
Antikörper machen einen großen Teil der Biopharmazeutika aus. (Bild: Grispb und Dr_Microbe - stock.adobe.com)
Inhalt:
Wie werden Biopharmazeutika hergestellt?
Wie sieht ein Upstreamprozess aus?
Wie sieht ein Downstreamprozess aus?
Wie unterscheiden sich Biopharmazeutika von herkömmlichen Arzneimitteln?
Welche Arten von Biopharmazeutika gibt es?
Was sind Biosimilars?
Welches Marktvolumen haben Biopharmazeutika?
Welche Unternehmen produzieren Biopharmazeutika?
Biopharmazeutika werden auch Biologika oder auf Englisch Biologicals genannt. Es handelt sich um Arzneimittel, die nicht chemisch, sondern biotechnologisch produziert werden. Dabei sollten Biopharmazeutika nicht mit der Biopharmazie im Allgemeinen verwechselt werden. Denn die Biopharmazie beschäftigt sich viel mehr mit den chemischen und physikalischen Eigenschaften von Arznei- und Hilfsstoffen, deren Darreichungsform und wie dieses Zusammenspiel auf lebende Organismen wirkt. Demnach ist die Biopharmazie auch für chemisch hergestellte Arzneimittel relevant, da sie das Teilgebiet der Pharmazie ist, welches unter anderem die Bioverfügbarkeit von Stoffen untersucht.

Wie werden Biopharmazeutika hergestellt?
Biopharmazeutika unterscheiden sich also von herkömmlichen Arzneimitteln unter anderem durch ihren Herstellungsprozess, der nicht chemisch, sondern biotechnologisch ist. Es werden Zellkulturen in Bioreaktoren angesetzt, die danach prozessiert werden, um das gewünschte Produkt von anderen Stoffwechselprodukten und Zellfragmenten zu trennen. Die Herstellung wird in Upstream- und Downstreamprozesse unterteilt. Upstream ist alles bis zu dem Punkt, an dem die Zellen das Arzneimittel synthetisiert haben. Downstream beginnt danach und umfasst in der Regel alle Aufreinigungsschritte, denn von der Fermentationsbrühe sind es noch einige Schritte bis zum fertigen Biologikum.
Die Produktionsweise ist abhängig vom Stoff, der erzeugt werden soll. Manche Biopharmazeutika sind für den Menschen gut verträglich, wenn sie mittels Bakterien hergestellt wurden, für andere muss es eine Säugetier-Zellkultur sein. Ein bekanntes Beispiel eines Wirkstoffs, der biotechnologisch mit Bakterienkulturen produziert wird, ist Insulin. Das körpereigene Hormon, das bei Diabetikern nicht ausreichend oder gar nicht produziert wird, kann beispielsweise durch die Kultivierung entsprechend gentechnisch veränderter Escherichia coli gewonnen werden. Typische Organismen für die biotechnologische Produktion sind neben E. coli, Corynebacterium glutamicum, zudem verschiedene Hefen, deren bekannteste Vertreterin die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae ist. Die bekannteste Säugetier-Zelllinie stammt aus den Ovarien des chinesischen Zwerghamsters kurz CHO. Ebenfalls häufig genutzt wird die Human-Embryonic-Kidney-Zelllinie kurz HEK und die HeLa-Linie – menschliche Eptithelzellen eines Cervixtumors, die einer Frau namens Henrietta Lack etwa 1950 entnommen wurden.
Ob Bakterien- oder Säugetierzellen zur Produktion genutzt werden, hängt unter anderem von der Glyksoylierung ab. Glykosyliert bedeutet, dass dem Protein verschiedene Zucker in einer Art Muster angehängt sind. Diese „Zuckermuster“, welche sich in verschiedenen Organismen wie Pilzen und Säugetieren voneinander unterscheiden, erfüllen verschiedene Funktionen. Beispielsweise ermöglichen sie erst den korrekten Aufbau eines Proteins oder dienen als Erkennungsmerkmal für einen Bindungspartner. Neben der Glykosylierung gibt es noch weitere posttranslationale Modifikationen – also Veränderungen, die nach der Übersetzung einer mRNA-Sequenz in eine Aminosäurekette in der Zelle vorgenommen werden – von denen die Wahl des Produktionsorganismus abhängt.
Was ist Biotechnologie?

