Doppelt kühlt besser
Redundante Kälteanlagen in der Pharmaproduktion
In der Pharmaproduktion muss die Kälteversorgung zuverlässig verfügbar und die Temperaturführung exakt sein. Vetter Pharma hat dafür am Standort in Ravensburg vier Kälteanlagen installiert, die in zwei hydraulischen Kreisläufen für redundante Kühlung sorgen.
Als Contract Development and Manufacturing Organisation (CDMO) der Pharmaindustrie produziert Vetter im Kundenauftrag unterschiedliche Medikamente. Ein Schwerpunkt liegt auf der sterilen Abfüllung von Vials, Spritzen, Karpulen und anderen Injektionssystemen. Mit jedem Produktionsbereich, den der Pharmadienstleister in Betrieb nimmt, installiert er eine neue und individuell projektierte Kälteversorgung. Denn viele Prozesse der Pharmaproduktion laufen temperaturgeführt ab, und die Abläufe stellen höchste Anforderungen an Verfügbarkeit und Regelgenauigkeit.
End-of-Line-Prüfung mit präziser Kälteversorgung
Der Pharmadienstleister hat bereits in mehreren Projekten zur Kälteversorgung mit dem Hersteller Carrier Klimatechnik zusammengearbeitet. Dabei legen die Partner nicht nur die Anlagen aus und produzieren diese, sondern projektieren sie auch und erarbeiten das Regelungskonzept – so auch beim aktuellen Projekt in Ravensburg. In einem neuen Produktionsbereich hält der Pharmadienstleister die Kühlräume, in denen die (Zwischen-)Lagerung vor der optischen Qualitätsprüfung der hergestellten Pharmazeutika stattfindet, konstant auf einem Temperaturniveau von 5 °C, wie es die Richtlinien und Qualitätsvorgaben vorschreiben.
Aus den Kühlzellen zu den Prüfplätzen
Der Prozess sieht vor, dass der Pharmadienstleister die produzierten und verpackten Pharmazeutika in Kühlzellen zwischenlagert, bevor das Team eine abschließende optische Kontrolle durchführt. Um die Wege kurz zu halten, platzieren die Verantwortlichen die Prüfplätze direkt gegenüber den Kühlzellen. Das ist eine von vielen Maßnahmen, die sie bereits bei der Projektierung einplanten, um die Kühlkette keinesfalls zu unterbrechen.
Die Anforderungen an die Regelgenauigkeit und Ansprechgeschwindigkeit der Regelung sind sehr hoch. Konkret hält der Kaltwassersatz eine konstante, sich nur langsam verändernde Vorlauftemperatur, damit der Pharmadienstleister auf der Verbraucherseite die Kühlraumtemperaturen problemlos ausregeln kann. Das Team verschiebt beispielsweise den Vorlaufsollwert der Kaltwassersätze variabel im Bereich von -5 °C bis -9 °C. Auch beim Schallpegel und anderen Anlagenparametern formulierten die Planer des Pharmadienstleisters sehr konkrete Vorstellungen.
Für diese Aufgabe entwickelte der Hersteller eine Kälteversorgung, die aus vier identischen Kälteanlagen vom Typ 30WG110 mit einer Kälteleistung von je 64 kW besteht. Diese Anlagen bieten eine kompakte Bauform und hohe Effizienz. Jeweils zwei von ihnen kombinieren die Verantwortlichen mit einem Rückkühler vom Typ 09PE – einem Sole-Luft-Wärmetauscher mit Axiallüfter – und schaffen damit eine Einheit, die je einen Solekreislauf mit Kälte versorgt.
Dezentrales Konzept mit hoher Verfügbarkeit
Denis Traub, Infrastructure and Building Automation beim Pharmadienstleister, erklärt: „Dieses dezentrale Konzept gewährleistet die geforderte hohe Verfügbarkeit von 99,9 Prozent. Bei einem Ausfall steht uns immer eine Backup-Anlage bereit und das System schaltet sofort automatisch um. Zugleich stellen wir durch das Kaskadieren einen effizienten Betrieb der Kälteversorgung im Teillastbereich sicher.“
Basierend auf den sehr genauen Vorgaben des Pharmadienstleisters erstellte der Hersteller von Klimatechnik zunächst ein R+I-Schema, das beide Partner in intensiver Detailarbeit abstimmten. Traub betont: „Wir haben sehr präzise Vorstellungen und auch hohe eigene Kompetenz in Sachen Kältetechnik.“ Entsprechend detailliert bereitete Vetter die Grundlagen für die Carrier-Mitarbeitenden zur Projektierung auf.
