Pakete auf Förderband im Hintergrund Bestrahlung mit bläulichem Licht

(Bild: BGS)

Entscheider-Facts

  • Zum Sterilisieren von pharmazeutischen Primärverpackungen bietet sich neben Bestrahlung auch die Ethylenoxid-
    Begasung an.
  • Die Strahlensterilisation ist frei von Chemikalien, hinterlässt keine Rückstände und ist reproduzierbar.
  • Eine mikrobiologische, dosimetrische und anwendungstechnische Validierung zeigen, ob ein Produkt für die Bestrahlung geeignet ist.

Die Sterilisation oder Entkeimung von Packmitteln ist in vielen Fertigungsprozessen unverzichtbar, um reproduzierbare Ergebnisse sowie Qualität und Sicherheit der Endprodukte zu gewährleisten. Die Sterilisation von pharmazeutischen Primärverpackungen ist dabei vergleichsweise streng geregelt. Die Sterilität ist nach DIN EN 556 definiert: Danach ist eine Verpackung nur dann steril, wenn die theoretische Wahrscheinlichkeit, einen lebenden Keim je Objekt zu finden, nicht mehr als 1:1.000.000 beträgt. Ist bei Lebensmittelverpackungen ein keimreduzierter Zustand ausreichend und vom Gesetzgeber entsprechend reguliert, wird bei pharmazeutischen Primärverpackungen Sterilität vorausgesetzt. Ein wichtiger Grund dafür ist ihre Aufgabe, ein Produkt nicht nur zu umschließen und den Transport zu erleichtern, sondern das Produkt auch während des Aufbewahrens und Verwendens vor äußeren Einflüssen zu schützen.

Pharmazeutische Primärverpackungen kommen darüber hinaus immer direkt mit dem Arzneimittel in Berührung. So müssen beispielsweise Packmittel für flüssige oder feuchte Arzneimittelformen vor dem Abfüllen steril sein, da sie sonst aufgrund der enthaltenen Feuchtigkeit in einem geschlossenen System ideale Wachstumsbedingungen für Mikroorganismen bieten. Eine einwandfrei sterilisierte Verpackung ist demnach nicht nur vom Gesetzgeber vorgeschrieben, sondern essenziell für den Schutz der Patientinnen und Patienten.

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Vorteile der Strahlensterilisation

Um pharmazeutische Primärpackmittel zu sterilisieren, können verschiedene Verfahren und Technologien eingesetzt werden. Gängig sind die Ethylenoxid-Begasung (ETO-Sterilisation) sowie die Sterilisation mit Beta-, Gamma- oder Röntgenstrahlung (X-Ray). Ziel eines jeden Sterilisationsverfahrens ist es, die Reproduktion von pathogenen Keimen zu verhindern und die Mikroorganismen zu zerstören.

Die Behandlung mit ionisierender Beta- oder Gammastrahlung ist dabei eine der gebräuchlichsten Verfahrensweisen, da sie mehrere Vorteile bietet. Das Verfahren ist im Gegensatz zur ETO-Sterilisation frei von Chemikalien, hinterlässt keine Rückstände auf oder im Produkt und bewirkt keine nennenswerte Erhöhung der Temperatur während des Prozesses. Da die Strahlendosis genau appliziert werden kann, ist die Strahlensterilisation zudem zuverlässig und reproduzierbar.

Das Verfahren kann außerdem relativ zügig durchgeführt werden und lässt sich gut in bestehende Logistikprozesse integrieren: Mit Beta-Strahlen können einzelne Verpackungen innerhalb von wenigen Sekunden bestrahlt werden. Die Bestrahlung in Gamma-Anlagen dauert einige Stunden, ist aber oft die bevorzugte Wahl, da Gamma-Strahlen aufgrund der hohen Eindringtiefe in der Lage sind, komplette Paletten oder Gebinde auch mit hoher Packungsdichte zu durchdringen.

In Elektronenbeschleunigern und Gamma-Anlagen wird somit das komplette Produkt durchstrahlt und nicht nur die Oberfläche des Packmittels behandelt. So werden auch die Innenseiten verschlossener Verpackungen zuverlässig sterilisiert – die Voraussetzung für alle Produkte, die im Nachgang aseptisch abzufüllen sind oder in die keine Fremdorganismen eingebracht werden dürfen. Nicht nur Viren und Bakterien wie Salmonellen und Coli-Bakterien werden zuverlässig abgetötet, sondern auch Schimmelpilz-Sporen, die über eine dickere Zellwand verfügen und beispielsweise gegenüber UV-C-Strahlung resistent sind.

Material entscheidet über Anwendung

Viele pharmazeutische Primärpackmittel können vor der Abfüllung in einer Gamma-Anlage oder einem Elektronenbeschleuniger behandelt werden. Dazu gehören beispielsweise Ampullen, Beutel, Flaschen, Dosen und Tuben. Ob die Strahlensterilisation jedoch tatsächlich die Methode der Wahl ist, hängt wesentlich von der Materialzusammensetzung des Produktes ab. Denn Elektronen- und Gamma-Strahlen können die Materialeigenschaften der Produkte, insbesondere bei vielen Polymerwerkstoffen, verändern. Dies ist sowohl abhängig vom Material selbst als auch von der verwendeten Bestrahlungsdosis.

