Ist ein Produkt, was es vorgibt zu sein?

Interview zur Zusammenarbeit von Merck und Zebra

Gerade in der Pharmaindustrie ist das Wissen um die Echtheit von Produkten von entscheidender Bedeutung. Wie Merck und Zebra das gemeinsam bewerkstelligen, haben wir mit Dr. Thomas Endress und Stephan Pottel besprochen.

Pharma Scientist Tracking Supply Chain Via DLT
Dr. Thomas Endress ist Leiter von M-Trust und Executive Director bei Merck EMD Digital. Er verantwortet auf globaler Ebene das vorgestellte neuartige digitale Plattformgeschäft von Merck. Bevor er 2015 zur Merck Gruppe in die Konzernstrategie wechselte, wo er die Konzern-Halbleitermaterialien- und China-Strategie definierte, war er in verschiedenen internationalen Management- und Strategiepositionen tätig. Er ist Physiko-Chemiker und wurde an der Universität München in Quantenoptik promoviert.
Dr. Thomas Endress ist Leiter von M-Trust und Executive Director bei Merck EMD Digital. Er verantwortet auf globaler Ebene das vorgestellte neuartige digitale Plattformgeschäft von Merck. Bevor er 2015 zur Merck Gruppe in die Konzernstrategie wechselte, wo er die Konzern-Halbleitermaterialien- und China-Strategie definierte, war er in verschiedenen internationalen Management- und Strategiepositionen tätig. Er ist Physiko-Chemiker und wurde an der Universität München in Quantenoptik promoviert.

P+F: In Ihrer gemeinsamen Pressemitteilung sprechen Sie von einer Zusammenarbeit zur sicheren Rückverfolgbarkeit von pharmazeutischen Produkten. Was ist das Ziel dieser Kooperation?
Dr. Thomas Endress (Merck): Ziel ist es, die Identität und insbesondere die Authentizität von Produkten entlang der gesamten Lieferkette nachweisbar zu machen. Es soll eine lückenlose Verbindung zwischen der physischen und der digitalen Welt für Produkte, insbesondere im pharmazeutischen und Life-Science-Bereich, entstehen. In digitalisierten Produktions- und Logistikprozessen reicht es nicht mehr, lediglich eine Seriennummer oder einen Barcode zu erfassen – diese können gefälscht sein. Was wir mit unserer M-Trust-Plattform bereitstellen, ist eine Infrastruktur, die sicherstellt, dass ein physisches Produkt wirklich das ist, was es vorgibt zu sein.
Das Hauptproblem ist die mangelnde Sicherheit und Nachvollziehbarkeit in digitalisierten Prozessen und Lieferketten. Obwohl Produkte durch Barcodes oder RFID-Tags identifiziert werden können, fehlt oft die Gewissheit, dass ein gescanntes Objekt tatsächlich das ist, was es vorgibt zu sein und zur entsprechenden Charge oder zum digitalen Zwilling gehört. Fälschungen und ungesicherte Datenübertragungen sollen verhindert werden.

P+F: Was genau stellt M-Trust sicher?
Endress: M-Trust verknüpft die digitale Identität eines Produkts mit einem physisch nicht kopierbaren Sicherheitsmerkmal. Das kann zum Beispiel eine spezielle Tinte mit Sicherheitspigmenten auf einem Etikett sein. So entsteht ein „Trust Anchor“, vergleichbar mit biometrischen Merkmalen auf einem Personalausweis. Die Idee: Nur wenn Barcode und Sicherheitsmerkmal zusammenpassen, gilt ein Produkt als authentisch.

Stephan Pottel ist Industry Director Manufacturing EMEA bei Zebra Technologies. Er ist seit 2017 bei Zebra und Teil des EMEA-Teams für Strategie und Geschäftsentwicklung. In seiner Funktion als Industry Director beobachtet er Trends und wichtige Markttreiber in der Fertigungsindustrie. Bevor er zu Zebra kam, hatte er verschiedene Positionen bei einem paneuropäischen Systemintegrator und einem Start-up-Unternehmen mit Schwerpunkt auf SAP Mobility inne. Stephan Pottel verfügt über mehr als 20 Jahre Branchenerfahrung in der Einführung neuer Technologien bei Early Adopters in den Bereichen Transport, Logistik und Fertigung. Er hat einen Bachelor-Abschluss in Angewandter Informatik der Hochschule Niederrhein in Deutschland.
Stephan Pottel ist Industry Director Manufacturing EMEA bei Zebra Technologies. Er ist seit 2017 bei Zebra und Teil des EMEA-Teams für Strategie und Geschäftsentwicklung. In seiner Funktion als Industry Director beobachtet er Trends und wichtige Markttreiber in der Fertigungsindustrie. Bevor er zu Zebra kam, hatte er verschiedene Positionen bei einem paneuropäischen Systemintegrator und einem Start-up-Unternehmen mit Schwerpunkt auf SAP Mobility inne. Stephan Pottel verfügt über mehr als 20 Jahre Branchenerfahrung in der Einführung neuer Technologien bei Early Adopters in den Bereichen Transport, Logistik und Fertigung. Er hat einen Bachelor-Abschluss in Angewandter Informatik der Hochschule Niederrhein in Deutschland.

