Mehr Sicherheit, höhere Effizienz
Automatisierte Keimzahlbestimmung im Reinraum-Monitoring
Bei der sterilen Herstellung von Pharmazeutika ist die Qualität des Reinraums ausschlaggebend und permanent zu überwachen. Automatisierte Systeme reduzieren das Kontaminationsrisiko und steigern die Produktivität durch geringere manuelle Eingriffe.
Um die Qualität parenteraler Pharmazeutika zu gewährleisten, sind robuste sterile Prozesse erforderlich. Bestimmt werden diese unter anderem durch die Qualität der Produktionsumgebung. Prozessschritte, bei denen das sterile Arzneimittel, seine Bestandteile sowie die Behältnisse, Träger und Komponenten aseptisch verarbeitet werden sollen, erfordern eine Reinraumumgebung, die in ISO-Standards und Regularien wie dem EU GMP Annex 1 oder der FDA GMP-Guidance genau beschrieben ist.
Um eine bestimmte Reinraumklasse zu erreichen, sind Kriterien zur Partikelkonzentration und -größe vorgegeben. Doch noch wichtiger ist die Anzahl – oder im Idealfall die Abwesenheit – von Keimen. Die Keimzahlmessung steht daher neben der Partikelmessung bei der Reinraumüberwachung im Vordergrund.
Partikel- und Keimzahlmessung
Für eine stabile Qualität der Produktionsumgebung muss eine kontrollierte Temperatur und Feuchte, ein kontinuierlicher Luftaustausch, eine definierte Strömung und ein geregelter Überdruck gegenüber der Umgebung niedrigerer Reinraumklassen gegeben sein. Doch selbst wenn diese Voraussetzungen alle erfüllt sind, muss die Reinraumqualität permanent überwacht werden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Abweichungen früh genug erkannt werden. Partikelmessungen lassen sich mittels physikalischer Messtechnik durchführen, die Größe und Anzahl pro Volumenelement zuverlässig ausgeben und bei einer Überschreitung definierter Grenzwerte warnen oder die Produktion abbrechen können.
Bei Keimen ist das komplizierter: Einzelne Keime sind zu klein, um sie in einem mikroskopischen Verfahren in Echtzeit zu detektieren und von nicht keimfähigen Partikeln zu unterscheiden. Hingegen sind Kolonien von Keimen auf einem geeigneten Nährmedium zählbar und identifizierbar. Die Keimzahl lässt sich dabei aktiv und passiv feststellen. Bei der aktiven Probennahme wird kontinuierlich oder phasenweise ein definiertes Volumen der Reinraumluft entnommen und über ein Nährmedium geleitet. Bei der passiven Keimzahlsammlung werden Nährmedien an entscheidenden Stellen des Produktionsprozesses offen der Reinraumluft exponiert und mittels Nährmediumsplatten die Sedimentationsrate von lebensfähigen Keimen pro Zeiteinheit gemessen.
Herausforderung Sedimentationsplatten
Allein schon die Positionierung der für das passive Keimzahlmonitoring erforderlichen Nährmediumsplatten – in der pharmazeutischen Industrie besser bekannt als Sedimentationsplatten – birgt einige Herausforderungen: Sie sollen sich in der Nähe wichtiger Prozessschritte, wie etwa dem Füllen, befinden. Gleichzeitig dürfen sie den Zugang zu technischen Einrichtungen nicht behindern, die manuelles Auf- oder Umrüsten sowie die manuelle Justierung erfordern. Am besten platziert sind die Sedimentationsplatten auf Höhe des Produkts. So können Keime aus der vorbeigeführten Luft aerodynamisch mit dem Nährmedium in Kontakt kommen.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Annex 1 den Austausch dieser Sedimentationsplatten nach spätestens vier Stunden verlangt – ein Prozess, der bisher mit manuellen Eingriffen durch das Bedienpersonal in die pharmazeutische Prozesszone verbunden war. Im Füll- und Verschließprozess von Injektionslösungen sind Restricted Access Barrier Systems (RABS) und Isolatoren üblich, die für den Austausch der Nährmedien über Handschuheingriffe verfügen. Doch diese Handschuhe müssen vor und nach jedem Eingriff auf Dichtigkeit überprüft werden. Der gesamte Prozess kann bis zu einer Stunde dauern und führt, gerade bei längeren Produktionskampagnen oder kostenintensiven Medikamenten, zu einem wirtschaftlich relevanten Umsatzverlust.
