Fälschungssicherheit im Pharma-Verpackungsbereich
  • Track&Trace-Lösungen ermöglichen das Rückverfolgen von Produkten und schließen dadurch Sicherheitslücken der Logistikkette.
  • Ausgeklügelte Originalitätsmerkmale, die sich nur schwer oder gar nicht kopieren lassen, schaffen auch im Offline-Bereich Sicherheit.
  • Fälschungssichere Produkte schützen das Image der Hersteller und können im Rechtsfall als Beweismittel gelten.

Um der Problematik der gefälschten Arzneimittel Herr zu werden, setzen die Hersteller auf offene und verdeckte Kennzeichen, welche die Fälschung erschweren, und arbeiten mit den Zollbehörden zusammen. Hinzu kommen computergestützte Track&­Trace-Lösungen, die eine Rückverfolgbarkeit der Güter und damit eine Kontrolle auf Originalität am Point of Sale oder zu Hause beim Endkunden, beispielsweise via Smartphone, ermöglichen.

Der richtige Mix
Um die höchstmögliche Sicherheit erreichen zu können, setzen die Hersteller für gewöhnlich auf mehrere Sicherheitsverfahren. Beispielsweise befinden sich auf der Außenverpackung von Kogenta, einem Medikament von Bayer zur Therapie von Hämophilie A, sechs verschiedene Sicherheitsmerkmale. Dazu gehören ein Hologrammaufdruck, eine transparente Versiegelung der Lasche sowie UV-Licht reflektierende Flächen. Diese Merkmale sollen es zu jedem Zeitpunkt und stets eindeutig ermöglichen, wirksame Medikamente von gefährlichen Fälschungen unterscheiden zu können. Und das in einer stark globalisierten Marktumgebung, in welcher der Export und anschließende Reimport von Medikamenten keine Seltenheit darstellt. Was die Sicherheit innerhalb der Logistikkette – gelinde gesagt – nicht gerade vereinfacht. „Als international agierende Gruppe sehen wir einen zunehmenden Bedarf für eine engere Zusammenarbeit aller Teilnehmer der Supply chain. Wir sprechen hier vom Trend der Collaborative Supply chain“, erklärt Martina Benthien, Marketing Manager bei Zetes. Der Hersteller von Etikettieranwendungen setzt dazu, wie andere Marktteilnehmer auch, auf die Lösung in der Cloud: Die Kennzeichnungssysteme basieren auf individuellen Datamatrixcodes, die die Hersteller auf medizinische Produkte und Sekundärverpackungen drucken. Auf einem Server hinterlegte, mit dem jeweiligen Code korrespondierende Informationen beinhalten beispielsweise Haltbarkeitsdatum, Chargen- und Produktnummer sowie eine Serialisierungsnummer. Zugriff auf diese Daten haben alle legitimen Teilnehmer der Logistikkette. Dadurch erhalten sie ein Werkzeug, das eine lückenlose Rückverfolgung und damit das Unterscheiden zwischen Original und Fälschung erleichtert. Denn scannt beispielsweise ein Apotheker einen Code an der Verkaufstheke ein, gibt das System sofort eine Warnung, falls die Eingabe in der Datenbank des Herstellers kein entsprechendes Gegenstück besitzen sollte.

Eine solche Lösung flächendeckend einzuführen, hat sich die Initiative Securpharm auf die Fahne geschrieben. Der Zusammenschluss von Pharmaherstellern, Apothekern und Großhändlern hatte seit März 2012 das Ziel verfolgt, ein End-to-end-Kontrollsystem einzuführen, was im Januar 2013 mit einem ersten Pilotprojekt gelang. Die erste gute Nachricht konnte Joachim Odenbach, Pressesprecher der Initiative, bereits direkt nach Start der Pilotphase verlautbaren: „Es funktioniert!“ Erste Volllastscans im Großhandel verliefen so erfolgreich, dass das System direkt in den Normalbetrieb überging und seitdem die Wege von Arzneimitteln via Abruf eines aufgebrachten Datamatrixcodes nachvollziehbar macht.

