
Von Fermentation bis Präzisionsfermentation, durch Biotechnologie entstehen die verschiedensten Produkte wie Arznei-, Lebens- und Genussmittel. (Bild: KI-generiert mit Ideogram)
Inhalt:
- Definition für Biotechnologie
- Die Farben der Biotechnologie
- Methoden: Von Fermentation bis Gentechnik
- Unterschied zwischen Fermentation und Präzisionsfermentation
- Ist Biotechnologie gleich Gentechnik?
- Beispiele typischer biotechnologischer Produkte
- Zukunftspotenzial: Biotechnologie vs. chemische Prozesse
Zweifler würden sagen, wenn die Biotechnologie eine Interdisziplinärwissenschaft ist, kann sie vieles ein bisschen, aber nichts richtig. Doch das Gegenteil ist der Fall: diese Wissenschaft hat sich aus verschiedenen Disziplinen für sie nützliche Aspekte rausgepickt, um Produkte herzustellen, die es vorher so nicht gab. Um ganz ehrlich zu sein, war am Anfang auch viel Zufall dabei wie beim ersten Bier oder dem ersten Joghurt oder der Entdeckung des Penicillins. Erst nachdem Menschen sich bewusst waren, dass für die Entstehung dieser Produkte für das menschliche Auge – vor der Erfindung des Mikroskops – unsichtbare Mikroorganismen zuständig waren, konnten gezielt biotechnologische Methoden genutzt werden.
Definition für Biotechnologie
Damit sind wir schon mittendrin, was Biotechnologie ist: es ist eine Wissenschaft, die lebende Organismen oder Teile von diesen nutzt, um Verfahren zu etablieren und Produkte herzustellen. Diese Organismen sind häufig Einzeller wie Escherichia coli oder die Backhefe Saccharomyces cerevisiae, genauso kommen aber auch ganze Pflanzen für die Produktion zum Einsatz. In letzterem Fall wird von der grünen Biotechnologie gesprochen.
Die Farben der Biotechnologie
Ähnlich wie beim Wasserstoff werden auch die Unterdisziplinen der Biotechnologie in Farben eingeteilt. Allerdings ist hier die Einteilung nicht so wie beim Wasserstoff nach dem Herstellungsverfahren, sondern bezieht sich auf das jeweilige Anwendungsgebiet – außer bei der blauen Biotechnologie, wo es sich auf die genutzten Organismen bezieht. Unsere Bildergalerie zeigt Ihnen was sich jeweils hinter den einzelnen Farben verbirgt.
Wie Sie anhand der Farbdefinitionen merken, ist es nicht ganz leicht ein Produkt oder Verfahren einem bestimmten Zweig der Biotechnologie zuzuordnen, da viele der Zweige sich thematisch überschneiden. Auch sind diese Definitionen nicht offiziell, sondern eher eine grobe Einteilung, weshalb verschiedene Quellen den Farben unterschiedliche Bedeutungen zuschreiben. Aber zumindest bei den Definitionen der roten, weißen und grünen Biotechnologie sind sich die meisten Quellen einig.
Methoden: Von Fermentation bis Gentechnik
Weiter oben ist bereits der Begriff gentechnische Veränderung gefallen, der heutzutage aus der Biotechnologie nicht mehr wegzudenken ist. Doch das ist nur eines der Verfahren, das in der Interdisziplinärwissenschaft genutzt wird. Zumeist werden Zellkulturen in Form von Fermentationen kultiviert, um ein gewünschtes Produkt herzustellen. Fermentation bedeutet, dass organische Stoffe von Mikroorganismen oder Enzymen in Gase, Alkohol oder Säuren umgewandelt werden. Darum verbinden viele Menschen auch zurecht den Fermentierungsprozess mit Lebens- und Genussmitteln wie Bier, Wein, Joghurt, Sauerkraut oder Essig. Um sich von diesen Herstellungsprozessen zu distanzieren, wurde in den letzten Jahren unter anderem durch den biopharmazeutischen Markt der Begriff der Präzisionsfermentation geprägt.
Diese unterscheidet sich von der jahrtausendealten Fermentation durch das Anwenden molekularbiologischer Methoden, um die genutzten Mikroorganismen so zu ändern, dass sie ein gewünschtes Produkt herstellen, obwohl das in ihrem Stoffwechsel nicht vorgesehen ist. Der Begriff der Präzisionsfermentation rührt vermutlich nicht nur daher, dass es um einen spezifischen Stoff geht, sondern auch daher, dass am Ende der Fermentation der Großteil der Fermentationsmasse das Produkt darstellt, wohingegen bei der Präzisionsfermentation das Produkt aus der Fermentationsmasse aufgereinigt werden muss.
Themenmonat "New Food"

Um den steigenden Bedarf an nachhaltiger und gesunder Ernährung zu decken, gewinnen neue Ansätze in der Lebensmittelproduktion gewinnen immer mehr an Bedeutung. „New Food“ steht für innovative Konzepte, die unabhängig von klassischen landwirtschaftlichen Strukturen funktionieren und Ressourcen effizienter nutzen. Diese Entwicklungen wie Proteine aus Insekten, pflanzenbasierte Fleischalternativen oder kultiviertes Fleisch könnten langfristig dazu beitragen, Umweltbelastungen zu reduzieren und eine stabile Versorgung mit Lebensmitteln sicherzustellen. Unser Themenmonat "New Food" im Januar:
- Basis für New Food bilden häufig biotechnologische Prozesse: Alles zu biotechnologische Methoden und typischen Produkten
- Kultiviertes Fleisch geht bei Diskussionen um Fleischalternativen oft unter: Wie funktioniert Fleischproduktion im Bioreaktor?