Die Biotechnologie ist eine interdisziplinäre Naturwissenschaft, die sich aus Teilen der Biologie, der Chemie und den Ingenieurwissenschaften zusammensetzt. In der Biotechnologie werden ganze Organismen oder Teile davon genutzt, um Stoffe zu produzieren. Häufig handelt es sich bei den Organismen um Mikroorganismen wie Bakterien oder Hefen, es finden aber auch Säugetier-Zellkulturen oder auch Pflanzen Anwendung.
Was für ein Organismus genutzt wird hängt von dem Produkt ab, welches hergestellt werden soll. Ein klassischer biotechnologischer Prozess ist die Fermentation, sei es Traubensaft zu Wein oder Milch zu Joghurt. Für biotechnologische Anwendungen in der Pharmabranche werden meistens gentechnisch veränderte Organismen genutzt, um das gewünschte Produkt zu erhalten.
Dadurch das Biopharmazeutika mit lebenden Organismen produziert werden ist sehr viel Prozesskontrolle notwendig, um ein reproduzierbares Produkt zu erhalten. Wichtige Prozessparameter sind die im Medium vorhandenen Nährstoffe, der Gehalt des gelösten Sauerstoffs und Kohlendioxids sowie die Temperatur. Daneben spielen auch durch Rührer entstehende Scherkräfte oder Toträume im Fermenter, die keine Durchmischung erfahren, eine Rolle. Um all diese Parameter zu überwachen ist jede Menge Messtechnik nötig und auch die Digitalisierung spielt beim Auslesen der Daten eine immer größere Rolle.

Damit ein Organismus einen gewünschten Stoff produziert muss er in der Regel zunächst gentechnisch verändert also darauf programmiert werden dieses Produkt herzustellen. Von Natur aus würde das Bakterium E. coli kein Insulin produzieren, da es dieses Hormon in dessen Stoffwechsel nicht gibt. Damit es das aber doch tut, wird eine DNA-Sequenz in das Genom des Bakteriums eingefügt. Damit der Produktionsprozess möglichst effizient ist sollten sich nur diejenigen Bakterien vermehren, die auch tatsächlich die neu eingefügte DNA in sich tragen. Dafür wird häufig mit Resistenzen gearbeitet. Das bedeutet, dass neben der DNA – um beim Beispiel Insulin zu bleiben – die das Protein Insulin codiert, auch ein DNA-Strang eingefügt wird, der eine Resistenz gegen ein bestimmtes Antibiotikum enthält. Um dann zwischen den Bakterienstämmen zu selektieren, die das Insulin-Gen in sich tragen und jenen, bei denen es nicht korrekt ins Genom eingefügt wurde, wird dem Nährmedium das Antibiotikum hinzugefügt, für das die Bakterien die Resistenz tragen sollten. So kann sichergestellt werden, dass nur die Bakterien mit dem Insulin-Gen – und dem Resistenz-Gen – in der DNA anwachsen und sich vermehren.
Wie sieht ein Upstreamprozess aus?
Wie eingangs erwähnt, startet eine biotechnologische Produktion mit dem Upstreamprozess. Um den Prozess so reproduzierbar, wie es bei lebenden Organismen eben geht, zu machen, greifen Hersteller auf immer dieselbe Zelllinie zurück, die sie als Kryokultur bei -80 °C lagern. Die Zellen werden zwar speziell für das Einfrieren präpariert, stressig ist es für sie aber trotzdem, weswegen sie nach dem Auftauen zunächst auf Nährboden gegeben werden, um anzuwachsen. Von da aus werden die Zellen in Fermenter mit sukzessive größer werdenden Volumina gegeben, sogenannte Vorkulturen.
Denn würden die nach dem Auftauen auf dem Nährboden angewachsenen Zellen direkt in einen Fermenter mit mehreren 1.000 l Volumen gegeben würden sie nicht überleben. Unabhängig davon, ob es sich um Bakterien- oder Säugetierzellen handelt, haben diese jeweils spezifische Zelldichten, bei denen sie in die exponentielle Wachstumsphase kommen. Die Zelldichte bestimmt ob und wie schnell eine Kultur anwächst. Ist die geeignete Zelldichte in der Vorkultur erreicht wir die Hauptkultur in einem Fermenter angeimpft, das bedeutet, dass die Zellen aus der Vorkultur dem im Fermenter enthaltenen Nährmedium zugegeben werden.
Die Zellen beginnen in der Hauptkultur, sich zu vermehren und den gewünschten Wirkstoff zu produzieren. Wirkstoffe können sowohl intrazellulär als auch extrazellulär vorliegen. Intrazellulär bedeutet, dass das Produkt am Ende der Fermentationszeit gewonnen wird, in dem die Zellen zerstört werden (Zellaufschluss). Extrazellulär heißt, dass das Produkt von den Zellen in die Fermentationsbrühe ausgeschleust wurde und lediglich von den Zellen getrennt werden muss.

