Die nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln gewinnt durch das stark wachsende Umweltbewusstsein immer stärker an Bedeutung. Zu den neuartigen Ansätzen, um den Bedarf an tierischen Eiweißen decken zu können, gehören die zelluläre Landwirtschaft (Cellular Agriculture, kurz Cellag) sowie der Einsatz und die Weiterentwicklung von Fermentationsprozessen zur Gewinnung „alternativer Proteine“ und anderer Lebensmittel-Bestandteile.
Fermentation: Lebensmittel aus dem Bioreaktor
Dass hochwertige Nahrungsmittel in einem Bioreaktor produziert werden, ist keineswegs neu. Seit tausenden von Jahren setzen Menschen Fermentationsprozesse ein – beispielsweise zur Herstellung von Bier, Wein, Joghurt oder Käse. Bei dieser traditionellen Fermentation werden Nahrungsmittel durch mikrobielle, anaerobe Gärung verändert. Im Laufe des letzten Jahrhunderts wurden weitere Methoden zur Fermentation für viel breitere Anwendungsfelder entwickelt.
Bei der Biomasse-Fermentation werden die Mikroorganismen, die sich in diesem Prozess vermehren, selbst zum Bestandteil von Lebensmitteln. Dabei wird aus deren schnellem Wachstum und hohem Proteingehalt Nutzen gezogen. Ein Beispiel dafür ist ein Produkt aus dem fermentierten Myzel eines Schlauchpilzes, welches im angelsächsischen Raum bereits am Markt angeboten wird.
Die Präzisionsfermentation hingegen greift auf Mikroorganismen zurück, um spezielle funktionale Inhaltsstoffe zu produzieren. Dabei sind diese Mikroorganismen oder Zellen so programmiert, dass sie selbst als kleine Fabriken für „azellulare“ Produkte wirken. Durch diese Art der Fermentation wird beispielsweise Lab zur Käseproduktion hergestellt, oder Insulin für Diabetiker seit vielen Jahren hergestellt. Durch Präzisionsfermentation lassen sich spezifische Proteine, Enzyme, Geschmacksstoffe, Vitamine, Pigmente und Fette effizient herstellen. Als nachhaltige Alternative zu Kuhmilch werden Milchproteine, Fett und Lactose getrennt voneinander durch Präzisionsfermentation produziert. Diese im Bioreaktor hergestellten Milchproteine sind geschmacklich kaum mehr vom tierischen Original zu unterscheiden.
Unterschiede gibt es noch bei den Kosten, jedoch könnte die Weiterentwicklung der Präzisionsfermentationstechnik dazu führen, dass diese sich in Zukunft angleichen, oder dass zellbasierte Alternativen sogar deutlich günstiger werden als tierische Produkte. Der Thinktank „Rethinx“ prognostiziert deshalb sogar den Zusammenbruch der traditionellen Tierindustrie bis 2030.
Fermentativ hergestellte Stoffe können also sowohl selbst als Produkte als auch als Zutaten für pflanzliche oder im Bioreaktor kultivierte Lebensmittel verwendet werden. In Bezug auf die Herstellung von Cultured Meat kann beispielsweise die Präzisionsfermentation dazu beitragen Nährstoffe und Wachstumsfaktoren für Zellkulturmedien effizient herzustellen. Darüber hinaus können Proteine wie Kollagen oder Fibronektin, die durch Fermentation hergestellt werden, als Komponenten für das „Scaffolding“ bei dem strukturellen Aufbau von komplexeren Cultured Meat-Produkten dienen.
Die Vorteile der Cellular Agriculture
Bei der zellulären Landwirtschaft sind die Zucht, Mast, Schlachtung und Verarbeitung von Tieren nicht mehr Teil der Produktion. Stattdessen ist der gesamte Zyklus der Fleischerzeugung biotechnologisch abbildbar, das bedeutet, dass die Zellen in Bioreaktoren kultiviert werden. Davon profitieren sowohl Mensch als auch Tier – und das Klima. Ohne die in der Massentierhaltung üblichen Hormone und Antibiotika werden unter kontrollierten, sterilen Bedingungen und frei von Krankheitserregern sichere Lebensmittel produziert. Die hochwertigen Produkte entstehen frei von Tierleid und den Problematiken der Massentierhaltung oder Überfischung. Produktionsprozesse der zellulären Landwirtschaft sind zudem deutlich nachhaltiger als die traditionelle Landwirtschaft: der Landverbrauch könnte laut einer aktuellen Studie um 80 %, der Wasserverbrauch um 94 % und die emittierten Treibhausgase um 76 % reduziert werden.
Wie funktioniert Cellular Agriculture?
