Vials mit Impfstoff und Fake-Stempel

Gefälschte Impfstoffe wären im Kampf gegen das Corona-Virus der GAU. (Bild: spf – AdobeStock)

Kochsalzslösung statt Covid-Impfstoff: Die betrügerischen Machenschaften einzelner Ärzte hatten im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt, aber das Vertrauen der meisten Impfwilligen wurde dadurch kaum erschüttert. Denn: Obwohl weltweit nach Schätzungen der US-Gesundheitsbehörde FDA rund 10 % aller Medikamente gefälscht sein sollen, sind Arzneimittel in Deutschland und Europa vergleichsweise sicher.

Das ist nicht nur wachsamen Apothekern und einer relativ sicheren Logistikkette zu verdanken, sondern auch der 2011 beschlossenen EU-Richtlinie 2011/62/EU, die seit 9. Februar 2019 in ganz Europa verbindlich gilt: Sie schreibt vor, dass Pharmahersteller Arzneimittel mit mehreren Sicherheitsmerkmalen versehen müssen. Laut Falsified Medicines Directive, FMD, muss seither jede Einzelpackung in Klarschrift und in einem 2D Matrix-Code Angaben zur Produkt-Identifikation, Chargennummer, Verfallsdatum, Seriennummer der Einzelverpackung enthalten. Zudem muss die Verpackung über einen Erstöffnungsschutz (Tamper-Evident Siegel) versehen sein, mit dem Manipulationen auch für den Endverbraucher erkennbar sind. Wer diese Anforderungen nicht erfüllt, darf in Europa keine Arzneimittel verkaufen.

Securpharm: die deutsche Seite des europäischen Systems

In Deutschland haben sich Pharmaindustrie, Großhändler und Apotheker von Anfang an hinter das System gestellt: Gemeinsam wurde der deutsche Teil des europäischen Schutzsystems in die Hände des Securpharm-Vereins gelegt. Das Securpharm-System ist über ein verbindendes IT-System (den EU Hub) auch mit den entsprechenden nationalen Sicherheitssystemen der anderen EU-Staaten verbunden. So soll ein europaweiter Schutz aufgebaut werden, der zunächst 26 EU-Staaten (einschließlich Großbritannien), Norwegen, Island und Liechtenstein umfasst. Bis 2025 sollen dann auch die Systeme Italiens und Griechenlands dazukommen.

Für das Schutzsystem der EU machen Arzneimittelhersteller bei verschreibungspflichtigen Medikamenten jede Packung zu einem Unikat, indem sie sie mit einer individuellen Packungsnummer ausstatten. Diese wird in Klarschrift und in einem quadratischen Data Matrix Code auf der Packung stehen. Alle vergebenen Nummern werden von den Herstellern ins Securpharm-System hochgeladen. Dreh- und Angelpunkt darin ist eine geschützte Datenbank der Hersteller, die in Deutschland von ACS Pharmaprotect betrieben wird.

Später, in der Apotheke, wird die Nummer jeder Packung direkt vor der Abgabe an den Patienten gescannt und dadurch im Securpharm-System abgefragt. Ist die Packungsnummer korrekt und wird erstmalig abgefragt, gibt das System „grünes Licht“ für die Abgabe der Packung. Erfolgt ein Warnhinweis (Nummer nicht vergeben, schon bei einer anderen Packung gescannt worden, als gestohlen gemeldet etc.), erhält der Patient eine andere Packung des gleichen Medikaments; die beanstandete Packung wird dann einbehalten, und der Fall wird untersucht: Es wird nach Handhabungsfehlern gesucht, und wenn diese nicht die Ursache waren, ein Fälschungsverdacht verfolgt.

Grafische Darstellung End-to-End Verifikation von Arzneimitteln
End-to-End Verifikation von Arzneimitteln im Securpharm-System, das in Deutschland angewandt wird.
(Bild: Securpharm)

Arzneimittelfälschung – ein globales Problem

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dasss in Ländern mit geringen bis mittleren Einkommen jedes zehnte Arzneimittel gefälscht ist. Der Profit mit dem Handel von gefälschten Arzneimitteln ist höher als beim Drogenhandel, die rechtlichen Konsequenzen für Fälscher deutlich geringer. Bei einer internationalen Razzia (Aktion Pangea) waren im Mai 2020 gefälschte Medikamente im Wert von
23 Mio. US-Dollar sichergestellt worden. Was den Bezug aus dubiosen Internetquellen zum Lotteriespiel macht, gilt allerdings nicht für die legale Vertriebskette über niedergelassene Apotheken oder Internetapotheken: Auf 1,3 Mrd. abgegebene Packungen kamen im Jahr 2020 lediglich 10 Meldungen über Verdachtsfälle.

USA, China und andere Länder ziehen nach

Doch Arzneimittelfälschungen sind kein europäisches, sondern ein globales Problem – und immer mehr Regierungen gehen dagegen vor. In den USA wird aktuell die Fälschungsrichtlinie DSCSA (Drug Quality Security Act) umgesetzt. In diesem Zusammenhang wird ab November 2023 die seit 2015 geltende Pflicht, Transaktionen verschreibungspflichtiger Medikamente auf Chargenebene nachvollziehbar zu machen, bis auf Einzelverpackungen ausgeweitet.

In China ist seit Januar 2022 eine Serialisierung auf Basis einer nationalen Kennziffer vorgeschrieben. Südafrika, ein wichtiger Exportmarkt für europäische Arzneimittelhersteller, schreibt seit diesem Jahr ebenfalls die Serialisierung von Sekundär- und Tertiärverpackungen vor. Auch in Brasilien ist die Serialisierung einzelner Arzneimittelverpackungen seit diesem Jahr Pflicht, Malaysia und Indonesien wollen ab 2023 Kennzeichnungssysteme flächendeckend einführen.

Für Aufregung sorgte vor zwei Jahren die Umsetzung der russischen Fälschungsrichtlinie 61-FZ: Pharmaunternehmen blieb lediglich ein Jahr Zeit, um das im Januar 2019 verabschiedete Kryptocode-Gesetz umzusetzen. Die Herausforderung: Der Crypto-Code enthält weitaus mehr Daten als der vergleichbare Datamatrixcode und erschwert die Exporte in die EU oder Staaten der eurasischen Wirtschaftsunion EAEU. Durch die kryptographische Transformation wächst der zu codierende Datensatz, im Vergleich zum verwendeten GS1-Datamatrix in der europäischen Union, auf über das Doppelte an.

Digitalisierung macht Fälschern das Leben schwer

Doch nicht nur die Pharmaindustrie ist von Fälschungen betroffen. Von Lebensmitteln über Kosmetikprodukte bis hin zu Maschinen und Autoersatzteilen wird alles gefälscht. Und immer mehr Branchen nehmen sich die Maßnahmen der Pharmaindustrie zum Vorbild: Auch Lippenstifte und Parfums lassen sich längst lückenlos rückverfolgen. Dass im Lebensmittelhandel Rückholaktionen für Produkte mit Qualitätsmängeln inzwischen kaum mehr öffentlich werden, liegt an lückenlosen Track & Trace-Lösungen für Joghurts etc. Und eine immer wichtigere Rolle spielen dabei neben einer qualitativ hochwertigen Kennzeichnung moderne Digitalisierungslösungen und Cloud-Systeme.
Für die eingangs genannten Impfstoffe ist das rigide Absichern der Logistikkette gegen Missbrauch und Fälschungen ein Muss – schon alleine, um Impf-Skeptikern keine handfesten Argumente zu liefern.

Arzneimittelschachtel mit QR Code und Barcode
Seit 2019 müssen in der EU verschreibungspflichtige Arzneimittel eindeutig nachvollziehbar gekennzeichnet sein. (Bild: Securpharm)

Entscheider-Facts

  • Weltweit sind nach Schätzungen der FDA rund 10 % aller Medikamente gefälscht.
  • In Deutschland und Europa sind Arzneimittel vergleichsweise sicher.
  • In den vergangenen Jahren wurde das Securpharm-System installiert, das die Lieferkette absichert.

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