- Kontinuierliche Produktion lohnt sich mittlerweile auch bei geringen Produktionsmengen, da sie effiziente Produktion mit hoher Ausbeute ermöglicht. Dies ist besonders bei teuren Rohstoffen sowie in der Produktentwicklung ein großer Vorteil.
- Ein Umstieg auf kontinuierliche Produktion ist mit großem finanziellen und logistischen Aufwand verbunden. Diese Hindernisse zu senken und den Konti-Betrieb damit attraktiver zu machen, ist ein großes Ziel der Anlagenanbieter.
Insbesondere bei teuren Rohstoffen erweist sich die hohe Ausbeute, die sich in der kontinuierlichen Produktion erzielen lässt, als ausschlaggebend. Die Prozessanalysen-Technologie ermöglicht es außerdem, zu jeder Zeit an jedem Punkt die Prozessparameter abzurufen und bei Bedarf ins Geschehen eingreifen und nachjustieren zu können. Dies ermöglicht ein schnelles Anpassen einer Rezeptur, was besonders in Forschung und Entwicklung viele Rohstoffe spart.
„Der Einstieg ist einfacher geworden“
Darüber hinaus erhält man auch bei schwankenden Rohstoffqualitäten ein einheitliches Endprodukt. „Genau das ist – im Gegensatz zur Chargenproduktion – durch die intelligenten Mess- und Regelalgorithmen möglich“, erklärt Dr. Harald Stahl, Group Director Application & Strategy Management bei GEA. Damit entfällt das Risiko, eine ganze Charge wegen fehlerhafter Einstellungen verwerfen zu müssen. Die nötige Prozessanalytik und damit verbundene Software zu verbessern, ist derzeit ein wichtiges Ziel der Anbieter: „Der Einstieg ist für den Nutzer viel einfacher geworden“, betont Bart Moors, Director Global Account and Project Development Life Sciences, Siemens.
Besonders beim Abfüllen und Verpacken ist kontinuierlicher Betrieb schon lange etabliert. Mittlerweile laufen aber auch andere Prozessschritte zunehmend kontinuierlich. Beispielsweise steigt die Nachfrage nach Konti-Mischern und -Trocknern, auch Vakuumtrocknung funktioniert im Dauerbetrieb. „Der ganze Markt ist der Ansicht, dass die Nachfrage nach kontinuierlichen Lösungen steigt“, meint Tobias Borgers, Marketingleiter bei L.B. Bohle. „Jeder ahnt, dass Konti die Zukunft ist.“ Entsprechend bezeichnet der Pharmakonzern Pfizer sein zuletzt in Freiburg eröffnetes Werk mit kontinuierlicher Produktion als „Zukunftswerk.“ Nachhaltiger und flexibler produzieren zu können war das Ziel des Umstiegs auf kontinuierliche Produktion.
Ein Umstieg erfordert aber auch ein gewisses Umdenken. Bei kontinuierlicher Produktion handelt es sich, einfach ausgedrückt, um eine Kette von Batchprozessen, die automatisch nacheinander ablaufen. Eine einzelne Charge durchläuft einen Schritt nach dem anderen. Im Idealfall sind die einzelnen Chargen so klein, dass sie nicht mehr als Einzelchargen zu erkennen sind, sondern einen durchgehenden Produktstrom ergeben. Der Übergang von Batch auf Konti ist in dieser Hinsicht fließend, und auch teil-kontinuierliche Lösungen sind denkbar.
Ein weiterer Vorteil liegt auf der Hand: Das Entleeren und Befüllen bei Batchprozessen sind Stillstandszeiten, die bei kontinuierlichen Prozessen entfallen. Solange am Anfang des Prozesses Rohstoffe zur Verfügung stehen, läuft die Produktion. Die chemische Industrie ist hier schon ein paar Schritte weiter als die traditionell zurückhaltende Pharmabranche. Denn in der Pharmaindustrie sind im Schnitt die Batchgrößen kleiner, was bislang als wenig lohnenswert für kontinuierliche Prozesse galt. Ein weiteres Hindernis ist eine unter Umständen neue Validierung, die bei einem umgestellten Prozess erforderlich wird.
