Entscheider-Facts
- Das beschriebene Verfahren zur Pulversynthese ist ein universelles Werkzeug zur Herstellung und Funktionalisierung von Hochleistungspulvern für unterschiedliche Anwendungen.
- Zur Entwicklung und Optimierung von keramischen Werkstoffen ist die Flexibilität des Verfahrens ein deutlicher Vorteil.
- Die Technologie eignet sich zur Produktion von homogen dotiertem Zirkonoxidpulver nach heutigem Stand der Technik, aber auch den idealen Rahmen für die Erforschung und Entwicklung von Zukunftsmaterialien im Labormaßstab.
Biokompatible Implantate aus Keramik stehen vor allem bei Patienten, aber auch bei immer mehr Medizinern hoch im Kurs. Bereits aus ästhetischer Perspektive ist die weiße bis elfenbeinfarbene, transluzente Keramik gängigen Titanimplantaten mit grau durchscheinender Optik überlegen. Aus therapeutischer Sicht profitieren vor allem Allergiepatienten und chronisch Kranke von der metallfreien Titan-Alternative Zirkonoxid. Das Mundgefühl ist natürlicher, denn Keramik leitet weder Wärme noch elektrische Energie. Und auch das Entzündungsrisiko ist geringer, weil die spezielle Oberflächengestaltung das Einheilen in den Kieferknochen fördert.
Um die Eigenschaften von Zirkonoxidpulvern, die auch in weiteren medizinischen und technischen Produkten Anwendung finden, noch spezifischer einzustellen, können die Partikel zum Bespiel beschichtet werden. Dafür eignet sich die Glatt Pulversynthese, eine Weiterentwicklung des Sprühkalzinationsverfahrens. Am Firmensitz in Weimar betreibt der Anlagenbauer Glatt Ingenieurtechnik unterschiedliche Synthesereaktoren und entwickelt Prozesse für hochkomplexe Pulversysteme. Das Verfahren ermöglicht die gezielte Einstellung von chemischen wie auch mineralogischen Zusammensetzungen von Stoffsystemen.
Bekannter Werkstoff – neu entdeckt
Zirkonoxid ist in der Medizintechnik ein weit verbreiteter und überaus vielseitiger Werkstoff. Seine hohe chemische Riss- und Verschleißbeständigkeit sowie eine hervorragende Bioverträglichkeit und die erwähnte Transluzenz prädestinieren das Material für den dentalen Einsatz. Um Prothesen aus Zirkonoxid herzustellen, wird ein Pulver gepresst und gesintert. Dabei durchläuft der Werkstoff mehrere thermische Phasenumwandlungen, die teilweise mit deutlichen Volumenänderungen einhergehen. Diese mechanischen Spannungen würden das Bauteil zerstören, deshalb wird Zirkonoxid nicht in Reinform verwendet, sondern durch Zugabe anderer Oxide, zum Beispiel Yttrium- oder Aluminiumoxid, stabilisiert. Entsprechend dotierte Rohstoffe sind kommerziell erhältlich und werden heute im großen Umfang nicht nur für Prothesen, sondern auch für technische Anwendungen eingesetzt.
Verschiedene Studien zeigen jedoch, dass eine homogene Verteilung der Dotierungselemente im Pulver nicht zwangsläufig die optimale Lösung darstellt: Nach dem aktuellen Stand der Forschung diffundiert während des Sinterns überschüssiges Dotierungsoxid an die Korngrenzen. Aufgrund der geringen Konzentrationsunterschiede innerhalb von homogen dotiertem Pulver erfolgt dieser Prozess sehr langsam. Vorteilhafter ist es, das Dotierungsmittel als Schicht auf reines Zirkonoxidpulver aufzubringen. In diesem Fall bewirkt der hohe Konzentrationsgradient während des Sinterns eine deutliche schnelle Diffusion – diesmal von außen, in den Pulverwerkstoff hinein.