Sicherheit durch digitale Schnittstellen
Neben den bereits bekannten und im Markt etablierten Barcodes und Datamatrixcodes besteht eine weitere Variante, mit der Pharmahersteller ihre Verpackungen eindeutig innerhalb einer Logistikkette zuordnen können: RFID – das Schlagwort, das bereits seit Längerem die Runde macht und auf der Logimat im Februar 2013 in Stuttgart eines der bestimmenden Themen war. RFID-Tags (Radio-frequency Identification) sind Funk­etiketten, die ein Identifizieren mittels elektromagnetischer Wellen ermöglichen. Der große Vorteil, den die Transponder bieten: anders als Datamatrixcodes verweisen sie nicht (nur) auf Informationen, die in einer Datenbank hinterlegt sind, sondern können selbst als Speichermedium dienen. Vorteile der Technologie sind vor allem die erhöhte Fälschungssicherheit, da Medikamentenfälscher diese im Gegensatz zu Datamatrixcodes nicht einfach nachdrucken können, um damit Originalität vorzutäuschen. Weiterer Pluspunkt: Händler können die Transponder, abhängig von der verwendeten Frequenz, sogar durch Metallwände auslesen. „RFID ist eine leistungsfähige Auto-ID-Technologie für Traceability- und Produktschutzlösungen. Sie setzt allerdings voraus, dass die logistischen Prozesse über die gesamte Lieferkette bekannt sind“, erklärt Oliver Pütz-Gerbig, Produktmanager des Geschäftsbereichs Identifikation bei Balluff. Das liegt vor allem daran, dass das Umstellen auf RFID für Anwender zuerst einmal hohe Anschaffungskosten bedeutet, die sich in der Folge rechnen müssen. Auch danach sind die Produktionskosten für die einzelnen Transponder höher als die für einen aufgedruckten Datamatrixcode. Daher geht Christoph Reill, Director International Sales Barcodes & RFID Solutions bei Inotec, davon aus, dass sich „die Technologie in Zukunft vor allem im Bereich der hochpreisigen Medikamente, wie es beispielsweise in der Krebstherapie oder bei Blutproben der Fall ist, durchsetzen wird.“

Track&Trace ohne Trittbrettfahrer
„Damit eine Technologie als Produktschutztechnologie verwendbar ist, sollte sie die folgenden vier Mindestanforderungen erfüllen: Schnelle und einfache Identifikation, zweifelsfreie Echtheitsbestimmung für den normalen Anwender, Fälschungssicherheit und nicht zuletzt Wirtschaftlichkeit“, erklärt Reill. Wobei die eingesetzten Schutzverfahren in der Regel nicht alle vier Kriterien in gleicher Weise erfüllen können, weiß Reill. Einer der Lösungsansätze der Firma aus Neumünster ist das hierarchische Konzept Diosecure. Konkret handelt es sich um ein Sicherheitsetikett, das Betreiber mittels Digitaldruckverfahren nicht nur auf der Vorder-, sondern auch der Rückseite bedrucken können. Wird ein aufgeklebtes Etikett entfernt, hinterlässt es den Aufdruck seiner Rückseite als eindeutiges Manipulationsindiz auf der Oberfläche, beispielsweise einen Barcode. Durch diesen Void-Effekt (void: englisch für „ungültig“) kann der Anwender sicher sein, dass der von ihm freigelegte Code noch von keiner unberechtigten dritten Partei gesehen werden konnte. In der Folge ist es nicht möglich, dass ein Produktpirat den Code vor dem Verkauf des Originals kopiert und ein gefälschtes Produkt mit einer in der Herstellerdatenbank hinterlegten Kennziffer in Umlauf bringt. Es gibt allerdings einen anderen Weg, wie Hersteller die Gefahr von gefälschten Datamatrixcodes umgehen können.

Farben als Feind des Schwarzmarktes
„RFID-Chips sind für den Masseneinsatz als Fälschungsschutz noch zu kostenaufwendig und nicht für alle Materialien geeignet; außerdem können sie manipuliert werden. Und Datamatrixcodes lassen sich inzwischen kinderleicht fälschen. Gerade bei Medikamenten aus der Apotheke darf es aber keine Dunkelziffer und keine Toleranz gegenüber Plagiaten geben“, relativiert Rolf Simons, Geschäftsführer von 3S Simons Security Systems, die Sicherheitsversprechen vieler Lösungsansätze. Der Kennzeichnungssystem-Hersteller setzt auf Mikro-Farbcodes, die das Unternehmen für Produzenten von Pharmaprodukten in einer individuellen Kombination zusammenstellt; die farbigen Markierungen dienen dem Hersteller als zweites Sicherheitsmerkmal neben aufgebrachten Datamatrixcodes. Die Farbmatrix kann, hinterlegt in einer Hersteller- beziehungsweise Apothekendatenbank, verschiedene Arzneimittel eindeutig zuordnen. Für das bloße Auge sind die Farbmarkierungen nicht sichtbar, erst der Einsatz eines Stabmikroskops ermöglicht eine Identifikation. Das System ist zwar bereits seit über 15 Jahren auf dem Markt, gilt aber bis zum heutigen Tag als fälschungssicher und ist als Beweismittel vor Gericht zugelassen. Das ist gerade für Pharmahersteller wichtig, da sie im Zweifel beweisen müssen, dass ein unwirksames oder gesundheitsschädliches Produkt ein Plagiat der eigenen Entwicklung ist.

