Vom Grenzwert zur Schutzstufe
OEL und OEB: Was die Containment-Klassen aussagen
Wer hochaktive Wirkstoffe sicher verarbeiten will, braucht eine verlässliche Einstufung des Expositionsrisikos. Diese toxikologischen Grundlagen sind die Basis für moderne Containment-Konzepte. Wir erklären, wie OEL/OEB entstehen und was sie bedeuten.
KI generiert mit Dall-E / ChatGPT
- Für wirksames Containment in der
pharmazeutischen Produktion hat sich ein klar strukturiertes Vorgehen
etabliert: Das OEL definiert das toxikologische Risiko, die OEB übersetzt
dieses Risiko in planbare technische Anforderungen.
- Die Validierung über Tests wie SMEPAC stellt
sicher, dass die gewählten Maßnahmen in der Praxis zuverlässig funktionieren.
- Da so entstehende Schutzkonzept schafft vom
Anlagenbauer bis zum Betreiber eine gemeinsame Grundlage und ermöglicht
sicheren Umgang mit hochpotenten Wirkstoffen über den gesamten Lebenszyklus
eines Produkts.
Die Grundlage jeder Containment-Planung in der
pharmazeutischen Produktion ist das sogenannte Occupational Exposure Limit
(OEL). Dieser Grenzwert gibt an, welche maximale Konzentration eines
Gefahrstoffs Mitarbeitende über einen typischen Acht-Stunden-Zeitraum einatmen
dürfen, ohne dass gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten sind.
Abgeleitet wird das OEL aus toxikologischen Daten: Zunächst werden
Wirkmechanismen und relevante Studien ausgewertet, etwa zur akuten und
chronischen Toxizität, zu sensibilisierenden oder reproduktionstoxischen
Effekten sowie zum Krebsrisiko. Aus Tierstudien werden ein NOAEL oder LOAEL
bestimmt, die anschließend mithilfe von Bewertungsfaktoren korrigiert werden,
um Unterschiede zwischen Tier und Mensch, individuelle Empfindlichkeiten oder
Datenlücken zu berücksichtigen. Das Ergebnis ist ein akzeptabler Aufnahmewert,
der in einen inhalativen Grenzwert umgerechnet wird – das OEL. Dieser Wert ist
für jede Substanz spezifisch und bildet die wissenschaftliche und regulatorische
Grundlage für alle weiteren Containment-Entscheidungen.
OEL vs. MAK – was ist der Unterschied?
Die heute gebräuchlichen OEL-Werte entsprechen in ihrer
Funktion weitgehend den früher vor allem im deutschsprachigen Raum verwendeten
MAK-Werten (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration). Beide definieren die maximal
zulässige Stoffkonzentration in der Atemluft während einer Arbeitszeit.
Allerdings werden sie von unterschiedlichen Stellen abgeleitet – MAK von der
DFG-Kommission, OEL von Behörden oder Unternehmen – und nutzen teils
unterschiedliche Bewertungsfaktoren. Deshalb liegen die Werte oft in derselben
Größenordnung, können sich im Einzelfall aber durchaus unterscheiden, etwa wenn
neue toxikologische Erkenntnisse vorliegen oder konservativere
Sicherheitsfaktoren angewendet werden.
Da OELs sehr präzise, aber im Betriebsalltag nur schwer
handhabbar sind, nutzt die Industrie ergänzend sogenannte Occupational Exposure
Bands (OEBs). Sie übersetzen den exakten Expositionsgrenzwert in eine
praktikable Risikokategorie. Je geringer der OEL eines Stoffes, desto höher
fällt sein OEB aus – von OEB 1 für Substanzen mit vergleichsweise geringer
Toxizität bis hin zu OEB 5 für hochpotente Wirkstoffe (HPAPIs), die bereits in
Nanogramm-Mengen gesundheitsschädlich sein können. Manche Pharmaunternehmen verwenden
darüber hinaus interne Kategorien wie „OEB 6“ für ultrapotente Substanzen im
Bereich < 10 ng/m³ – branchenweit etabliert ist jedoch das fünfstufige
OEB-System. Die typischen Bandbreiten reichen von mehr als 1 mg/m³ in OEB 1 bis
unter 1 µg/m³ in OEB 5. Dadurch lässt sich schnell einschätzen, welche
technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen erforderlich sind. So
erfordern viele klassische APIs der OEB 3 bereits geschlossene Transfersysteme
oder Handschuhboxen, während zytotoxische Wirkstoffe der OEB 5 nur in
vollständig geschlossenen Anlagen mit zusätzlichen Sekundärbarrieren
verarbeitet werden dürfen.