Deswegen erlauben beschichtete Pulver das Sintern bei niedrigeren Temperaturen als homogen dotierte Werkstoffe, wodurch sich im Sinterprozess Energie einsparen lässt. Vor allem aber sind mit beschichteten Partikeln durch die kürzeren Sinterzeiten bei geringeren Temperaturen feinkörnigere Gefüge möglich, wodurch sich eine höhere Dichte und bessere mechanische Eigenschaften der Bauteile erzielen lassen. Beschichtete Zirkonoxidpulver sind derzeit kommerziell nicht erhältlich, sie könnten aber zukünftig die Eigenschaften von zahnmedizinischen Implantaten und technischen Bauteilen signifikant verbessern.
Pulsation macht’s möglich
Die weiterentwickelte Pulversynthese basiert auf dem Verfahren der Sprühtrocknung, beziehungsweise Sprühkalzination: Zunächst wird ein gelöster Werkstoff in einen heißen Gasstrom eingesprüht und zerstäubt. Das Lösungsmittel, zum Beispiel Wasser, verdampft und ein Pulver entsteht. Durch den Einsatz einer Lösung als Rohstoff ist der Prozess sehr flexibel in Bezug auf die Zusammensetzung des Endprodukts. Mit der Weiterentwicklung ist es dem Anlagenbauer gelungen, diese Technologie in wesentlichen Punkten zu optimieren und so die Qualität der Produkte deutlich zu erhöhen.
Das Kernelement des Verfahrens ist ein pulsierender Heißgasstrom. Dabei hat die Pulsation einen gravierenden Einfluss auf die Interaktion zwischen dem Gasstrom und dem eingesprühten Material: In einem Reaktor ohne Pulsation bildet sich eine laminare Rohrströmung aus, deren Strömungsrichtung parallel zur Reaktorachse ausgerichtet ist. Die zerstäubten Tropfen werden so lange beschleunigt, bis keine Relativgeschwindigkeit zwischen Gas und Tröpfchen mehr vorliegt. Der dadurch geringere Gasaustausch um Tröpfchen oder Partikel herum führt zur Ausbildung einer Grenzschicht, die sowohl den Wärme- als auch den Stoffaustausch signifikant verzögert. Laminare Strömungen sind darüber hinaus durch ausgeprägte Geschwindigkeits- und Temperaturgradienten über den Reaktorquerschnitt gekennzeichnet: Temperatur und Strömungsgeschwindigkeit nehmen von der Mittelachse des Reaktors zur unbeheizten Wand hin kontinuierlich ab.
Aufgrund der fehlenden Strömung orthogonal zur Achse erfolgt keine Durchmischung der Partikel quer zum Reaktor. Die Verweilzeit und die thermische Behandlung der Pulverpartikel hängen dadurch maßgeblich von deren Position im Reaktorquerschnitt ab.
Die Pulsation wirkt diesen Effekten entgegen: Die an- und abschwellende Strömungsgeschwindigkeit erzeugt insbesondere in Nähe der Reaktorwand massive Verwirbelungen. Simulationsrechnungen belegen, dass es in diesen Bereichen zu bestimmten Zeitpunkten einer Schwingungsamplitude zu rückwärts gerichteten Strömungen kommen kann. Diese starken Turbulenzen gleichen Temperatur- und Geschwindigkeitsgradienten im Reaktor aus. Gleichzeitig werden durch sie Tröpfchen oder Partikel wesentlich besser durchmischt und somit deren Verweilzeit homogenisiert.
Die sich ständig ändernde Strömungsgeschwindigkeit in Kombination mit der Trägheit der Partikel bewirkt, dass über die gesamte Reaktorlänge eine Relativgeschwindigkeit zwischen Partikel und Gas erhalten bleibt. Die zuvor beschriebene Grenzschicht kann sich nicht ausbilden, und ein bis zu fünffach höherer Wärmeübergang ist zu beobachten. Frequenz und Amplitude der Glatt Pulversynthese können gezielt auf den Werkstoff angepasst werden. Neben den üblichen Parametern wie Temperatur und Verweilzeit stehen somit zwei weitere Stellschrauben zur Herstellung des optimalen Produkts zur Verfügung. Insbesondere bei temperatursensitiven Werkstoffen kann so die thermische Belastung minimiert werden.
