Auswirkungen der US-Zölle von Trump auf die Pharmaindustrie

Da europäische Pharmahersteller große Mengen ihrer Produkte in die USA liefern, sind sie im besonderen Maße von den Auswirkungen der Zölle betroffen. (Bild: Schlierner – stock.adobe.com)

Wer blickt noch durch in dem von US-Präsident Donald Trump angerichteten Zollchaos? Vor dem von ihm so titulierten „Liberation Day“ war die Welt noch einigermaßen überschaubar, die Zölle für die meisten Waren im transatlantischen Handel mit Ausnahme von Stahl und Aluminium gering. Doch Anfang April holte er zum Rundumschlag aus: Er hob die Importzölle auf Waren von 57 Handelspartnern auf 11 bis 50 % an.

Hin und Her zwischen Eskalation und Entspannung

Als es dann weltweit an den Börsen krachte, setzte er die Anordnung für 90 Tage aus und reduzierte den Satz für alle Länder auf 10 %. Ausgenommen Länder wie China, die mit Gegenzöllen reagierten. Zwischenzeitlich betrugen die US-Zölle 145 % auf chinesische Waren und für US-Waren in China 125 %. Aber zur Persönlichkeit von Trump gehört es, dann wieder schnell zurückzurudern. Derzeit zahlen chinesische Exporteure in den USA einen Zoll von 30 %, umgekehrt sind es 10 %. Aber auch diese Regelung gilt nur für 90 Tage.

Aber kaum haben sich die Beziehungen zwischen den USA und China etwas entspannt, drohte Trump der Europäischen Union mit einem Zoll von 50 %, und zwar schon ab Anfang Juni, wenn sie nicht schnell zu Kreuze krieche. Er setzte diese Anordnung aber dann bis zum 9. Juli aus. Doch damit ist der Handelskonflikt nicht gelöst, sondern nur vertagt. Es geht hin und her, Trumps Politik schwankt zwischen Eskalation und dann Entspannung, vorläufig jedenfalls. Denn Trump will mit seiner Zollpolitik sein Wahlversprechen einlösen und Industriearbeitsplätze zurück in die USA holen, um Amerika „great again“ zu machen. „Wir erleben einen Epochenwandel in der Weltwirtschaft“, sagt Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

Trump nimmt die europäische Pharmaindustrie ins Visier

Besonders die Pharmaimporte aus Europa sind Trump ein Dorn im Auge. Er will hohe Zölle auf Pharmaprodukte erheben, damit die Produktion der wichtigsten Pharmaprodukte wieder in den USA stattfindet und diese für die Verbraucher billiger werden. Verschreibungspflichtige Medikamente sind in den USA erheblich teurer als in Europa oder anderen Industrieländern. Allein aus Deutschland bezogen die USA 2024 Pharmazeutika in Höhe von 27 Milliarden Euro. Für die deutschen Pharmahersteller sind die USA mit einem Anteil von knapp einem Viertel der wichtigste Exportmarkt.

Hart getroffen von Trumps Zollhammer wäre auch Irland, wo fast alle großen amerikanischen Pharmakonzerne wegen der niedrigen Unternehmenssteuern Fabriken errichtet haben und von dort den US-Markt bedienen. Auch die will Trump durch seine Strafzölle zur Rückkehr in heimische Standorte zwingen.

Zollchaos bietet Unternehmen auch Chancen

Die täglich neuen Anordnungen aus den USA beeinflussen erheblich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowohl auf der Einkaufs- wie auf der Vertriebsseite. Viele Unternehmen reagieren darauf allein mit dem Versuch, die Kosten zu senken, um die Verteuerung ihrer Produkte auf dem US-Markt durch Trumps Zölle abzumildern. Was sie übersehen: Diese Entwicklung bietet auch Chancen.

Zwar reduzieren Trumps Zölle das Wachstum der Weltwirtschaft. Der zu verteilende Kuchen wird kleiner. Das bedeutet jedoch nicht, dass dies automatisch auch für jedes Unternehmen gilt. Deshalb ist es falsch, darauf rein defensiv zu reagieren und nur die eigene Betroffenheit in Gestalt höherer Kosten auf der Einkaufs- und Vertriebsseite zu sehen. Denn zugleich verändert sich ja auch die Lage der Lieferanten, Konkurrenten und Kunden. Daraus ergeben sich häufig neue Spielräume für Verhandlungen mit Lieferanten, die unter Druck geraten, oder mit Kunden, weil Konkurrenten an preislicher Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Auswirkungen der US-Strafzölle auf chinesische Pharma-Vorprodukte

Trumps willkürliche Strafzölle machen die an sich schon komplexe Situation für viele Produkte und Unternehmen noch komplizierter. Dies zeigt das Beispiel eines Kunden der Verhandlungsberatung Negotiation Advisory Group, der aber den dadurch gewonnen Verhandlungsspielraum zu nutzen weiß. Dieser Kunde importiert leere Hartgelatine-Kapselhüllen, die er bisher zu wettbewerbsfähigen Preisen zuverlässig und ausschließlich aus China bezog, zur Herstellung generischer Arzneimittel, die er in einem Werk in der EU befüllt und zu erheblichen Teilen anschließend in die USA exportierte.