Wie sieht ein Downstreamprozess aus?
Der Downstreamprozess ist noch mehr als der Upstreamprozess von der Zelllinie und dem exprimierten Produkt abhängig. Liegt das Produkt intrazellulär vor, müssen die Zellen zunächst aufgeschlossen werden. Danach folgt ein Zentrifugierschritt, um Zelltrümmer abzutrennen. Auch wenn das Produkt extrazellulär, in der Fermentationsbrühe vorliegt, wird zentrifugiert, um die Zellen abzutrennen. Dann wird das Produkt aus der Fermentationsbrühe isoliert und es folgen verschiedene Reinigungsschritte. Diese sind sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihrer Art produktabhängig. Typische Verfahren sind: Chromatographie, Filtration, Elektrolyse oder Polymerisation.
Da gerade die Reinigungsschritte kostenintensiv sind, müssen Hersteller abwägen, wie stark das Produkt aufgereinigt werden soll, denn mit jedem zusätzlichen Schritt geht auch wieder Produkt verloren. Abschließend wird der Wirkstoff aufkonzentriert und formuliert.
Wie unterscheiden sich Biopharmazeutika von herkömmlichen Arzneimitteln?
Neben der Herstellungsart unterscheiden sich Biopharmazeutika hauptsächlich durch ihre Größe von ihren chemisch produzierten Verwandten. Chemisch-synthetische Wirkstoffe bestehen aus etwa zwei Dutzend bis wenigen hundert Atomen, ein biopharmazeutischer Wirkstoff fängt in seiner Größe bei vielen hundert Atomen an und endet bei mehreren tausend.
Bei herkömmlichen Arzneimitteln ist es aufgrund der chemischen Synthese der Substanzen verglichen mit Biopharmazeutika einfach, sie bis auf das Atom genau gleich zu reproduzieren. Bei Biopharmazeutika ist es schwieriger diese Reproduzierbarkeit zu erreichen, da sie in lebenden Organismen hergestellt werden.
Ein dritter Unterschied ist die Darreichungsform. Die chemisch-synthetischen Wirkstoffe sind meist mit Füllstoffen zu Tabletten gepresst während Biopharmazeutika häufig dem Patienten gespritzt oder per Infusion verabreicht werden. Das liegt daran, dass biopharmazeutische Wirkstoffe weniger stabil sind und damit anfälliger beispielsweise für Magensäure. Durch eine Spritze oder Infusion gelangt der Wirkstoff ohne ein schädliches Säurebad sofort ins Blut.

Welche Arten von Biopharmazeutika gibt es?
Der Großteil, der zugelassenen Biopharmazeutika, sind monoklonale Antikörper. Zwei weitere große Gruppen bilden die Impfstoffe und die Insuline. Hinzu kommen Zytokine also Wirkstoffe, die Zellinteraktionen beeinflussen können, Enzyme, Nukleinsäure-basierte Therapeutika und Zelltherapien.
Eine starre Einteilung ist schwierig, da beispielsweise ein mRNA-Impfstoff Nukleinsäure-basiert ist und damit bereits in zwei der oben genannten Kategorien fällt. Insuline gehören zu der Gruppe der Hormone, aber da gerade Insuline auf dem Biopharmamarkt stark repräsentiert sind, werden sie häufig separat genannt.
Was sind Biosimilars?
Läuft bei einem Biologikum der Patentschutz aus, dürfen andere Unternehmen Nachfolgeprodukte herstellen, die – wenn sie vergleichbar wirken – als Biosimilars bezeichnet werden. Dabei kann aufgrund des Herstellungsprozesses, der in lebenden Organismen stattfindet, deren Zusammensetzung vom Original abweichen. Ein Biosimilar ist eine Nachbildung eines Biopharmazeutikums, dass diesem zwar sehr ähnlich (englisch: similar), aber nicht exakt gleich ist. Ein Biosimilar weist verglichen mit dem Original keine klinisch relevanten Unterschiede in der Wirksamkeit, der Sicherheit oder der Qualität auf. In der Regel sind Biosimilars günstiger als das Originalprodukt.
