Der Impfstoff im Netz
Arzneimittelentwicklung mit cloudbasiertem Datenmanagement
Daten machen den Unterschied – gerade, wenn es um lebenswichtige Medikamente oder Impfstoffe geht. Die enge, datenbasierte Zusammenarbeit von Pfizer und Biontech ermöglichte es den Partnern, in Rekordzeit den ersten mRNA-Impfstoff zu entwickeln.
Entscheider-Facts
- Pfizer und Biontech nutzen digitale Vernetzung zur Impfstoffentwicklung.
- Cloudsysteme vereinfachen Wissens- und Technologietransfer zwischen global verteilten Standorten.
- Digitaler Zwilling als zentraler Punkt, an dem Echtzeitdaten und historische Daten zusammenlaufen.
Während der Pandemie standen Pfizer und das Biotech-Unternehmen Biontech unter großem Druck: Ziel war es, möglichst schnell einen mRNA-Impfstoff gegen das neuartige Covid-19-Virus auf den Markt zu bringen. Um den komplexen Prozess rund um das Entdecken, Entwickeln und Herstellen zu beschleunigen und die Time-to-Market zu verkürzen, setzten die Partner auf eine enge Zusammenarbeit mit Lizenzinhabern, Vertragsherstellern, Geräteanbietern und Aufsichtsbehörden.
Die Grundlage dafür schufen fortschrittliche Technologien wie das cloudbasierte Datenmanagement: Mittels eines vernetzten Ecosystems konnten die Beteiligten Prozessinformationen aus dem weltweiten Werksnetz sammeln, verwalten, standardisieren und in einen gemeinsamen Kontext bringen. So entstand eine zentrale, umfassende Datenquelle.
Die Natur macht es vor
Bäume, Pflanzen und Tiere existieren nicht für sich allein – sie bilden Ökosysteme und Gemeinschaften, die langfristig ihr Überleben sichern. Die natürliche Vernetzung steht für Widerstandsfähigkeit, Effizienz und Wachstum. Von diesem Modell kann auch die Pharmaindustrie profitieren, die besonders viele strenge Vorschriften einhalten und gleichzeitig betrieblich effizient bleiben soll. Indem Lizenzinhaber, Vertragshersteller, Geräteanbieter und Aufsichtsbehörden über Unternehmensgrenzen hinweg digital vernetzt zusammenarbeiten, können sie nicht nur effizient agieren, sondern auch einen kollektiven Wert schaffen und die industrielle Nachhaltigkeit unterstützen.
Ein solches vernetztes Ecosystem zeichnet ein anschauliches Gesamtbild der gesamten industriellen Wertschöpfungskette, da es Daten aus verschiedenen Einheiten zusammenführt und in einen Kontext setzt. Dadurch entsteht eine digitale und einheitliche Datenquelle, auf die Teams jederzeit zugreifen können. Jede angeschlossene Organisation hat bei Bedarf einen Überblick über alle industriellen Prozesse und Daten, was zu schnelleren und besseren Entscheidungen führt.
Besonders bei der Medikamentenentwicklung zahlt sich das aus. Sie erfordert einen komplexen Einsatz von Gerätschaften, die sich oft in verschiedenen Einrichtungen auf der ganzen Welt befinden. Dadurch müssen alle Einheiten zwangsläufig in Silos arbeiten und Informationen zur Arzneimittelentwicklung mühsam austauschen. Ein vernetztes Ecosystem kann diese Hürden überwinden und die Zusammenarbeit erheblich erleichtern.
Digitale Vernetzung als Schlüssel zum Erfolg
Pfizer erkannte die Vorteile eines vernetzten Ecosystems und setzte bei der Entwicklung des ersten mRNA-Impfstoffs gegen Covid-19 auf eine cloudbasierte Software für effizienteres Datenmanagement. Das digitale Ecosystem vereinheitlichte Datenformate, stärkte die Kommunikation mit Behörden und schuf die Grundlage für eine effizientere und regelkonforme Produktion. So konnte der Pharmakonzern während der Herstellung des mRNA-Impfstoffes Barrieren abbauen, die Effizienz steigern und dabei weiterhin nahtlos die Vorschriften der gesamten Wertschöpfungskette einhalten. Hindernisse im Herstellungsprozess konnten so frühzeitig erkannt und überwunden werden.
Das System vereinfachte den Wissens- und Technologietransfer zwischen global verteilten Standorten: So ermöglichten beispielsweise Lagerungsdaten aus Gefrierfarmen effiziente Qualitätskontrollen zur Integrität der Kühlkette. Maschinelle, KI-gestützte Analysen halfen, mRNA-Konzentrationen vorauszusagen – und durch die Echtzeitplanung verkürzten sich die Produktionszyklen.