Vor Trumps „Liberation Day“ galt für den Import der chinesischen Kapselhüllen bereits ein Section-301-Zoll, mit dem die USA vermeintlich unfaire Handelspraktiken bestrafen und der bei pharmazeutischen Zwischenprodukten wie etwa Kapseln 25 % beträgt. Damit waren die China-Kapseln preislich trotzdem konkurrenzfähig. Der Wettbewerb mit anderen Anbietern spielte sich im Wesentlichen auf dem Feld der Verarbeitungskosten ab. Mit Trumps „Reciprocal Tariffs“ kam jedoch ein zusätzlicher Zoll von 34 % hinzu, so dass die ⁠Gesamtzollbelastung auf fast 60 % stieg.

Vorteil für europäische Hersteller

Das Problem für den Kunden: Der Strafzoll für Produkte aus China bleibt trotz der Weiterverarbeitung in Europa bestehen, wenn keine substanzielle Umwandlung erfolgt. Der Kunde muss nun den Strafzoll für die Kapselhüllen und damit eine Verteuerung seiner Produkte in den USA einkalkulieren.

Demgegenüber sind in der EU produzierte Kapselhüllen beim Import in die USA derzeit faktisch zollfrei. Trumps Strafzoll für EU-Produkte ist derzeit ausgesetzt, und bei Importen aus der EU fallen keine Section-301-Zölle an. Die EU-Kapseln sind also frei von Zöllen oder werden nur mit niedrigem Zoll nach der WTO-Meistbegünstigungsklausel belegt, sie sind aber teurer in der Beschaffung. In dieser Situation konnte das Unternehmen dem Kunden mittels des Tools mit zweiaufeinander abgestimmten Software-Komponenten auf Basis künstlicher Intelligenz schnell eine Lösung präsentieren.

KI-Optimierung unter den neuen Zollbedingungen...

Die erste Komponente stellt eigenständig alle verfügbaren Informationen und Variablen aus Datenbanken und Webseiten zusammen, um den Impact der Zölle auf die eigenen Preise, die der Lieferanten und die der Wettbewerber zu untersuchen. Auf dieser Basis analysiert die zweite Komponente dann in Sekundenbruchteilen alle möglichen Szenarien, um die beste Lösung für eine umfassende gesamtheitliche Zollstrategie entlang der Lieferkette für Einkauf und Vertrieb herauszufiltern. Mit den herkömmlichen Instrumenten wie Excel-Tabellen oder Entscheidungsbäumen dauert die Informationssammlung viel zu lange und wertvolle Zeit geht verloren, die in die Verhandlungsstrategie gesteckt werden sollte.

...ermöglicht neue Verhandlungshebel in Einkauf und Vertrieb

In diesem Fall untersuchte die KI eigenständig das Wettbewerbsumfeld aller möglichen Lieferanten für die Kapseln und identifizierte zwei alternative Anbieter in der EU. Die auf dieser Basis entwickelte optimale Einkaufs- und Vertriebsstrategie sah dann so aus: Um den chinesischen Lieferanten an den höheren Zollkosten zu beteiligen und ihn zu Preisnachlässen zu bewegen, konfrontierte der Einkauf ihn erfolgreich mit den europäischen Konkurrenzangeboten: „Entweder ihr gebt 20 % Rabatt oder wir schwenken auf die EU-Alternativen um.“ Zusätzlicher Vorteil: Eine Dual-Source-Strategie reduziert die Abhängigkeit von China und erhöht langfristig die Verhandlungsmacht im Einkauf.

Der Vertrieb bot seinen US-Kunden zwei Möglichkeiten an: sie entweder mit den nun ausschließlich in der EU produzierten Kapseln zu stabilen Preisen zu beliefern, die nominal zwar teurer sind, die aber mit geringeren Zollkosten belastet sind. Oder die bisherige Produktvariante mit chinesischen Kapseln beizubehalten, aber auf Basis eines „Pain-Share-Preismodells“ zur anteiligen Abdeckung der höheren Zollkosten nach dem Motto: Jede Seite trägt 50 % der Zölle. Mit dieser Strategie konnte sich das Unternehmen seinen Kunden in den USA als flexibler Anbieter trotz der gewachsenen geopolitischen Risiken präsentieren.

Gewinn an Transparenz und Flexibilität entscheidend

Durch die zusätzlichen Kapsellieferanten in der EU verschaffte sich der Pharmaproduzent einen strategischen Puffer, sollte die Lage im Zollstreit wieder eskalieren. Langfristig gewann es durch die Akquisition alternativer Lieferanten in der EU mehr Versorgungssicherheit. Der Wettbewerb zwischen den Bezugsquellen trägt zudem zur Preisdisziplin der Lieferanten bei. Denn sollten die Strafzölle entfallen, bleibt der Wettbewerb zwischen den Lieferanten bestehen.

Fazit: In dieser von Unsicherheit, Risiken und schnellen Veränderungen gekennzeichneten Situation ist es entscheidend zu wissen, wie Produkte, Lieferanten und Kunden von Zöllen betroffen sind, wie sich die Wettbewerbslage verändert und welche Hebel sich daraus für die Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden ergeben. Strafzölle sind insofern mehr als nur ein Beschaffungsthema, sie bieten Anlass zu strategischen Verhandlungen.

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