Die Herstellung von zellbasierten Produkten funktioniert dabei im Wesentlichen über die Methoden des Tissue Engineering (Gewebezüchtung) und durch Fermentation. Die Wahl der Methode hängt davon ab, ob es sich um „zellulare“ oder „azellulare“ Produkte handelt. Erstere – dazu gehören kultivierte Fleisch- oder Fischprodukte – existieren in Form von Gewebe. Beim sogenannten Tissue Engineering werden tierische Gewebezellen außerhalb des Körpers des Tieres gezüchtet. Dazu werden in einem ersten Schritt einmalig Stammzellen aus einem einzelnen lebenden Tier entnommen. Die isolierten Zellen werden in einem Nährmedium in einer kontrollierten Umgebung dazu gebracht, sich zu vervielfältigen, also zu wachsen. Der nächste Schritt ist die Differenzierung der Zellen, beispielsweise in Muskelzellen. Diese Zellen einer bestimmten Art und eines bestimmten Gewebetyps werden auf einem Träger aufgebaut (das sogenannte Scaffolding), der den Aufbau von Struktur und Richtung ermöglicht.
In unserem Körper sorgt der Blutkreislauf dafür, dass Nährstoffe zugeführt und Abfallprodukte aus dem Gewebe entfernt werden. In der Zellkultur zur Herstellung von Cultured Meat gibt es keine Blutgefäße. Die effiziente Versorgung mit Nährstoffen und die Entfernung von toxischen Stoffwechselprodukten muss durch entsprechende Technologien bewerkstelligt werden. In sogenannten Perfusionsbioreaktoren wird der Nährstoffgehalt für optimale Wachstumsbedingungen aufrechterhalten, indem verbrauchte Medien kontinuierlich entfernt und durch neue ersetzt werden.
Die Entwicklung und der Scale-up dieser Prozesse sind zurzeit die größten Herausforderungen: zur Produktion von Cultured Meat und ähnlichen Produkten für den Lebensmittelmarkt werden dringend technische Lösungen gesucht. Wie die Entwicklung von effizienter Technologie gelingen wird? Nur durch spezialisiertes biotechnologisches Wissen, umfassende Prozesserfahrung und tiefgreifendes Know-how im Engineering.
Cultured Meat: Produktion im Bioreaktor
Verschiedene Cultured-Meat-Produkte werden bereits in sehr überschaubaren Mengen im Labor und Pilotmaßstab hergestellt. Durch die speziellen Anforderungen der Produktion von Cultured Meat muss der Bioreaktor im Hinblick auf diese Spezialanwendung entwickelt und optimiert werden.
Viele Gesichtspunkte fließen in die Überlegungen zum Prozessdesign ein. Welcher Bioreaktor-Typ soll zur Anwendung kommen, und welche Methode eignet sich? Vielversprechend sind sogenannte Perfusionsbioreaktoren. Die Perfusionskultur wird ständig von einem Medium durchspült. Dies stellt gleichbleibende Konzentrationsverhältnisse der Nährstoffe, einen Abtransport von Stoffwechselprodukten und eine Nachahmung natürlicher Umgebungsbedingungen (Blutkreislauf, Diffusion und Kreislauf von Gewebeflüssigkeit) sicher. Die Zellen werden dabei im Bioreaktor zurückgehalten, hohe Zelldichten auf kleinerem Raum werden ermöglicht.
Technische Lösungen in der Entwicklung
Zahlreiche, miteinander in komplexen Zusammenhängen stehende Parameter beeinflussen das Wachstum der Zellen im Bioreaktor. Essenziell sind deren Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff. Wie erreicht man durch Rühren und Begasen eine optimale Sauerstoffkonzentration, ohne die empfindlichen Zellen durch auftretende Scherkräfte zu schädigen? An dieser Fragestellung forscht Zeta schon seit geraumer Zeit. Die von dem österreichischen Anlagenbauer entwickelte Methode zur zuverlässigen Bestimmung eines der wichtigsten Performanceparameter im Bioreaktor – des Massentransferkoeffizienten für Sauerstoff (kLa-Wert) – kann dabei ein wichtiger Baustein in Bezug auf Optimierung und Scale-up sein. Denn nur durch eine enge Partnerschaft zwischen Technikanbietern und Lebensmittel-Herstellern werden die Hürden zu überwinden sein, die sich bis zur Marktreife noch stellen.
Entscheider-Facts
- Die nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln gewinnt durch das stark wachsende Umweltbewusstsein immer stärker an Bedeutung.
- Noch wird der Bedarf an tierischen Eiweißen durch traditionelle Nutztierhaltung oder Fischerei gedeckt – mit hohen Kosten für Umwelt und Klima.
- Einen Lösungsansatz bieten hier in Zukunft der großtechnische Einsatz der zellulären Landwirtschaft sowie von Fermentationsprozessen zur Gewinnung „alternativer Proteine“.