OEBs haben sich vor allem durch ihre Praktikabilität
etabliert: Sie ermöglichen standardisierte Einstufungen, unterstützen
Beschaffungsprozesse und vereinheitlichen Sicherheitsanforderungen entlang der
gesamten Wertschöpfungskette. Während das OEL die wissenschaftliche Basis für
das Expositionsrisiko definiert, sorgen OEBs für eine klare Zuordnung zu
Containment-Lösungen, technischen Schutzstufen und Anlagenkonzepten. In der
Praxis entsteht so ein zweistufiges System: Das OEL beschreibt die toxikologische
Gefährlichkeit eines Wirkstoffs, und die OEB übersetzt dieses Risiko in
handhabbare Kategorien für Anlagenplanung, Produktionsprozesse und
Arbeitsschutz. Dadurch erhalten Betreiber, Hersteller und Behörden eine
gemeinsame Sprache, wenn es darum geht, Expositionsrisiken zu minimieren und
sichere Prozesse für den Umgang mit potenten und hochpotenten Wirkstoffen zu
gestalten.
Warum OEL und OEB für den Anlagenbau entscheidend sind
Um festzustellen, ob eine Anlage die für einen Wirkstoff
erforderliche OEB-Stufe tatsächlich einhalten kann, kommen in der Praxis
verschiedene Prüf- und Zertifizierungsstandards zum Einsatz. Der wichtigste
davon ist SMEPAC, ein branchenweit anerkannter Test, bei dem die tatsächliche
Partikel- und Staubemission einer Ausrüstung unter definierten Bedingungen
gemessen wird. Dazu wird ein ungefährliches Testpulver verarbeitet und die
entstehende Luftkonzentration präzise erfasst. Aus dem Messergebnis lässt sich
ableiten, welche OEB-Stufe ein Gerät zuverlässig abdeckt – auch wenn SMEPAC
formal keine Einstufung vornimmt. Ergänzend spielen weitere Normen eine Rolle,
etwa die ISO-14644-Reihe für Reinräume oder die GMP-Vorgaben bis hin zu Annex
1, die insbesondere Anforderungen an geschlossene Prozesse und aseptische
Herstellung definieren. Die CE-Kennzeichnung nach Maschinenverordnung sowie
ATEX-Anforderungen stellen sicher, dass Geräte grundlegende Sicherheits- und
Explosionsschutzstandards erfüllen; sie ersetzen jedoch keine
Containment-Leistungsprüfung. Wo technische Maßnahmen durch persönliche
Schutzausrüstung ergänzt werden müssen, greifen darüber hinaus Normen für
Atemschutz und Chemikalienschutzkleidung, deren Schutzfaktoren ebenfalls mit
der geforderten OEB-Stufe abgeglichen werden.
In der Umsetzung bedeutet dies, dass technische und
organisatorische Maßnahmen immer auf den zuvor definierten toxikologischen
Grenzwert abgestimmt werden müssen. Das OEL bildet den Ausgangspunkt, aus dem
sich eine OEB-Kategorie ableiten lässt. Auf dieser Basis wählen Betreiber
geeignete Containment-Konzepte, etwa Isolatoren, Handschuhboxen oder
geschlossene Transfersysteme. Die Leistungsfähigkeit dieser Systeme wird im
Rahmen von SMEPAC-Tests überprüft und anschließend unter realen
Produktionsbedingungen validiert. Dazu gehören auch Aspekte wie Reinigung,
Wartung, Produktwechsel oder das Handling von Restmengen, die häufig
entscheidend für die tatsächliche Exposition sind. Erst wenn das Gesamtsystem –
technische Ausstattung, Arbeitsabläufe und organisatorische Maßnahmen – die
Anforderungen der jeweiligen OEB sicher unterschreitet, gilt ein Prozess als
ausreichend kontrolliert.