Entscheider-Facts
- Rohstoffe aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Hygienestandards stellen die Gewürzindustrie hinsichtlich mikrobieller Belastungen vor Herausforderungen.
- Angemessene Handlungsempfehlungen durch Behörden, insbesondere vereinfachte Freiprüfung von Chargen, könnten Betreibern helfen.
Bei der Zubereitung schmackhafter Speisen im Haushalt, in der Gemeinschaftsverpflegung und der Gastronomie sowie bei der industriellen Herstellung zahlreicher Lebensmittel sind Kräuter und Gewürze unverzichtbare Zutaten. Der Trend zur gesunden Ernährung mit weniger Salz und die Internationalisierung der Essgewohnheiten haben den Bedarf an Kräutern und Gewürzen in Europa erhöht. Die Rohstoffe der Gewürzindustrie reichen von Anis bis Zimt und stammen aus Ländern rund um den Globus, in denen Gewürzpflanzen und Kräuter kultiviert, geerntet und getrocknet werden.
Zwischen den Erzeugerländern und selbst innerhalb eines Ursprungs bestehen keine einheitlichen Hygienestandards. Daher übernimmt der Verarbeiter in Europa eine große Verantwortung im Rahmen der mikrobiologischen Qualitätssicherung der eingesetzten Rohstoffe, denn gemäß Artikel 14 Absatz 1 der europäischen Lebensmittelbasisverordnung dürfen ausschließlich
sichere Lebensmittel in Verkehr gebracht werden. Dieser Herausforderung kann nur mit einer mikrobiologischen Risikoanalyse adäquat begegnet werden. Verantwortungsvolle Hersteller arbeiten nach einem HACCP-Konzept zur Gefahrenanalyse und zur Überwachung kritischer Kontrollpunkte (Hazard Analysis and Critical Control Points) und sind nach einem Lebensmittelsicherheitsstandard der Global Food Safety Initiative (GFSI) zertifiziert.
Schutz vor Kontaminationen durch GMP und GHP
Salmonellen gehören als pathogene Mikroorganismen zur Gruppe der Enterobakterien und zeigen bei ihrem Auftreten Hygienemängel an. Auf allen Erzeugungs- und Verarbeitungsstufen sind geeignete Maßnahmen zum Schutz vor Kontamination mit Salmonellen zu treffen. Gute Herstellpraxis (GMP) mit einer guten Hygienepraxis (GHP) sind daher Basis für eine mikrobiologisch einwandfreie Erzeugung von Lebensmitteln. Da der Wunsch nach idealen hygienischen Bedingungen in der internationalen Lieferkette nicht immer erfüllt werden kann, sind Salmonellen-Kontaminationen bei Kräutern und Gewürzen schon in der Rohware möglich.
Grundsätzlich kann jedes Agrarprodukt mit sehr unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit von einer Salmonellen-Kontamination betroffen sein. Alle Qualitätsmaßnahmen der Gewürzindustrie zielen darauf ab, die Rohstoffrisiken zu beherrschen, um ein sicheres Lebensmittel zu erzeugen. Zur Steuerung mikrobiologischer Risiken muss je nach Risikolage ein geeigneter Umgang der Probenahme (Anzahl der Proben pro Charge, u.U. Foster-Plan: 60 Proben) und die Menge der Laborprobe (25 g, 125 g bis 375 g, 1500 g) für die Analytik aller Rohwaren festgelegt werden.
Keimreduzierung durch Dampfbehandlung
Gewürzspezialisten wissen um die Gefahren der importierten Produkte und bilden Risikokategorien. Rohstoffe mit hohem Salmonellenrisiko (z.B. schwarzer Pfeffer, Kreuzkümmel, Ingwer, Koriander, mediterrane Kräuter) zeigen in mehr als zehn Prozent aller untersuchten Chargen einen positiven Befund und werden systematisch einer Keimreduzierung durch natürliche Dampfbehandlung, entweder in einer Batch- oder kontinuierlichen Anlage, unterzogen. Damit können die mikrobiologischen Risiken sicher eliminiert werden. Selbst in der sichersten Kategorie, in der weniger als zwei Prozent aller Chargen einen positiven Befund aufweisen, muss nach einem solchen Ergebnis gelegentlich eingegriffen und entkeimt werden.
Jährlich werden tausende Rohstoffchargenbefunde neu bewertet sowie die Probenahmepläne und Untersuchungen den festgestellten Risikoveränderungen angepasst. Auch die vorgesehene Verwendung eines Produkts wird bei der Risikobewertung berücksichtigt. Beim direkten Verzehr fällt die Beurteilung strenger aus als etwa beim Einsatz mit integrierter Hitzebehandlung (z.B. Brühwurstherstellung). Die Annahme, dass eine Charge hinsichtlich aller Parameter homogen ist, trifft bei Spotbelastungen an einem diskreten Punkt der Charge, wie sie häufig bei einer Salmonellen-Kontamination vorliegt, nicht zu. Dies kann trotz einer umfangreichen und risikobasierten Voruntersuchung eines Gewürzes dazu führen, dass bei späterer Analyse einer Zufallsprobe ein positiver Befund möglich ist und es zur behördlichen Beanstandung der Charge kommt.