P+F: Und wie genau funktioniert diese Prüfung in der Praxis?
Stephan Pottel (Zebra Technologies): Dafür haben wir gemeinsam den Prototypen für ein Lesegerät entwickelt, das zwei Technologien kombiniert: Einerseits kann es den Barcode oder Datamatrix-Code also die Identität lesen, andererseits prüft es optisch das spezielle Sicherheitsmerkmal, die Authentizität. Bisher brauchte man dafür zwei Geräte. Jetzt lassen sich beide Prüfungen mit einem einzigen Gerät in einem Scan durchführen, das vereinfacht den Arbeitsablauf erheblich, beschleunigt Prozesse und reduziert die Wahrscheinlichkeit von Fehlern.
P+F: Was ist das Besondere an diesem neuen Lesegerät?
Pottel: Es ist ein Standardgerät von Zebra, das um ein sogenanntes Snap-in-Modul ergänzt wird. Dieses Modul erkennt die Sicherheitsmerkmale – in unserem Fall spezielle optische Eigenschaften wie Pigmente oder Strukturen. Das bisherige Stand-alone-Lesegerät ist bereits CE-zertifiziert und wird weltweit von Merck vertrieben und eingesetzt. Die neue Kombination mit dem Modul erlaubt die zusätzliche Authentizitätsprüfung, ohne den Scanprozess – wie bisher – zu verkomplizieren.
P+F: Was passiert mit den erfassten Informationen?
Endress: Die Daten werden mit einem digitalen Zertifikat auf unserer M-Trust-Plattform verknüpft. So können alle nachgelagerten Systeme – zum Beispiel ERP oder Track-and-Trace-Lösungen – nicht nur die Identität des Produkts nachvollziehen, sondern auch verifizieren, dass es tatsächlich von einer bestimmten Firma stammt. Das ist vor allem für automatisierte Entscheidungen wichtig, etwa bei Maschinen-zu-Maschinen-Kommunikation oder digitaler Rechnungsstellung. In einer zunehmend automatisierten Welt, in der Maschinen Fertigungsschritte ausführen und digitale Zahlungen ohne menschliche Überprüfung abwickeln könnten, ist es entscheidend sicherzustellen, dass das Material tatsächlich authentisch ist und nicht nur ein kopierter Barcode oder ein gefälschtes Dokument vorliegt.

P+F: Inwiefern ist das auch ein Beitrag zur Einhaltung regulatorischer Anforderungen?
Endress: Wir hatten einen konkreten Fall, bei dem eine Aufsichtsbehörde verlangt hatte, dass ein digitales Analysezertifikat eindeutig einer bestimmten Charge zugeordnet werden muss. Unsere Lösung macht genau das möglich: Sie schafft eine durchgängige Verbindung zwischen dem physischen Produkt und den digitalen Zertifikaten. Damit kann jede Instanz entlang der Lieferkette oder im Labor diese Beziehung prüfen – maschinenlesbar und manipulationssicher. Dies ist besonders relevant für regulierte Branchen wie die Pharmaindustrie, wo die Rückverfolgbarkeit von Chargen und die Echtheit von Medikamenten entscheidend sind. Die Lösung kann sicherstellen, dass beispielsweise ein „Certificate of Analysis“ (CoA) tatsächlich zu der gescannten Charge gehört und nicht kompromittiert wurde, indem das digitale CoA nicht mit der physischen Authentizität des Produktes übereinstimmt.

Das Standardgerät wird um ein sogenanntes Snap-in-Modul ergänzt.
Das Standardgerät wird um ein sogenanntes Snap-in-Modul ergänzt.

P+F: Wie greifen Zebra-Gerät und M-Trust-Plattform technisch ineinander?
Pottel: Das Zebra-Gerät wird vom Nutzer wie gewohnt verwendet, etwa im Lager oder Labor. Im Hintergrund läuft die M-Trust-Plattform. Sie übernimmt die Prüfung und Signierung der Authentizität und ermöglicht, standardisierte digitale Zertifikate wie Decentralized Identifiers (DID) zu nutzen, die als Standard von verschiedenen Systemen gelesen werden können. Entwickler, zum Beispiel bei Maschinenbauern oder in der Prozessleittechnik, können über ein Software-Development-Kit die Authentifizierungsprüfung direkt in ihre Workflows integrieren – zum Beispiel in Siemens- oder SAP-Systeme.

P+F: Lassen sich auch wirtschaftliche Vorteile ableiten?
Endress: Ja. Mit M-Trust können Unternehmen ein transaktionales Modell aufbauen: Jedes Mal, wenn ein Scanvorgang erfolgt und Authentizität bestätigt wird, lässt sich das protokollieren. Wer beispielsweise als Labor die Grundlage für eine Zertifizierung geschaffen hat, könnte dafür künftig entlohnt werden. Das schafft Anreize für verlässliche Daten und sichert die digitale Lieferkette wirtschaftlich ab.

Packaging service and parcels transportation system concept
Die Lösung schafft eine durchgängige Verbindung zwischen dem physischen Produkt und digitalen Zertifikaten.

P+F: Könnte die Lösung auch in anderen Branchen eingesetzt werden?
Pottel: Absolut. Die Technologie ist universell einsetzbar – in der Kosmetik-, Lebensmittel-, aber auch Luxusgüterindustrie. Alles, was eine eindeutige Identifikation und Fälschungssicherheit benötigt, kann mit dieser Kombination aus Gerät und Plattform abgesichert werden.
Endress: Je komplexer und automatisierter die Prozesse werden – gerade mit Blick auf KI und digitale Zwillinge – desto wichtiger wird dieser „Trust Anchor“. Nur mit ihm kann man sicherstellen, dass digitale Entscheidungen auf authentischen physischen Informationen basieren.

P+F: Funktioniert das System auch ohne M-Trust-Plattform?
Pottel: Ja, das Zebra-Gerät funktioniert auch autark. Die Authentizitätsprüfung wird aber erst in Verbindung mit der Plattform vollständig möglich. Für Endnutzer bleibt der Vorgang einfach: Sie scannen wie gewohnt. Die Prüfung im Hintergrund übernimmt M-Trust – ganz ohne zusätzliche Benutzerschnittstelle.

Zebra: Fachpack 2025, Halle 3C – 423

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