Individuell konfigurierte Anlagen mit Werksabnahme
Das Team des Herstellers von Klimatechnik in Deutschland passte die in seinem Werk im französischen Montluel gefertigten Anlagen an die individuellen Anforderungen des Pharmadienstleisters an, sodass sie perfekt zum Einsatzprofil passen. Die ebenfalls individuell projektierten und in Deutschland gebauten Schaltschränke für die übergeordnete Regelung entsprechen ebenfalls den gewünschten Spezifikationen.
Die Abnahme der neuen Anlagen fand vor Ort beim Hersteller von Klimatechnik statt. „So haben wir Zeit gespart und auch die Arbeitsabläufe bei Vetter nicht beeinträchtigt. Außerdem haben wir wesentliche Komponenten schon vor der Montage geprüft, um die Abnahme und Inbetriebnahme möglichst effizient zu gestalten“, erklärt Steffen Bornschlegel, stellvertretender Vertriebsleiter Süddeutschland beim Hersteller.
Auch ein „Stresstest“ unter Extrembedingungen war Teil des Abnahme- und Inbetriebnahme-Paketes, das nach den in der Pharmaproduktion üblichen strengen Regularien erfolgte. Bornschlegel fährt fort: „Die Anforderungen sind hoch – in der Projektierung, in der Ausführung und in der Inbetriebnahme. Das ist eine Herausforderung, die wir gern annehmen. Und wir schätzen es sehr, dass die Gespräche immer auf fachlich hohem Niveau waren.“
Übergeordnete Regelung folgt Security-Anforderungen
Die neuen Kälteanlagen steuert eine übergeordnete Regelung, die auch die aktuell abgerufene Leistung und die Wärmemengen auf der Kalt- und Kühlwasserseite erfasst. Hierbei handelt es sich um eine kundenspezifische Programmierung des Geschäftsfelds Controls des Herstellers von Klimatechnik. Die Experten nutzen das Gebäudeautomationssystem Web-CTRL von Automated Logic, einer Tochtergesellschaft des Herstellers. Dieses System ermöglicht, Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnikanlagen (HLK) maßgeschneidert zu regeln – auch für so spezialisierte und sicherheitskritische Anlagen wie beim Pharmadienstleister.
Vor Ort visualisiert das Bedienpanel anschaulich alle erfassten Werte, dokumentiert sie und überträgt sie per Profinet-Anbindung. Markus Dreher, Projektingenieur beim Pharmadienstleister: „Die Steuerung ist auch an unser Energiemanagementsystem angebunden. Darüber hinaus nutzen wir die Werte zum Systemmonitoring, das heißt zur vorbeugenden Instandhaltung.“
Grundsätzlich bietet das Geschäftsfeld Controls bei derartigen Regelungsprojekten ein Monitoringsystem an, das einen schnellen Support des Betreiberpersonals ermöglicht. So können Ausfallzeiten auf ein Minimum reduziert und Anlagen im echten Regelbetrieb verbessert werden. Dabei galt es, eine Besonderheit zu beachten. Dreher: „Wegen der hohen Security-Anforderungen in der Pharmaindustrie gibt es bei unseren Anlagen keine Kommunikation nach außen.“ Deshalb hat der Hersteller von Klimatechnik das Monitoringsystem nur während der Inbetriebnahme eingesetzt, während der er die Systeme an die Kundenanforderungen angepasst hat.
Regelmäßiges Überprüfen der Anlagen vor Ort
Zusätzlich zu den baulichen und steuerungstechnischen Voraussetzungen für die hohe Verfügbarkeit schloss der Pharmadienstleister mit dem Hersteller von Klimatechnik einen Wartungsvertrag ab. Letzterer überprüft die Anlagen regelmäßig vor Ort und korrigiert abweichende Parameter. Für eventuelle Reparaturen lagert der Pharmadienstleister definierte Ersatzteile direkt am Standort.
Die Kälteversorgung in der neuen Produktion ist nicht das erste gemeinsame Projekt der Unternehmen: An den Standorten Ravensburg und Langenargen sind bereits etwa zwei Hände voll Anlagen des Klimatechnikherstellers im Einsatz. Und auch die neue Anlage läuft stabil und erfüllt die individuellen Anforderungen an eine hoch verfügbare Kälteversorgung.