Das Upscaling fällt in der kontinuierlichen Produktion leicht. Während nämlich die Chargengröße im Batch-Ansatz räumlich – durch die Größe des Reaktors – begrenzt ist, erfolgt die Abgrenzung in der Konti-Produktion zeitlich. Bei kleinem Bedarf läuft die Anlage nur kurze Zeit, bei großem Bedarf läuft sie 24/7. Das macht die Produktion flexibel, da sich eine kontinuierliche Produktionslinie relativ schnell auf andere Rezepturen umstellen lässt. Kurzfristige Marktveränderungen oder Kundenanfragen lassen sich so schneller bedienen. Und wem die 24/7-Ausbeute der ersten Linie nicht reicht, der stellt eine baugleiche Anlage daneben.
Peripherie erfordert Investitionen
Doch wenn die Vorteile so deutlich sind, was hält Anlagenbetreiber davon ab, augenblicklich auf kontinuierliche Produktion umzusteigen? Da ist zum einen die Tatsache, dass Konti seinen Preis hat, und zwar wörtlich. Wer auf kontinuierliche Produktion umsteigen will, nimmt einen großen Aufwand auf sich, sowohl logistisch, als auch finaziell. „Bei der Umstellung auf Konti ist es nicht mit dem Austausch des Mischers getan“, erklärt Martin Specht, Sales Manager bei AVA. „Peripherie muss an vielen Punkten angepasst werden, was gewisse Investitionen erfordert.“
Besagte Peripherie einer kontinuierlichen Linie ist in der Regel wesentlich komplizierter als eine Serie von Batch-Reaktoren. Doch sie ist nötig. Denn die großen Vorteile der kontinuierlichen Produktion abgreifen zu können, erfordert ein großes Maß an Prozesskontrolle. Ein einziger Fehler kann die ganze Konti-Linie zum Stillstand bringen, die Anlagen müssen daher äußerst zuverlässig sein. Außerdem ist es wichtig, mit geeigneter Prozessanalytik mögliche Fehler rechtzeitig zu erkennen. Das Einrichten eines Konti-Prozesses kann Betreibern darum einige Kopfschmerzen bereiten.
Komplettlösungen aus einer Hand sind in dieser Hinsicht übersichtlicher, die Komponenten darin sind fertig aufeinander abgestimmt. Doch wer denkt, solche Lösungen seien der einzige Trend, liegt falsch. Zwar passt bei Anlagen aus einer Hand alles zusammen. Dennoch bieten einige Hersteller auch modulare Systeme an, und auch Einzelkomponenten sind gefragt. Diese zusammengesetzten Varianten unterstreichen nämlich einen Vorteil der kontinuierlichen Produktion: Sie sind flexibler. Der modulare Aufbau ist zwar keine Voraussetzung, aber er erleichtert das Reagieren auf veränderte Ansprüche.
Kooperationen erleichtern den Wechsel
Die Umstellung auf oder der Einstieg in die kontinuierliche Produktion ist also ein großer, vor allem aber ein teurer Sprung, was noch viele Produzenten davon abhält. Diese Zurückhaltung zeigt sich auch darin, dass kaum jemand diesen Sprung allein wagen will und sich einen oder mehrere Partner sucht. Kooperationen sind deshalb verbreitet. So haben sich beispielsweise die Konzerne Siemens und GEA zusammengefunden, um die Prozessanalysentechnologie im Konti-Betrieb zu stärken. Hervorgegangen ist diese Zusammenarbeit einer Anfrage des Pharmaunternehmens GSK, einen Batch-Prozess kontinuierlich durchzuführen. Das anfangs erwähnte Pfizer-Werk ist ebenfalls ein Ergebnis vieler Beteiligter, dort laufen unter anderem Dosieranlagen von Coperion K-Tron und die Tablettenplattform PCMM von GEA.
Eine weitere Kooperation besteht zwischen dem Pharma-Schwergewicht Novartis und dem Massachusetts Institute of Technology. Der Konzern hat 65 Mio. US-Dollar investiert, um mit der Elite-Uni gemeinsam das Forschungszentrum „Center for Continuous Manufacturing“ zu betreiben. Das Ziel ist, insbesondere „die pharmazeutische Produktion zu transformieren“ und generell die Vorteile der kontinuierlichen Produktion zu nutzen: Geringere Energie- und Rohstoffkosten, weniger Abfall, mehr Flexibilität, schnellere Markteinführung.
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