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Das Prozessverständnis ist auch in Zeiten von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz unerlässlich. (Bild: Glatt)

 

P+F: Welche Trends sehen Sie derzeit in der pharmazeutischen Industrie und -produktion?

Hofmaier: Die globalen Trends sind je nach Region oder teilweise sogar Land sehr unterschiedlich. Deshalb versuchen wir uns als Glatt flexibel und breit aufzustellen. Externe Marktstudien sind uns für unsere Ausrichtung weniger wichtig, vielmehr stehen die Anforderungen unserer Kunden im Projekt im Mittepunkt.

Nehmen Sie zum Beispiel den Trend zu Arzneimitteln, die in immer kleineren Mengen produziert werden. Dass es diesen gibt, ist unwidersprochen. Gleichzeitig sehen wir in unserem aktuellen Projektgeschäft eine verstärkte Nachfrage nach kostenoptimierten Produktionsprozessen für große Ausbringungsleistungen. In Südamerika sehen wir einen steigenden Bedarf nach Personenschutz beim Umgang mit hochaktiven Substanzen. Unsere 360°-Kompetenz erlaubt es zielgenau auf die projektspezifische Anforderung eine optimale Lösung anzubieten – im Beispiel Personenschutz durch unsere Containment-Konzepte und Applikationen. In jedem Fall muss man die Anwendersicht und den Prozess kennen und in der Lage sein, flexibel zu reagieren.

P+F: Wie wirkt sich das steigende Kostenbewusstsein der Pharmazeuten auf Ihr Geschäft aus?

Hofmaier: Diesen Preisdruck spüren wir auch. Allerdings weniger durch Rabattforderungen sondern vielmehr mit dem Wunsch nach höherer Anlageneffizienz. Dafür haben wir Lösungen im Portfolio: Vor kurzem haben wir beispielsweise einen neuen Tabletten Coater gezeigt, der bis zu 30 % schneller ist als andere Coating Prozesse.

In China gibt es seit Ende 2018 die 4-7 Initiative des zentralen Gesundheitswesens, mit der die Preise für Pharmaprodukte erheblich gesenkt wurden. Hier können wir helfen, Prozesse zu optimieren und ein getätigtes Investment effektiver zu nutzen. Weiterhin können wir durch unsere Pharmaceutical Services neue Ideen für Produkte geben, mit denen sich unsere Kunden dann im Markt differenzieren können. Kunden, die keine Exporterfahrung haben, helfen wir gerne mit der Registrierung, Verpackung und Lagerung für den europäischen Raum.

P+F: Ein ziemlich breites Portfolio. Welche Leistungen erwarten die Pharmazeuten heute von Lieferanten Ihres Zuschnitts und wo müssen Sie Ihr Angebot noch ausbauen?

Hofmaier: In jedem Land ist es heute schwierig qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Das kann an fehlender Ausbildung liegen oder dass in gewissen Märkten das Fachpersonal einfach fehlt. Für das Bedienpersonal müssen die Anlagen deshalb einfach, sicher und fehlerfrei bedienbar sein. Bei häufigem Personalwechsel kann eine kurze Einlernzeit ein erheblicher Performance Faktor in der Produktion sein. Auch unsere Digitalisierungslösungen, mit denen wir Anwender bei der Arbeit mit den Anlagen führen, können hier helfen.

Betreiber und Systemintegratoren stützen sich stärker auf die Kompetenz der Lieferanten ab und lassen uns in Projekten mehr Gestaltungsspielraum. Thomas Hofmaier, Global Head of Process Technology Pharma bei Glatt

Betreiber und Systemintegratoren stützen sich stärker auf die Kompetenz der Lieferanten ab und lassen uns in Projekten mehr Gestaltungsspielraum.Thomas Hofmaier, Global Head of Process Technology Pharma bei Glatt. Bild Glatt

Daneben erwartet die Pharmaindustrie heute, dass Lieferanten überall auf der Welt schnellen Service zur Verfügung stellen können. Mit unseren weltweiten Standorten und unseren Partnern helfen wir, Stillstandzeiten zu reduzieren oder zu vermeiden. Dazu kommt ein neuer Retrofit-Service, mit dem wir ältere Anlagen technologisch und sicherheitstechnisch auf den neuesten Stand bringen. Dadurch sichern wir Investitionen.

Bei Glatt investieren wir zudem sehr viel in die Prozess-entwicklung, so dass unsere Anlagen effektiv und mit hoher Ausbeute betrieben werden können. Zudem bilden wir unsere Mitarbeiter und Partner kontinuierlich aus und bieten unseren Kunden Schulungen an.

