Prozessanforderungen im Wandel
Herausforderungen, Chancen und Risiken neuartiger Produktklassen
Wo klassische Arzneimittel an ihre Grenzen stoßen, können neuartige Therapien helfen. Doch so vielseitig diese biotechnologischen Medikamente in ihren Wirkungen sind, so anspruchsvoll sind sie auch in der Produktion.
Von den sogenannten Advanced Therapy Medicinal Products (ATMPs) erhofft man sich, bisher nicht therapierbare Krankheiten behandeln zu können. ATMPs sind Gen- und Zelltherapeutika sowie biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte. Europaweit gibt es derzeit nur zehn zugelassene ATMPs. Trotz des aktuell geringen Marktanteils ist diese neuartige Arzneimittelklasse besonders interessant, da sie Heilung von seltenen, oft lebensbedrohlichen Erkrankungen verspricht. Das große Interesse an dieser Arzneimittelklasse zeigt sich außerdem an den prognostizierten Wachstumsraten des Marktes von bis zu 25 % sowie den zahlreichen klinischen Studien – derzeit weltweit mehr als 1.000.
Modular und flexibel für volles Potenzial
Beachtlich ist dabei, dass circa 48 % aller Neuentwicklungen aus der akademischen Forschung stammen. In den Forschungsinstituten erfolgt die Herstellung der ATMPs oft aufwendig in zahlreichen manuellen Schritten und in offenen Prozessen. Der hohe Produktionsaufwand führt zu enormen Herstellungskosten für Zell-therapien und zellbasierte Gentherapien. Die Kosten für einen Behandlungsfall liegen oft im sechs- bis siebenstelligen Bereich. Zusätzlich ist die Arzneimittelklasse der ATMPs sehr heterogen, sie umfasst völlig unterschiedliche Substanzklassen und Wirkstoffe. Um sie sicher und möglichst schnell für Patienten zugänglich zu machen, werden flexible und modulare Verarbeitungsplattformen zunehmend wichtiger.
Um das volle Potenzial dieser Therapien auszuschöpfen und um diese für möglichst viele Patienten schnell verfügbar zu machen, werden andere, neuartige Produktionslösungen benötigt. Möglichst viele Produkte dieser sehr heterogenen Arzneimittelklasse müssen demnach in ein und demselben Setting bedient werden können. Aus diesem Grund braucht es Verarbeitungsplattformen, die sowohl modular als auch flexibel sind. Im Idealfall sollten solche Plattformlösungen bereits in klinischen Studien verwendet werden, sodass die „time to market“ nicht unnötig durch den Prozesstransfer zwischen akademischer Forschung und industrieller Herstellung verlängert wird. Standardisierte Produktionslösungen, bestehend aus adaptierbaren Plattformen, würden maximale Flexibilität und verkürzte Lieferzeiten bieten. Bei der Umsetzung solcher Produktionslösungen gibt es allerdings einige Herausforderungen:
- vielschichtige Produkte sowie Heterogenität der Eingangsmaterialien
- komplexe Produktionsprozesse mit nicht vollständig verstandenen critical Process Parameters (cPPs)
- extrem hohe Anforderungen dieser Arzneimittelklasse an die Prozessumgebung (Prozessdauer, Kühlung, Scherkräfte, Materialwechselwirkungen, und vieles mehr)
Automatisierung als Schlüssel zu neuen Wegen
Die Automatisierung bietet die Möglichkeit den besonderen Ansprüchen dieser Therapeutika gerecht zu werden. Durch die Automatisierung von Arbeitsschritten oder gar ganzen Prozessen können diese geschlossen ablaufen. So wird die Reproduzierbarkeit gesteigert und Kontaminationsrisiken werden minimiert. Da die Produktion vieler Therapien oft längere Inkubationsphasen ohne Eingriffe des Operators einschließt, könnten Produktionsprozesse darüber hinaus auch parallelisiert werden - sofern sie denn geschlossen sind. Aus biologischer Sicht wäre es interessant sich auf besondere Subproduktklassen der ATMPs zu fokussieren, um zeitnah viel über die tatsächlichen Wechselwirkungen von Prozess und Produkt zu verstehen. Allogene Zelltherapien reduzieren die Herausforderung der Heterogenität des Eingangsmaterials, da sie nicht patientenspezifisch sind, aber dennoch die Komplexität des Prozesses und des späteren Produktes korrekt abbilden. In der Zukunft sollen sie außerdem als Off-the-shelf-Therapien erhältlich sein und werden entsprechend in größeren Chargen produziert. Voraussichtlich werden sogar allogene CAR-T-Zell-Therapien in absehbarer Zeit auf dem Markt verfügbar sein. In dieser Hinsicht könnte die Produktion allogener Therapien Türen in die Produktion anderer ATMP Klassen öffnen.
Unter Zuhilfenahme des (Deep) Machine Learnings könnten zukünftig kritische Prozessparameter in-line erfasst und bewertet werden. Unter Berücksichtigung aller erhobenen Daten können Produktionsprozesse flexibel angepasst werden, sodass das bestmögliche Produktionsergebnis für dieses spezielle Produkt erzielt wird. Damit wäre der Komplexität des Prozesses und des Produktes besser Einhalt geboten.
Unternehmen
Bausch + Ströbel GmbH + Co. KG Maschinenfabrik Ilshofen