Höhere Effizienz in der Produktion
Abhilfe schaffen hier automatisierte Sedimentationsplatten-Wechsler: Ohne menschliche Eingriffe werden die Sedimentationsplatten nach den vorgeschriebenen vier Stunden automatisch ausgetauscht. Dies ist vor allem für Abfülllinien mit längeren Chargen-Zeiten ein großer Produktivitätsgewinn, etwa bei der Herstellung von Insulin, Impfstoffen oder Heparinen, die üblicherweise über mehrere Tage hinweg verarbeitet werden. Der Einsatz dieser Wechsler ist aber auch bei kürzeren Chargen sinnvoll, da die Zahl der Handschuheingriffe für Routinezwecke generell reduziert wird.
Um diese Systeme auch auf existierenden Linien nachrüsten zu können, sind sie kompakt gestaltet und kommen ohne größere Durchbrüche in die Maschinengrundplatte aus. Benötigt werden lediglich eine Stromzufuhr und eine Datenanbindung. Gerade bei Bestandslinien ist es wichtig, dass die Wechselsysteme mit den dort etablierten Sedimentationsplatten an den bereits definierten Sampling-Positionen verwendet werden können. Dies setzt in manchen Fällen auch die Verarbeitbarkeit von Sedimentationsplatten mit verriegelbaren Deckeln voraus. Eine Ergänzung durch einen Data-Matrix-Code-Leser, der die individuelle Seriennummer der exponierten Platte mit dem Zeitraum der Exposition kombiniert, bietet sich für einen automatisierten Workflow sowie für die Rückverfolgbarkeit, lückenlose Dokumentation und verwechslungsfreie Auswertung der Nährmedien zusätzlich an.
Praxisbeispiel Settle Plate Changer
Die im Markt verfügbaren Systeme können im Magazin bis zu sechs beziehungsweise zwölf Petrischalen fassen – und damit maximal 24 beziehungsweise 48 Stunden Produktion ohne weiteren Eingriff bis zum Magazinwechsel abdecken. Das trifft auch auf den neuentwickelten Settle Plate Changer (SPC) von Syntegon zu. Die mit dem Deutschen Verpackungspreis prämierte Lösung automatisiert den Austausch der Sedimentationsplatten. Berechnungen haben gezeigt, dass sich die Maschinenverfügbarkeit um bis zu 300 Stunden im Jahr erhöhen lässt. Ein optionales Data-Matrix-Code-Scanning sorgt darüber hinaus für höhere Prozesssicherheit und Rückverfolgbarkeit.
Neben signifikanten Vorteilen für die Produktivität erfüllt der automatische Plattenwechsler eine wichtige Anforderung des Annex 1: Dieser hebt im zweiten Kapitel unter dem Schlagwort „appropriate technologies“ die Automatisierung sowie Robotersysteme zur Einhaltung der Sterilität besonders hervor. Manuelle Eingriffe in die Prozesszone für das Reinraum-Monitoring lassen sich mit der Anlage um bis zu 80 % verringern und somit das Kontaminationsrisiko auf ein Minimum reduzieren. Das System ist sowohl mit dem Erwerb einer Neumaschine als auch in Form einer Nachrüstung für bestehende Anlagen erhältlich. Darüber hinaus lässt es sich auch problemlos in Maschinen von Drittanbietern integrieren.
Automatisiert in die Zukunft
Die regulatorischen Anforderungen machen es deutlich: Die pharmazeutische Industrie muss und wird sich immer stärker hin zu automatisierten Prozessen verändern. Dies betrifft sowohl die Produktionsschritte an sich als auch das passive Keimzahlmonitoring im Reinraum. Weniger manuelle (Handschuh-)Eingriffe senken das Kontaminationsrisiko. Zusammen mit einer besseren Rückverfolgbarkeit und Datenkonsistenz bei Probenahmen lässt sich so eine deutlich höhere Qualität des Reinraum-Monitorings erzielen. Die Steigerung der Produktivität ist für pharmazeutische Hersteller in einem kostensensitiven Markt ein weiteres gewichtiges Argument, das nach Erwartung der Maschinenentwickler bei Syntegon Schritt für Schritt den Weg von konventionellen hin zu automatisierten Systemen ebnen wird