P+F: Das klingt nach mehr Verantwortung über den Lebenszyklus der Anlagen.

Hofmaier: Auf jeden Fall. Generell sehe ich eine Tendenz, dass sich in Projekten sowohl die Betreiber als auch die Systemintegratoren stärker auf die Kompetenz der Lieferanten abstützen. Während früher die Ausrüstung von Anlagen sehr stark von den Kunden vorgegeben wurde, lässt man uns heute mehr freie Hand. In Kombination mit unserer Prozesskompetenz können wir dadurch bessere Lösungen schaffen und anbieten. Zudem können wir hier auch auf die Erfahrung unserer Kollegen bei der Glatt Ingenieurtechnik sowie unserer Partner in der Excellence United zurückgreifen.

P+F: Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung und was erwarten Ihre Kunden hier?

Hofmaier: Durch Digitalisierung werden die Anlagen in der Bedienung einfacher. Zudem werden unsere Anlagen in naher Zukunft erkennen können, ob das richtige Teil eingebaut ist und damit sicherstellen, dass sie für die anstehende Produktion korrekt konfiguriert ist – dadurch steigt die Reproduzierbarkeit. Dazu kommt dass die Sicherheit der Anlagen noch besser überwacht werden kann.

IT gestützte Tools für die Datenerfassung und -auswertung gab es auch schon vor dem 4.0-Boom. Was trotzdem wichtig bleibt, ist die Erfahrung, welche Schlüsse man aus welchen Daten zieht. Das Prozessverständnis ist auch in Zeiten von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz unerlässlich. Auch hier unterstützen wir unsere Kunden und helfen, die Anlagen optimal zu nutzen. Dies bedingt aber auch, dass die Pharmaindus-trie Ihren Lieferanten mehr Vertrauen schenken muss.

P+F: Mit dem kontinuierlichen Modcos-Coater haben Sie in jüngster Zeit Ihre Aktivitäten in der Konti-Produktion verstärkt. Die kontinuierliche Arzneimittelfertigung wird seit Jahren als Trendthema gehandelt – allerdings sehe ich wenig konkrete Projekte. Wie stellt sich das für Sie dar?

Hofmaier: Ja, die kontinuierliche Produktion wird überall diskutiert. Bisher gibt es jedoch weiterhin eine gewissen Zurückhaltung, da es doch ein Umdenken in der Pharmaindustrie verlangt. Die Motive für eine kontinuierliche Produktion sind durchaus unterschiedlich: Geht es um die Verkürzung der „Time to Market“ indem das „Scale up“ entfällt? Soll Platz gespart werden oder die Produktivität steigen, oder will ich den Trend der modernen Produktion nicht verpassen? Und das sind nur einige Beispiele. Mit unserem Modularen Modcos-System können wir für jeden Kunden die richtige Anlagen konfigurieren, um die verschieden Bedürfnisse zu decken. Diese Flexibilität ist bei vielen unserer Kunden auf großes Interesse gestoßen und wir haben schon einige Anlagen geliefert. Aber – und das sagen wir mittlerweile seit zwei Dekaden – „Konti“ ist nicht unbedingt das Allheilmittel für die Pharmaindustrie. Wir stehen weiter zum Batchprozess und arbeiten intensiv an der Entwicklung und Optimierung von Batch-Maschinen und -Anlagen.

P+F: Welche neuen Produkte und Lösungen werden Sie in diesem Jahr vorstellen?

Hofmaier: Wir werden dieses Jahr den schnellsten Coater der Welt vorstellen. Außerdem weitere Bausteine zu unserer ausbaubaren Laboranlage Multilab, für die wir ein Mischermodul sowie ein Twin Pro-Modul vorstellen wollen. Letzteres erlaubt es, Containment-Applikationen zu entwickeln. Die kontinuierliche Produktion wird natürlich auch ein wichtiges Thema sein. Somit ist bei Glatt der Fokus wie immer auf Effektivität im Batch sowie auf Konti-Applikationen gerichtet.

 

Thomas Hofmaier

Thomas Hofmaier ist seit 2000 beim Pharma-Anlagenbauer Glatt beschäftigt. Nach seinem Studium der Elektrotechnik trat Thomas Hofmaier im Januar 2000 beim Pharma-Anlagenbauer Glatt ein und verantwortete dort bis 2009 die Prozessautomation und den Validierungsservice. 2010 wurde er technischer Direktor von Glatt. Im Management des Unternehmens aus Südbaden ist er heute Global Head of Process Technology Pharma.

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