Bei Generika mit einem chemisch-synthetischen Wirkstoff können solche Nachbildungen nach einer einzigen Bioäquivalenzstudie mit wenigen Teilnehmenden auf den Markt kommen. Bei Biosimilars sind dafür weitere präklinische und mehrere klinische Studien notwendig, während der das Produkt mit dem Original verglichen wird. Deswegen kann einem Patienten in der Apotheke nicht einfach als Ersatz zum verschriebenen Biopharmazeutikum ein Biosimilar ausgegeben werden. Diese Substitution kann nur nach Absprache mit dem Arzt des Patienten erfolgen. Bei chemisch-synthetischen Wirkstoffen verschreibt ein Arzt meist nur einen bestimmten Wirkstoff, in der Apotheke dürfte dann sowohl das Originalpräparat als auch ein Generikum ausgegeben werden.
Im Reich der Biopharmazeutika gibt es allerdings auch sogenannte Bioidenticals. Ein Bioidentical hat dieselben Ausgangsstoffe und denselben Herstellungsprozess wie das Originalarzneimittel und ist damit wirkstoffgleich. Der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V listet in Anlage 1 solche Biopharmazeutika, die gegeneinander austauschbar sind.
Welches Marktvolumen haben Biopharmazeutika?
Das Marktvolumen von Biopharmazeutika ist in den letzten 20 Jahren stetig gestiegen. 2022 waren über die Hälfte der neuzugelassenen Medikamente biotechnologisch produziert. Dadurch stieg der Umsatz in dieser Produktgruppe in Deutschland im Vergleich zu 2021 um 10,5 % auf 17,8 Mrd. Euro. Das bedeutet, dass Biopharmazeutika – gerechnet an ihrem Umsatz – 2022 in Deutschland ein Drittel des Pharmamarkts ausgemacht haben, dessen Gesamtumsatz bei 54,2 Mrd. Euro lag.
Wenig überraschend stieg mit dem Umsatz durch Biopharmazeutika auch das Umsatzwachstum der Hersteller. Einer Analyse des Informationsdienstes Global Data zufolge, erzielten 2021 die Top-20-Biotechunternehmen weltweit einen Gesamtumsatz von 846,8 Mrd. US-Dollar. Das sind 166,4 Mrd. US-Dollar mehr als 2020.
2021 nahm Europa mit seinem großen Biopharmazeutika-Marktvolumen eine Vorreiterrolle ein: 165 Biopharmazeutika wurden in Europa produziert, in den USA waren es 102. Das zeigt sich auch am Anlagenausbau in der Branche. Beispielsweise bei Boehringer Ingelheim mit einem Biologicals Development Center oder Wacker mit einem geplanten Biotech-Forschungszentrum in München.
Welche Unternehmen produzieren Biopharmazeutika?
Viele Pharmaunternehmen wie Boehringer Ingelheim, Merck und Roche produzieren zwar nicht ausschließlich Biopharmazeutika, machen aber doch einen Teil ihres Umsatzes damit. Als weltweit führende Biotechunternehmen – nach Gewinn – listet Statista Biontech, Moderna, Novo Nordisk, Amgen, Bristol-Myers Squibb, Gilead Sciences und Biogen Idec für das Jahr 2022. Eine Liste der 20 größten Biopharma-Unternehmen von Global Data finden Sie hier.
Kommentar der Autorin:

Aufgrund meines Biotech-Studiums hat es mir besonders viel Spaß gemacht, diesen Grundlagentext zu verfassen und mich in den aktuellen Stand der Biopharmazeutika einzuarbeiten. Ich verfolge schon länger, was die großen Tageszeitungen zu den Themen Biotechnologie und Gentechnik berichten und muss sagen, dass in meinen Augen erst eine Pandemie kommen musste, damit die breite Bevölkerung etwas mit dem Begriff Biotechnologie anfangen kann.
Mit der Gentechnik ist es anders. Diese war vorher schon in aller Munde, allerdings in großen Teilen negativ und häufig auf Lebensmittel bezogen. Der Bezug zu Arzneimitteln wurde selten hergestellt, dieser kam gefühlt auch erst durch die mRNA-Impfstoffe gegen Corona zustande. Vermutlich überrascht es mit meinem Hintergrund auch nicht, dass ich nicht gegen Gentechnik bin. Ich verstehe die Ängste und Sorgen, die Menschen bei diesem Thema haben, aber nicht die pauschale Ablehnung ohne sich informiert zu haben. Sicherlich muss in der Wissenschaftskommunikation auch noch einiges passieren, damit das Wissen um beispielsweise Gentechnik und ihre Funktionsweise nicht in elitären Kreisen bleibt - doch auch von den Kritikern verlange ich, sich zumindest eingehend zu informieren, bevor sie die Technologie ablehnen.