Der Erfolg ließ sich leicht auf weitere Verfahren übertragen: Heute wendet der Pharmakonzern das digitale Ecosystem bei über 100 Forschungs- und Entwicklungsprojekten an. Die Ergebnisse der Gesundheitsversorgung haben sich dadurch in großem Umfang verbessert: Im Jahr 2022 ermöglichte das datenbasierte Verfahren eine vernetzte Zusammenarbeit von etwa 79.000 Mitarbeitenden des Pharmakonzerns in 125 Ländern mit 15 Standorten und 45 Anlagen. Mehr als 1,4 Mrd. Menschen wurden mit Produkten des Pharmakonzerns behandelt. Allein das Bereitstellen von Impfstoffen gegen Pandemien konnte um das Fünffache gesteigert werden.
Digitaler Zwilling sorgt für Kosteneinsparungen
Der Pharmakonzern hat ein cloudbasiertes, virtuelles Modell – den sogenannten digitalen Zwilling – eingeführt, um Prozesse rund um die Forschung, Entwicklung und Markteinführung zu beschleunigen. Dafür wurden die Informationspools des Unternehmens in ein virtuelles, cloudbasiertes Modell in einem eigenen Labor integriert. Der digitale Zwilling wird so zu einem zentralen „Punkt der Wahrheit“, an dem sich Echtzeitdaten und historische Daten aus dem gesamten Unternehmensnetzwerk analysieren und kontextualisieren lassen. So können der Pharmakonzern und seine Partnerunternehmen komplexe Arzneimittelkombinationen und Produktionsprozesse zu einem Bruchteil der Kosten modellieren.
Ein digitaler Zwilling kann nicht nur die Kosten für die Durchführung von Experimenten in vollem Umfang senken, sondern auch die Effizienz um bis zu 70 % steigern. Damit eröffnet der digitale Zwilling neue Perspektiven für die Pharmaindustrie. Führungskräfte aus der Pharmabranche sehen in dem Prozess die Grundlage für eine Zukunft der kontinuierlichen End-to-end-Verarbeitung, bei der die Produktionskosten im nächsten Jahrzehnt um das Zehnfache sinken könnten.
Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenführen
Der Pharmakonzern und das Biotech-Unternehmen zeigen, welchen Unterschied Datenmanagementsysteme und digitale Zwillinge in der Pharmaindustrie machen können – nicht zuletzt, weil sie für mehr Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette sorgen. Durch eine engere Zusammenarbeit zwischen internen Teams und externen Partnern lassen sich Informationsbarrieren abbauen, Datenprozesse stabilisieren und regulatorische Anpassungen erleichtern. Dadurch wächst die Produktivität und Teams können den Zeitplan für Projekte leichter einhalten. Auch die Rentabilität steigt, da Prozesse effizienter werden und weniger Ressourcen verbrauchen. Konsistente und zuverlässige Ergebnisse führen zudem zu einer höheren Kundenzufriedenheit.
Führungskräfte aus dem Bereich Biowissenschaften berichten, dass Ecosystem-Modelle im Vergleich zu herkömmlichen Geschäftsmodellen erhebliche Vorteile bieten können. Die Mehrheit (59 %) aller in einer EY-Ecosystem-Studie von 2023 befragten Life-Sciences-Führungskräfte gab an, dass diese Modelle die Effizienz steigern und Kosten senken. Ebenfalls mehr als die Hälfte (54 %) meint, dass sie zur Entwicklung neuer, gemeinsamer Produkte führen, während 55 % aussagen, dass der gemeinsame Ansatz Kreativität und Innovation fördert.
Der Weg des Pharmakonzerns zeigt, dass Pharma-4.0-Technologien wie das Industrial Internet of Things (IIoT), Advanced Analytics, künstliche Intelligenz und Cloud Computing die gesamte pharmazeutische Lieferkette verändern. Insbesondere KI spielt dabei eine zentrale Rolle: Durch die Integration fortschrittlicher KI-Funktionen in unternehmensweite Prozesse lassen sich komplexe Datensätze aus unterschiedlichsten Quellen schnell analysieren, interpretieren und in verwertbare Erkenntnisse umwandeln. So können Unternehmen ihre Prozesse vorausschauend und vernetzt steuern, Szenarien simulieren und diese kontinuierlich verbessern – über den gesamten industriellen Lebenszyklus hinweg.
Ähnlich wie in einem natürlichen Ökosystem, das durch das Zusammenspiel aller Elemente lebt, sorgt solch ein vernetztes Ecosystem in der Industrie für einen offenen Datenfluss. Dieser verbessert die Entscheidungsfindung, stärkt die Zusammenarbeit und erhöht die betriebliche Effizienz. Das versetzt Pharmaunternehmen in die Lage, zukünftige Herausforderungen strategisch anzugehen und rasch Lösungen umzusetzen.