Zwar auch auf Farben basierend, aber dennoch völlig anders, ist der Ansatz von Buergofol: Spezielle Pigmente, die Hersteller einer beliebigen Farbe beimischen, funktionieren als „Taggants“. Die eingebrachten Marker, die ebenfalls für das Auge nicht zu erkennen sind, reagieren beispielsweise auf das Licht eines Laserpointers und reflektieren das Licht in einer bestimmten Wellenlänge und damit Farbe. Bei entsprechender Laborausstattung ist es möglich, die Pigmente über Mikroskope zu identifizieren. Vorteil dieser Lösung ist, dass sie im Alltag weder sichtbar noch empfindlich gegen Kaschier- und Schneideprozesse ist.

Sicherheit auf Nano- und Makroebene
Nicht ganz so farbenfroh, aber auch im mikroskopischen Bereich, setzt das Schweizer Unternehmen Rondodruck an. Cryptoglyph ist eine Technologie, die auf für das menschliche Auge nicht sichtbaren Pigmenten in Nanometer-Größe basiert, die Anwender mittels eines Scanners oder auch eines Smartphones einlesen. Mit einer speziellen Software, die wahlweise auf einem sicheren Server beim Pharmazeuten oder der Entwicklerfirma Alpvision installiert ist, können Teilnehmer der Lieferkette im Anschluss bestimmen lassen, ob die Anordnung der Pigmente einem vorgegebenen Algorithmus folgt, und damit das Produkt als Original verifizieren. Hierfür kann der Kunde das von ihm determinierte Muster in der Druckvorstufe einfügen und per Offsetdruck auf die Verpackung aufbringen lassen – am Druckprozess selbst müssen Produzenten keinerlei Änderungen vornehmen. Das Unternehmensportfolio beinhaltet darüber hinaus noch eine weitere Sicherheitslösung, für die der Betrachter von der Nano- auf die Makroebene wechseln muss: „Tamper Evidence“ ist ein Erstöffnungsschutz, der direkt in die Kartonkonstruktion eingebracht ist. Öffnet der Konsument die Umverpackung, reißt eine als Sollbruchstelle eingebrachte Ausstanzung ein und lässt damit erkennen, dass die Faltschachtel in diesem Moment zum ersten Mal geöffnet wurde. Hersteller erhöhen damit das Sicherheitsgefühl ihrer Kunden und können in der Produktion auf zusätzliche Materialien wie Leim oder Etiketten verzichten. Der Wiederverschluss funktioniert genau wie bei herkömmlichen Faltschachteln, ohne dass das Sicherheitsmerkmal zu Beeinträchtigungen führen würde.

Drucken im Molekularbereich
Mit dem druckbaren Datenspeicher geht das Unternehmen August Faller einen Weg, der bis in die molekulare Ebene führt. Das Speichermedium ist eine Spezialfarbe, die Hersteller mit konventionellen Methoden auf die Sekundärverpackung aufbringen können und das als offenes, verdecktes sowie forensisches Sicherheitsmerkmal dient. Daneben kann das Medium laut Hersteller gleich mehrere MB pro cm2 an Informationen speichern – und schlägt damit die RFID-Technologie, deren Speicherkapazität sich im KB-Bereich bewegt. Die Datenbilder erzeugt der Hersteller mit einer Polymerbasis, mit der sich die Ausrichtung der Moleküle bestimmen lässt. „Das Verfahren ermöglicht schier unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten und damit eine verlässliche Fälschungssicherheit, die vergleichbar ist mit Biometrie und dem Passwesen“, erklärt Detlef Zabel aus dem Bereich Fälschungssicherheit bei Faller. Zusätzlich kann der Kunde diese Daten verschlüsseln lassen oder unterschiedliche Informationen für verschiedene Empfänger auf der Verpackung hinterlegen. Dazu zählen beispielsweise Anwendungserklärungen für den Konsumenten auf der einen und die Chargennummer für die Rückverfolgbarkeit entlang der Lieferkette auf der anderen Seite.

Blick in die Zukunft
Während auf RFID basierte Anwendungen langsam zur festen Größe im Bereich der (Pharma)-Logistik werden, arbeitet die Forschung bereits an der nächsten Generation automatischer Erfassungs- und Kontrollsysteme: Das auf der diesjährigen Cebit in Hannover erstmals der Öffentlichkeit präsentierte Fraunhofer-Innovationscluster „Next Generation ID“ entwickelt derzeit ein Verfahren zur biometrischen Erkennung von Gegenständen. Ziel der Wissenschaftler ist das automatisierte Sammeln robuster Hashwerte, also eindeutiger Erkennungsmerkmale wie Kantenabstände, Materialien oder auch Farbwerte, deren Gesamtheit statistisch ausgewertet das eindeutige Unterscheiden von Original und Fälschung ermöglicht. „Das Verfahren könnte den Einsatz von Barcodes in Zukunft obsolet machen“, erklärt Dr. Joachim Giesekus, Division Manager Security & Safety des Fraunhofer HHI.

Fälschungssicherheit im Pharma-Verpackungsbereich 1303pf900

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