Hintergrund sind durch die Strahlenenergie induzierte chemische Reaktionen, wie Vernetzungs- oder Abbaureaktionen. Sehr gut eignen sich beispielsweise die Kunststoffe Polyethylen (PE) und Cycloolefin-Copolymere (COC oder COP). Andere Materialien sind nur bedingt geeignet, weil sich ihre Eigenschaften verändern können – Glas beispielsweise verfärbt sich unter Bestrahlung.

In einigen Fällen, in denen die Strahlensterilisation aufgrund der verwendeten Materialien nicht eingesetzt werden kann, ist das Begasen mit Ethylenoxid das Verfahren der Wahl. Bei der ETO-Sterilisation handelt es sich um ein chemisches Verfahren mit mehreren Prozessparametern, unter anderem Gaskonzentration, Feuchtigkeit, Temperatur und Diffusionszeit. Pulverförmige Stoffe, Produkte, die nicht feucht werden dürfen oder die gasdicht verpackt sind, sind jedoch ungeeignet für diese Form der Sterilisation. Mit der Begasung ist zudem eine Entgasungsphase von mehreren Tagen verbunden – die Produkte können also nicht sofort in Verkehr gebracht werden.

Industrielle Gamma-Bestrahlungsanlage
Industrielle Gamma-Bestrahlungsanlage, um pharmazeutische Primärpackmittel zu sterilisieren. (Bild: BGS)

Bestrahlung in der Transportverpackung

Aufgrund der komplexen Anlagen, der hohen Sicherheitsstandards und den mit der Bestrahlung zusammenhängenden Regulierungen lagern Hersteller die Sterilisation ihrer Produkte meist an spezialisierte Dienstleister aus. Am Beispiel eines Nasenspray-Zerstäubers aus Kunststoff lässt sich das Grundschema der Bestrahlung von Dienstleistern wie BGS Beta-Gamma-Service nachvollziehen.

Das komplette System oder einzelne Bestandteile davon – leere Flasche, Zerstäuber, Verschluss –, werden vom Hersteller versandt. Angeliefert beim Dienstleister, werden die Produkte in ihrer Transportverpackung behandelt. Ein Aus- oder Umpacken findet nicht statt. Nach der Bestrahlung erfolgt sofort die Überprüfung durch die Qualitätssicherung und eine Freigabe der Produkte. Diese werden äußerlich unverändert an den Nasensprayhersteller zur Weiterverarbeitung ausgeliefert  Die Strahlensterilisation lässt sich damit gut planen und eignet sich für zeitlich anspruchsvolle Lieferketten.

Dreiteilige Validierung

Der reinen Bestrahlung geht ein umfangreicher Validierungsprozess voraus: Kunde und Dienstleister prüfen im engen Austausch die Anwendung der Strahlensterilisation für das jeweilige Produkt. Dieser Prozess gliedert sich in drei Teile: die mikrobiologische, die dosimetrische und die anwendungstechnische Validierung.

Neben der Ermittlung der Keimlast und der erforderlichen Sterilisationsdosis, die ein nicht steriles Produkt in ein steriles überführt, geht es vor allem darum, die Dosisverteilung zu bestimmen. Diese ist nicht nur produkt- sondern auch konfigurationsbezogen und bezieht sich somit immer auch auf die Anordnung der Nasenspray-Flaschen in der Verpackung. Wichtig ist auch, zu klären, inwieweit die Eigenschaften und Funktionen des Materials durch die Bestrahlung verändert werden.

Sind die Prozesse einmal festgelegt und Details wie Packungsdichte, Packmaterial, Kartongröße und Ausrichtung der Produkte definiert, ist das Ergebnis vollständig reproduzierbar und die Routinebestrahlung kann beginnen. Das bedeutet aber auch: Erfolgen später Änderungen am Produkt oder dessen Herstellungsprozess, müssen diese zwingend vom Hersteller bewertet und das gewählte Verfahren unter Umständen revalidiert werden.

Mehr als ein Anwendungsgebiet

Beta- und Gamma-Strahlen werden nicht nur eingesetzt, um pharmazeutische Primärpackmittel zu sterilisieren. Keimreduktion und dabei reproduzierbare Ergebnisse sowie sichere Endprodukte sind beispielsweise auch bei Verpackungen von Lebens-, Futter- und Körperpflegemitteln für den Verbraucherschutz notwendig und zum Teil gesetzlich vorgeschrieben.

Sollen große Sortimente sterilisiert oder keimreduziert werden, ist es sinnvoll, über Bearbeitungsklassen nachzudenken. Artikel, die unter gleichen Bedingungen bestrahlt werden können, werden einer Bearbeitungsklasse zugeordnet. Das hat den Vorteil, dass bei weiteren Produkten und bereits vorhandenen Bearbeitungsklassen keine neue Qualifizierung notwendig ist.

Gabelstapler mit Folienverpackten Paletten
Die Produkte werden in ihrer Transportverpackung kontaktlos mit Strahlen sterilisiert. (Bild: BGS)

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