OEB entstehen und was sie bedeuten.

  • Für wirksames Containment in der pharmazeutischen Produktion hat sich ein klar strukturiertes Vorgehen etabliert: Das OEL definiert das toxikologische Risiko, die OEB übersetzt dieses Risiko in planbare technische Anforderungen.
  • Die Validierung über Tests wie SMEPAC stellt sicher, dass die gewählten Maßnahmen in der Praxis zuverlässig funktionieren.
  • Da so entstehende Schutzkonzept schafft vom Anlagenbauer bis zum Betreiber eine gemeinsame Grundlage und ermöglicht sicheren Umgang mit hochpotenten Wirkstoffen über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts.

Die Grundlage jeder Containment-Planung in der pharmazeutischen Produktion ist das sogenannte Occupational Exposure Limit (OEL). Dieser Grenzwert gibt an, welche maximale Konzentration eines Gefahrstoffs Mitarbeitende über einen typischen Acht-Stunden-Zeitraum einatmen dürfen, ohne dass gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Abgeleitet wird das OEL aus toxikologischen Daten: Zunächst werden Wirkmechanismen und relevante Studien ausgewertet, etwa zur akuten und chronischen Toxizität, zu sensibilisierenden oder reproduktionstoxischen Effekten sowie zum Krebsrisiko. Aus Tierstudien werden ein NOAEL oder LOAEL bestimmt, die anschließend mithilfe von Bewertungsfaktoren korrigiert werden, um Unterschiede zwischen Tier und Mensch, individuelle Empfindlichkeiten oder Datenlücken zu berücksichtigen. Das Ergebnis ist ein akzeptabler Aufnahmewert, der in einen inhalativen Grenzwert umgerechnet wird – das OEL. Dieser Wert ist für jede Substanz spezifisch und bildet die wissenschaftliche und regulatorische Grundlage für alle weiteren Containment-Entscheidungen.

OEL vs. MAK – was ist der Unterschied?

Die heute gebräuchlichen OEL-Werte entsprechen in ihrer Funktion weitgehend den früher vor allem im deutschsprachigen Raum verwendeten MAK-Werten (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration). Beide definieren die maximal zulässige Stoffkonzentration in der Atemluft während einer Arbeitszeit. Allerdings werden sie von unterschiedlichen Stellen abgeleitet – MAK von der DFG-Kommission, OEL von Behörden oder Unternehmen – und nutzen teils unterschiedliche Bewertungsfaktoren. Deshalb liegen die Werte oft in derselben Größenordnung, können sich im Einzelfall aber durchaus unterscheiden, etwa wenn neue toxikologische Erkenntnisse vorliegen oder konservativere Sicherheitsfaktoren angewendet werden.

Da OELs sehr präzise, aber im Betriebsalltag nur schwer handhabbar sind, nutzt die Industrie ergänzend sogenannte Occupational Exposure Bands (OEBs). Sie übersetzen den exakten Expositionsgrenzwert in eine praktikable Risikokategorie. Je geringer der OEL eines Stoffes, desto höher fällt sein OEB aus – von OEB 1 für Substanzen mit vergleichsweise geringer Toxizität bis hin zu OEB 5 für hochpotente Wirkstoffe (HPAPIs), die bereits in Nanogramm-Mengen gesundheitsschädlich sein können. Manche Pharmaunternehmen verwenden darüber hinaus interne Kategorien wie „OEB 6“ für ultrapotente Substanzen im Bereich < 10 ng/m³ – branchenweit etabliert ist jedoch das fünfstufige OEB-System. Die typischen Bandbreiten reichen von mehr als 1 mg/m³ in OEB 1 bis unter 1 µg/m³ in OEB 5. Dadurch lässt sich schnell einschätzen, welche technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen erforderlich sind. So erfordern viele klassische APIs der OEB 3 bereits geschlossene Transfersysteme oder Handschuhboxen, während zytotoxische Wirkstoffe der OEB 5 nur in vollständig geschlossenen Anlagen mit zusätzlichen Sekundärbarrieren verarbeitet werden dürfen.

OEBs haben sich vor allem durch ihre Praktikabilität etabliert: Sie ermöglichen standardisierte Einstufungen, unterstützen Beschaffungsprozesse und vereinheitlichen Sicherheitsanforderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Während das OEL die wissenschaftliche Basis für das Expositionsrisiko definiert, sorgen OEBs für eine klare Zuordnung zu Containment-Lösungen, technischen Schutzstufen und Anlagenkonzepten. In der Praxis entsteht so ein zweistufiges System: Das OEL beschreibt die toxikologische Gefährlichkeit eines Wirkstoffs, und die OEB übersetzt dieses Risiko in handhabbare Kategorien für Anlagenplanung, Produktionsprozesse und Arbeitsschutz. Dadurch erhalten Betreiber, Hersteller und Behörden eine gemeinsame Sprache, wenn es darum geht, Expositionsrisiken zu minimieren und sichere Prozesse für den Umgang mit potenten und hochpotenten Wirkstoffen zu gestalten.

Warum OEL und OEB für den Anlagenbau entscheidend sind

Um festzustellen, ob eine Anlage die für einen Wirkstoff erforderliche OEB-Stufe tatsächlich einhalten kann, kommen in der Praxis verschiedene Prüf- und Zertifizierungsstandards zum Einsatz. Der wichtigste davon ist SMEPAC, ein branchenweit anerkannter Test, bei dem die tatsächliche Partikel- und Staubemission einer Ausrüstung unter definierten Bedingungen gemessen wird. Dazu wird ein ungefährliches Testpulver verarbeitet und die entstehende Luftkonzentration präzise erfasst. Aus dem Messergebnis lässt sich ableiten, welche OEB-Stufe ein Gerät zuverlässig abdeckt – auch wenn SMEPAC formal keine Einstufung vornimmt. Ergänzend spielen weitere Normen eine Rolle, etwa die ISO-14644-Reihe für Reinräume oder die GMP-Vorgaben bis hin zu Annex 1, die insbesondere Anforderungen an geschlossene Prozesse und aseptische Herstellung definieren. Die CE-Kennzeichnung nach Maschinenverordnung sowie ATEX-Anforderungen stellen sicher, dass Geräte grundlegende Sicherheits- und Explosionsschutzstandards erfüllen; sie ersetzen jedoch keine Containment-Leistungsprüfung. Wo technische Maßnahmen durch persönliche Schutzausrüstung ergänzt werden müssen, greifen darüber hinaus Normen für Atemschutz und Chemikalienschutzkleidung, deren Schutzfaktoren ebenfalls mit der geforderten OEB-Stufe abgeglichen werden.

In der Umsetzung bedeutet dies, dass technische und organisatorische Maßnahmen immer auf den zuvor definierten toxikologischen Grenzwert abgestimmt werden müssen. Das OEL bildet den Ausgangspunkt, aus dem sich eine OEB-Kategorie ableiten lässt. Auf dieser Basis wählen Betreiber geeignete Containment-Konzepte, etwa Isolatoren, Handschuhboxen oder geschlossene Transfersysteme. Die Leistungsfähigkeit dieser Systeme wird im Rahmen von SMEPAC-Tests überprüft und anschließend unter realen Produktionsbedingungen validiert. Dazu gehören auch Aspekte wie Reinigung, Wartung, Produktwechsel oder das Handling von Restmengen, die häufig entscheidend für die tatsächliche Exposition sind. Erst wenn das Gesamtsystem – technische Ausstattung, Arbeitsabläufe und organisatorische Maßnahmen – die Anforderungen der jeweiligen OEB sicher unterschreitet, gilt ein Prozess als ausreichend kontrolliert.