- New Food stellt besondere Ansprüche, beispielsweise bei der Verarbeitung von Proteinen auf pflanzlicher Basis: Proteinpulver mit Vakuumexpansion verarbeiten
Unterschied zwischen Fermentation und Präzisionsfermentation
Den Unterschied zwischen Fermentation und Präzisionsfermentation theoretisch zu erklären, ist verwirrend, darum folgen hier je ein Beispiel für Fermentation und Präzisionsfermentation. Bei der Joghurtherstellung (Fermentation) wird Milch mit Milchsäurebakterien vergoren. Ist der Prozess abgeschlossen landet das Endprodukt also der Joghurt ohne nennenswerten Volumenverlust in der entsprechenden Verpackung. Beim Herstellen von mikrobiellem Lab (Präzisionsfermentation) – dem Stoff, der dafür sorgt, dass die Milch als Vorbereitung für die Käseproduktion gerinnt – ist das anders. Dieses wird mit Mikroorganismen produziert, denen ein Gen aus dem Magen von Kälbern – woher Lab ursprünglich stammt – eingesetzt wurde. Dadurch stellen die Mikroorganismen das Enzym Chymosin her und sekretieren es in die Fermentationsbrühe. In diesem Beispiel wird der Großteil der entstandenen Biomasse entsorgt, da nur das sekretierte Enzym von Interesse ist.
Neben der Fermentation werden in der Biotechnologie hauptsächlich molekularbiologische Methoden genutzt. Dazu gehören Western Blotting, Mutagenese, Klonierung, Polymerase-Kettenreaktion (PCR), Enzyme-linked Immunosorbent Assays (Elisa), Sequenzierung und Agarose-Gelelektrophorese Chromatographie-Verfahren.
Was sind genetisch veränderte Organismen (GVO)?
Als genetisch verändert gilt jeder Organismus, dessen Erbgut nicht durch natürliche Züchtung, sondern gezielt durch gentechnische Methoden verändert wurde. Im Englischen ist die Abkürzung GMO für genetically modified organism.
Gentechnische Änderungen sind das wissenschaftliche Äquivalent einen Weg abzukürzen: es wird eine bestimmte Eigenschaft benötigt – eine Pflanze soll gegen einen Schädling resistent sein oder ein Waschmittelenzym soll höheren Temperaturen standhalten – und mit dem Wissen über die Funktionsweise des Organismus, kann dessen Erbgut gezielt so verändert werden, dass er über die gewünschten Eigenschaften verfügt. Und das ganz ohne Versuch-und-Irrtum über einen langen Zeitraum.
Ist Biotechnologie gleich Gentechnik?
Nein. Obwohl für viele Produkte, die biotechnologisch hergestellt werden GVO genutzt werden, ist Biotechnologie nicht gleichbedeutend mit Gentechnik. Vielmehr nutzt die Biotechnologie in Teilen die Gentechnik, um ans Ziel zu gelangen.
Die Milchsäurebakterien-Stämme, die beispielsweise in der Joghurtproduktion genutzt werden, müssen nicht gentechnisch verändert werden, da sie von Natur aus Milchzucker in Milchsäure umwandeln. Wahrscheinlich ist es aber trotzdem, dass ihr Erbgut seit ihrer Entdeckung verändert wurde, um im industriellen Maßstab eine gewisse Effizienz zu erzielen.
Beispiele typischer biotechnologischer Produkte
Eines der ersten Verfahren, die der Mensch entwickelt hat, um Lebensmittel haltbar zu machen, ist die Gärung oder Fermentation, wozu auch die alkoholische Gärung zählt. Demnach sind Wein und Bier typische biotechnologische Produkte. Zwar keine alkoholische, aber trotzdem eine Gärung ist auch notwendig, um Essig, Joghurt und Sauerkraut herzustellen.
Im Bereich Pharma und Kosmetik sind typische Beispiele für biotechnologische Produkte Penicillin, Insulin und Hyaluronsäure – letztere wird aus Hahnenkämmen gewonnen, wenn sie nicht von Mikroorganismen produziert wird. Was vermutlich weniger bekannt ist: Pflanzen, die gentechnisch so angepasst wurden, dass sie beispielsweise resistenter gegen Fraßschäden sind, zählen auch zu den biotechnologischen Produkten.
Zukunftspotenzial: Biotechnologie vs. chemische Prozesse
Um es ketzerisch auszudrücken, ersetzen biotechnologische Prozesse bisher nur wenige chemische Prozesse aus dem klassischen „das haben wir immer schon so gemacht“ heraus. So simpel ist es aber natürlich nicht. Obwohl in der Biotechnologie nicht so extreme Drücke und Temperaturen notwendig sind, um Reaktionen ablaufen zu lassen, sind für viele Produkte chemische Verfahren etabliert und die entsprechenden Anlagen werden teils seit Jahrzehnten betrieben. Ein Umstellen von chemischen auf biotechnologische Prozesse ist darum mit hohen Investitionskosten verbunden – auch wenn es langfristig die Betriebskosten senken würde, scheuen viele Unternehmen deshalb davor zurück. Sicher auch aufgrund des Leitsatzes „never change a running system“. Doch besonders die Pharmaindustrie nutzt die Biotechnologie vielfach schon heute, da sie mittels Präzisionsfermentation sehr viel komplexere Wirkstoffe herstellen kann, als es mit chemischen Verfahren möglich wäre. Wenn Sie mehr zur Produktion von Biopharmazeutika erfahren wollen, schauen Sie hier vorbei: