- Empfindliche Produkte wie Hanfblüten erfordern einen schonenden Trocknungsprozess, um eine besonders hohe Produktqualität zu erzielen.
- Die Kondensationstrocknung auf Wärmepumpenbasis ermöglicht das Trocknen bei niedrigen Temperaturen und dennoch in kurzer Zeit.
- Die vorgestellte Lösung mit einem Hordentrockner verkürzte die Trockenzeit bei einem Produzenten von Hanfblüten deutlich, bei gleichzeitig gesteigerter Produktion und Produktqualität.
Aus ihnen lässt sich beispielsweise das kaum psychoaktive Cannabidiol (CBD) gewinnen. CBD ist ein Cannabinoid aus dem weiblichen Hanf und wirkt unter anderem entkrampfend, entzündungshemmend und angstlösend. Der Wirkstoff kommt überwiegend in der Medizin zum Einsatz. Seine mögliche Wirksamkeit gegen Krebs ist ein aktueller Forschungsgegenstand. Abnehmer des flüssigen Extraktes sind jedoch nicht nur Pharmaunternehmen, auch die Kosmetikindustrie nutzt CBD, beispielsweise für Cremes gegen bestimmte Hautkrankheiten.
Das GMP-zertifizierte Unternehmen Ai Fame aus der Schweiz ist seit dem Jahr 2000 in Anbau, Zucht, Produktion und Weiterverarbeitung von Cannabispflanzen tätig. Die Kunden verwenden einzelne Bestandteile oder extrahierte Wirkstoffe der Cannabispflanze für die Herstellung von Arzneimitteln, Kosmetik- und Lebensmittelprodukten. Dazu hat das Schweizer Unternehmen bis heute 70 verschiedene Sorten gezüchtet und gekreuzt. Die Hanfpflanzen wachsen in speziellen Gewächsräumen. Individuelle Beleuchtung und Feuchte schaffen ein optimales Klima für gutes Pflanzenwachstum.
Kondensationstrocknung mit Wärmepumpe
Um den hohen Qualitäts- und Technologiestandards der Branche entgegenzukommen und die Produktions- und Verarbeitungsmethoden zu optimieren, hatte Firmenchef Daniele Schibano den Trocknungsprozess im Visier. Besonders die Trocknung der Hanfblüten bot Optimierungspotential. Bislang lagerten die wertvollen Hanfblüten nach der Ernte in einem Trockenraum. Dieser Raum wurde mit warmer Luft ohne gezielte Luftführung durchblasen. Neben negativen Einflüssen auf die Qualität der Hanfblüten in puncto Geschmack und Inhaltsstoffen war dem Hersteller die Trocknungszeit von fast einer Woche viel zu lang. Hinzu kam ein energieaufwendiges Abluftsystem.
Auf Empfehlung eines Geschäftspartners wurde Ai Fame auf den Trocknungsanlagenbauer Harter aus Süddeutschland aufmerksam. Dessen alternatives Trocknungsverfahren der „Kondensationstrocknung auf Wärmepumpenbasis“ kombiniert scheinbar widersprüchliche Attribute wie eine schonende Trocknung bei niedrigen Temperaturen und zugleich kurze Trocknungszeiten. Das Allgäuer Unternehmen kommt ursprünglich aus dem Bereich der Oberflächentechnik, hat aber aufgrund der wachsenden Nachfrage aus der Pharmaindustrie seine Technologie für den dortigen Einsatz optimiert. Der Betrieb fertigt heute GMP-gerechte Anlagen, ebenso Trocknungssysteme nach hygienischem Design für die Lebensmittelbranche. „Nachdem ich die Trocknungstechnologie von Harter kennengelernt und verstanden hatte, wusste ich sofort, dass dies die perfekte Antwort auf unsere Anforderung war“, erklärt Schibano.
Normalerweise finden als erstes Trocknungsversuche mit den zu trocknenden Produkten des Kunden statt, die der Anlagenbauer als Dienstleistung in seinem hauseigenen Technikum anbietet. Bei diesen Tests werden produktspezifische Parameter wie Temperatur, Zeit, Feuchte, Luftgeschwindigkeit und Luftvolumenstrom ermittelt. Die Trocknungsversuche dienen als Grundlage für die Konzeption einer Anlage und haben sich in der Praxis als sinnvolle Vorgehensweise bewährt. Im Falle von Ai Fame lief es anders, denn die Hanfblüten haben einen solch hohen materiellen Wert, dass Geschäftsführer Schibano auf Versuche verzichten wollte. Mit seiner Überzeugung, dass diese Art der Trocknung für die Hanfblüten ideal sei, behielt er auch ohne Tests Recht.
Schonend mit Niedertemperatur
Das System der Kondensationstrocknung mit Wärmepumpe ist flexibel und somit grundsätzlich für alle Verfahrensarten geeignet. Passend zum betriebseigenen Ablauf entschied sich der Hanfblüten-Produzent für ein Chargenkonzept. Der Anlagenbauer realisierte dies als Hordentrockner aus Edelstahl im Hygiene-Design. Dessen Trockenkammer besteht aus drei Modulen, die jeweils auf das Flächenmaß einer Europalette ausgelegt sind. Die Maße des Hordentrockners betragen 3.900 x 2.150 x 2.340 mm und wurden auf Wunsch an die vorhandenen Erntekörbe angepasst.