Zufällige und systematische Salmonellen-Kontaminationen
Eine positiv getestete Salmonellenprobe ist ein Anhaltspunkt dafür, dass die Probe unsicher im Sinne der Lebensmittelbasisverordnung ist, da Salmonellen grundsätzlich geeignet sind, die Gesundheit der Verbraucher zu schädigen. Damit besteht die Möglichkeit einer Gesundheitsgefahr, so dass zunächst von einem unsicheren Lebensmittel nach Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe a) ausgegangen wird. In Absatz 6 heißt es: „Gehört ein nicht sicheres Lebensmittel zu einer Charge, einem Posten oder einer Lieferung von Lebensmitteln der gleichen Klasse oder Beschreibung, so ist davon auszugehen, dass sämtliche Lebensmittel in dieser Charge, diesem Posten oder dieser Lieferung ebenfalls nicht sicher sind, es sei denn, bei einer eingehenden Prüfung wird kein Nachweis dafür gefunden, dass der Rest der Charge, des Postens oder der Lieferung nicht sicher ist.“
In der Praxis zeigen sich erfahrungsgemäß zufällige oder systematische Salmonellen-Kontaminationen, die sich wesentlich unterscheiden:
1. zufällige Kontamination als Ergebnis einer zufälligen Einmalkontamination der Ware, z.B. auf dem Feld oder beim Trocknen an der Luft („Nadel im Heuhaufen“)
2. systematische Kontamination durch z.B. kontaminiertes Prozesswasser, Verwendung von salmonellenhaltigem organischem Dünger.
Im Fall der systematischen Kontamination kann man von einer umfangreichen Kontamination ausgehen. Auch Nachuntersuchungen bestätigen einen ersten Positivbefund durch viele positive Ergebnisse. Der Gewürzveredler ermittelt eine systematische Kontamination mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon bei der Wareneingangsanalyse eines Rohstoffs und nimmt eine Keimreduzierung der Charge vor. In der Praxis lässt sich dagegen eine zufällige Kontamination (Spot-Kontamination) im Rahmen der Wareneingangskontrolle selbst bei funktionierendem Risikomanagement nicht mit Sicherheit zu entdecken. Somit kann eine Ware freigeprüft sein, weil trotz angemessenen Probenschlüssels und geeigneter Probengröße kein positives Ergebnis gemessen wird, obwohl „eine Salmonelle“ in der Charge vorhanden ist.
Behörden verhindern Freiprüfung
Die amtliche Kenntnisnahme eines Salmonellenfundes in einer Charge aufgrund der Labormeldung nach § 44 Absatz 4a des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (amtliche Beprobung) löst eine behördliche Chargenvermutung aus, gefolgt von Verkehrsverbot und Rückruf der betroffenen Charge sowie der daraus gefertigten Verarbeitungschargen. Gelingt die Widerlegung der Vermutung durch eine ausreichend hohe, statistisch abgesicherte Zahl an negativen Untersuchungsergebnissen (z.B. je nach Chargengröße PCR-Screening an einer großen Probenzahl), sollte die Chargenvermutung aufgegeben werden und die (Rest-)Charge freigeprüft sein. Diese Möglichkeit gewähren Behörden in den allermeisten Fällen nicht und nehmen dem Inverkehrbringer damit die Chance zur Freiprüfung der beanstandeten Charge, wie es die Lebensmittelbasisverordnung in Artikel 14 Absatz 6 aber grundsätzlich vorsieht.
Forderung nach Handlungsempfehlung
Für Betreiber wäre es wünschenswert, wenn das Risikomanagement der Produzenten und die vollzogenen Untersuchungen entsprechend beachtet würden. Die Chargenvermutung mit Rückruf für die Partie und deren Verarbeitungsprodukte aus dem Markt aufgrund eines einzigen positiven Salmonellen-Analyseergebnisses aus einer 25-g-Probe sollte nicht die Regel sein. Hilfreich wäre eine Handlungsempfehlung zum Umgang mit salmonellenhaltigen Lebensmitteln, wie sie im Bereich der Futtermittel bereits existiert. Die am 3. November 2021 verabschiedete Handlungsempfehlung für die in der amtlichen Futtermittelüberwachung tätigen Behörden wurde von der Projektgruppe „Salmonellen, Mikrobiologie Futtermittel“ der LAV-Arbeitsgruppe Futtermittel (AFU) erarbeitet [www.laves.niedersachsen.de/startseite/futtermittel]. Darin heißt es: „Es liegt in der Entscheidung und in der Verantwortung des Futtermittelunternehmers, Nachweise dafür zu erbringen, dass über einen bestimmten Teil der Charge, des Postens oder der Lieferung hinaus ein Teil oder Teile nicht mit Salmonellen kontaminiert sind.“ Im Übrigen wird in der Handlungsempfehlung auch auf Erläuterungen in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Ausführungen zu Artikel 14 und 15 der VO (EG) Nr. 178/2002, verwiesen. Es ist sowohl nach dem gesetzlichen Wortlaut als auch in der lebensmittelrechtlichen Literatur belegt, dass die Chargenvermutung über eine hinreichende Anzahl weiterer Untersuchungen widerlegt werden kann. Den Lebensmittelverantwortlichen in der Gewürzindustrie sollten dabei keine Steine in den Weg gelegt werden.