Flammenlos zur höchsten Reinheit
Zum Erhitzen größerer Gasmengen dienen heute üblicherweise Heizbrenner mit Gas als Energieträger. Insbesondere für hochreine Werkstoffe bietet der Entwickler des verbesserten Verfahrens eine elektrisch beheizte Variante an. So sind Verunreinigungen durch Verbrennungsrückstände im Produkt ausgeschlossen. Gleichzeitig bietet eine elektrische Heizung volle Flexibilität in Bezug auf die verwendeten Prozessgase. Neben Luft können auch Inert- oder Aktivgase verwendet werden, ohne auf deren Interaktion mit der Flamme Rücksicht nehmen zu müssen. Die elektrische Heizung ermöglicht darüber hinaus die vollständige Entkopplung von Temperatur, Pulsation und Trägergasstrom. So können die Vorteile des gepulsten Gasstroms genutzt werden, unabhängig davon, ob der Betrieb bei Raumtemperatur oder bei einer Reaktoraustrittstemperatur von 1.300 °C erfolgt.
Mithilfe der Glatt Pulversynthese können zudem neuartige hochreine Pulverwerkstoffe synthetisiert werden. Auf Basis chemischer Lösungen sind auch geringste Dotierungsveränderungen einfach realisierbar, um die optimale Zusammensetzung eines Werkstoffs zu ermitteln oder um komplexe Oxidkombinationen zum Dotieren zu erzeugen. Natürlich lassen sich so auch homogen dotierte Rohstoffe für medizinische Implantate, die aufgrund einer geringen Primärkorngröße eine hohe Sinteraktivität aufweisen, herstellen. Darüber hinaus eignet sich die Technologie für die Beschichtung von Pulverwerkstoffen: Hierzu wird einer Lösung ein darin unlöslicher pulverförmiger Feststoff als Kernmaterial beigemischt. Die so entstehende Suspension wird anschließend in den Reaktionsraum eingesprüht. Die zerstäubte Lösung benetzt die Feststoffpartikel und trocknet zur Hülle auf. So lassen sich innovative Core-Shell-Pulver erzeugen, wie zum Beispiel die zuvor beschriebenen beschichteten Zirkonoxidpulver.
Universelles Werkzeug für Hochleistungspulver
Das beschriebene Verfahren zur Pulversynthese ist ein universelles Werkzeug zur Herstellung und Funktionalisierung von Hochleistungspulvern für unterschiedliche Anwendungen. Durch den kontinuierlichen Betrieb der Anlage und die einfache Skalierbarkeit des Prozesses lassen sich die Produktmengen leicht an die spezifischen Kundenbedürfnisse anpassen. Diese Flexibilität bietet gerade während der Entwicklung und Optimierung von keramischen Werkstoffen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil: Die Technologie eignet sich einerseits, die nach heutigem Stand der Technik homogen dotierten Zirkonoxidpulver im Produktionsmaßstab herzustellen. Gleichzeitig bietet sie aber auch den idealen Rahmen für die Erforschung und Entwicklung von Zukunftsmaterialien, zum Beispiel Core-Shell-Partikel mit anwendungsspezifischen Schichtdicken-, Porositäts- und Aktivitätseigenschaften, die zunächst lediglich im Labormaßstab benötigt werden.
In seinem Technologiezentrum in Weimar stellt der Anlagenbauer unterschiedliche Reaktoren für Machbarkeitsstudien und Scale-up zur Verfügung. Darüber hinaus können hier weiterführende Prozessschritte zur Veredelung der Pulver – zum Beispiel eine Granulation zur Verbesserung der Rieselfähigkeit des Pulvers – erprobt werden.