Der Trocknungsprozess verläuft wie folgt: Körbe von 600 x 400 mm werden mit den geernteten Hanfblüten manuell befüllt. Jeweils zehn Körbe werden übereinander auf einem Rollwagen gestapelt. Jedes Modul hat Platz für vier Rollwagenstapel. Somit lassen sich insgesamt zwölf Stapel mit 120 Körben in den Trockner einbringen. Je nach Chargengröße ist ein Betrieb der Trocknungsanlage in Voll- und Teilbeladung möglich. Bei einer Temperatur unter 30 °C verbleiben die Blüten 24 Stunden im Hordentrockner und werden dort vollständig und gleichzeitig schonend getrocknet.
Trocknen mit optionaler Befeuchtung
Die Wasserentzugsleistung beträgt etwa 32 l/h. Jedes der drei Module im Trockner ist mit zwei drehzahlgeregelten Prozessluftventilatoren mit maximal 2,3 kW Anschlussleistung ausgestattet. Sie erzeugen zusammen einen Luftvolumenstrom von rund 42.000 m³/h. Die komplette Prozessluft strömt über F9-Filter mit einem Abscheidegrad über 95 % bei einer Partikelgröße von 0,4 µm. Integriert in die Trocknungsanlage ist die sogenannte Airgenex Food-Entfeuchtungstechnologie. Sie regelt die Luftentfeuchtung und das gesamte Klima im Trockenraum. Die durchschnittliche Nennleistung der gesamten Anlage liegt bei den gewählten Parametern zwischen 15 und 18 kW. Der Hordentrockner ist mit einer SPS-Steuerung ausgestattet. Über diese wählt der Betreiber das für die Charge passende Trocknungsrezept mit seinen individuell eingestellten Prozessparametern Temperatur, Zeit, Feuchte, Luftvolumenstrom und Luftgeschwindigkeit.
Werden die Blüten nicht der Extraktion zugeführt, sondern als Ganzes weiterverkauft, stellt sich eine neue Situation dar. Die Blüten sind mit 8 % Restfeuchte so trocken, dass sie beim Transport nach einiger Zeit schlicht anfangen würden zu zerbröseln. Um dies zu verhindern, verfügt die Trocknungsanlage über eine spezielle Befeuchtungseinheit, die sich bei Bedarf zuschalten lässt. In der Praxis bedeutet das, dass die bis in den Kern getrockneten Blüten von außen leicht befeuchtet werden. Der Befeuchtungsvorgang wird so gewählt, dass die Blüten die mitunter weiten Transportwege unbeschadet überstehen.
Trockene Luft am richtigen Ort
Doch was genau ist das besondere an diesem Trocknungsprozess? Die Kondensationstrocknung auf Wärmepumpenbasis mit ihren Systemvarianten Airgenex Med und Airgenex Food hat einen physikalisch alternativen Ansatz. Extrem trockene und damit ungesättigte Luft wird über das Trocknungsgut geführt und nimmt dabei – physikalisch bedingt – die Feuchtigkeit in kurzer Zeit auf. Der mit Feuchtigkeit beladenen Luft wird anschließend die gespeicherte Feuchte entzogen. Die Feuchtigkeit wird auskondensiert und verlässt als Kondensat die Anlage. Danach wird die abgekühlte Luft wieder erwärmt und wieder über das Trocknungsgut geführt. Die Trocknung findet somit stets in einem geschlossenen Kreislauf statt und ist daher völlig klimaunabhängig. Produktions- und Reinraumumgebungen bleiben unbeeinflusst. Geeignet ist diese Trocknung für Produkte aus Kunststoff, Glas oder Metall sowie organischen Ursprungs wie Lebens- und Futtermittel, die dann bei niedrigen Temperaturen zwischen 20 und 90 °C, je nach Anwendung, schonend und damit stressfrei trocknen.
Neben der effizienten Luftentfeuchtung gibt es noch einen zweiten Faktor, der für eine erfolgreiche Trocknung essentiell ist: Damit die Kondensationstrocknung ihre volle Wirkung entfalten kann, spielt die Luftführung eine wesentliche Rolle. Die Trocknungskammer ist deshalb produktspezifisch mit einem speziellen Umluftsystem mit individueller Luftführung ausgestattet. Da die Luft naturgemäß den Weg des geringsten Widerstands geht, erfordert es viel Know-how, sie in die richtigen Bahnen zu lenken. Denn nur durch das perfekte Zusammenspiel von Entfeuchtungstechnik, Luftführung, Luftgeschwindigkeit und Volumenstrom wird die Kondensationstrocknung für das jeweilige Produkt zum Erfolg. Geringfügig angepasst ist auch ein Einsatz der Kondensationstrocknung zur Kühlung möglich, falls dies gewünscht oder prozessbedingt erforderlich ist.
Weniger Energieaufwand, mehr Produktion
Abschließend zeigt sich der Hanfblütenproduzent zufrieden mit dieser Trocknungslösung. Er sieht diese Technologie als absolutes Novum in seiner Branche. Neben der schnellen und sanften Trocknung hat sich die Qualität seiner Produkte hinsichtlich Bioaktivität, Aroma- und Inhaltstoffe deutlich verbessert. Die eingesparte Energie ist ein willkommener Nebeneffekt. Und möglicherweise kommt ein weiterer Bonus dazu: Die sensiblen Blüten werden nur halbhoch in die bisher eingesetzten Körbe mit 190 mm Höhe gefüllt, da sie bei höherem Gewicht Schaden nehmen würden. Aufgrund der guten Durchlüftung der Körbe ist daher angedacht, zukünftig niedrigere Körbe mit gleicher Beladung zu verwenden. Das würde die Produktion bis zu 100 % steigern.