Cool geplant über vier Etagen
Vollautomatisiertes Tiefkühl-Logistikzentrum für Lebensmittel
Ein Lebensmittelhersteller wollte das Lagern, Frosten, Antauen und Akklimatisieren seiner Produkte unter einem Dach zusammenführen. Nun verfügt er über ein vollautomatisches Tiefkühl-Center, das seine Lagerkapazität verdoppelt und seinen Energieverbrauch halbiert hat.
Bell Schweiz hat in Oensingen in ein Tiefkühl-Center investiert, das das Lagern, Frosten, Antauen und Akklimatisieren von Lebensmitteln unter einem Dach zusammenführt. Der Generalunternehmer Stöcklin Logistik realisierte die komplexe Anlage über vier Etagen mit einem zehngassigen, vollautomatischen Tiefkühl-Hochregallager als Herzstück.
Das Projekt ist Teil eines umfassenden Modernisierungs- und Ausbauprogramms, das der Lebensmittelhersteller seit 2020 am Standort Oensingen umsetzt. Ziel ist es, die Marktführerschaft zu festigen, das Kerngeschäft abzusichern und gleichzeitig neue Dienstleistungen für Partner und Drittkunden aufzubauen. Mit fast 36.000 Palettenstellplätzen hat der Lebensmittelhersteller seine bisherige Lagerkapazität mehr als verdoppelt, während die Zahl der Mitarbeitenden unverändert blieb und er den Energieverbrauch durch moderne Isolation, kompakte Lagertechnik und hocheffiziente Kühlung um rund 50 % reduzieren konnte. Der vollständige Go-live erfolgte im August 2024, nachdem der Hersteller die einzelnen Ebenen bereits seit Frühjahr 2023 gestaffelt in Betrieb genommen hatte.
Durchgängige Prozessintegration
Das Besondere an der neuen Anlage ist, dass alle wesentlichen Tiefkühlprozesse in einem geschlossenen System integriert sind. Im neuen Tiefkühl-Center lassen sich Waren nicht nur einlagern, sondern auch tiefkühlen, gezielt antauen und für das weitere Verarbeiten temperieren. Diese durchgängige Prozesskette ist bislang europaweit einzigartig. Sie verkürzt Transportwege, stellt gleichbleibende Produktqualität sicher und erhöht zugleich die Energieeffizienz der gesamten Kühlkette.
Der Energiebedarf für das Schockfrosten und Antauen von bis zu 160 t Waren täglich sowie für den Umschlag von bis zu 2.500 Paletten liegt erheblich unter dem bisherigen Niveau und sichert dem Lebensmittelhersteller eine nachhaltige Versorgung der Märkte.
Vier Etagen mit klarer Funktion
Das 30 m hohe Tiefkühl-Hochregallager ist über neun Inertisierungsschleusen und 1,4 km Fördertechnik mit vier Vorzonen verbunden, die jeweils in unterschiedlichen Temperaturbereichen betrieben werden. Im Erdgeschoss werden Frische- und Tiefkühlprodukte im Wareneingang entgegengenommen, geprüft und direkt eingelagert. Zugleich erfolgt dort das automatische Bereitstellen für den Versand, inklusive Etikettieren und Gewichtserfassung. Im ersten Obergeschoss steht das manuelle und halbautomatische Kommissionieren von Einzelkartons und Gebinden bei -20 °C im Vordergrund, wobei die ausgehenden Paletten automatisch gewickelt und für den Versand vorbereitet werden.
Im zweiten Obergeschoss werden Frischeprodukte bei Temperaturen zwischen 0 und -2 °C zwischengelagert, während parallel akklimatisierte Tiefkühlwaren für den Ausgang bereitgestellt werden. Das dritte Obergeschoss schließlich beherbergt neben Arbeitsplätzen für das manuelle Bearbeiten von Kartons auch Portalroboter für das De- und Repalettieren sowie eine neuartige RF-Anlage, die Produkte innerhalb von nur 40 min kontrolliert von -24 auf -2 °C temperieren kann – eine Lösung, die bislang einzigartig in der Branche ist.
Bestände und Platzbelegung in Echtzeit
Herzstück der technischen Ausstattung ist das vollautomatische Hochregallager mit zehn Master-Regalbediengeräten (RBG) des Herstellers von Logistiklösungen. Die RBG bewegen bis zu 950 kg schwere Paletten zweifachtief ein und aus und erreichen in Spitzenzeiten 280 Einlagerungen sowie 250 Auslagerungen pro Stunde. Ergänzend dazu installierte der Hersteller von Logistiklösungen über 1.100 m Palettenfördertechnik und mehr als 300 m Gebindefördertechnik.
Fahrerlose Transportsysteme (AGV) mit patentierter Lithium-Ionen-Technologie ermöglichen, Transporte auch in den Blocklager- und Pufferzonen des 3. OG vollautomatisch durchführen zu können. Da die Fahrzeuge aufgrund Lithium-Ionen-Technologie an Ladestationen innerhalb der Kühlzone geladen werden können und den Einsatzbereich dafür nicht verlassen müssen, stehen sie quasi unterbrechungsfrei zur Verfügung. Sämtliche Komponenten – von RBG über Fördertechnik bis hin zu Portalrobotern – sind über die Materialfluss-Software des Herstellers von Logistiklösungen Log-OS direkt an das Lagerverwaltungssystem SAP EWM angebunden, sodass der Lebensmittelhersteller Bestände und Platzbelegung in Echtzeit visualisieren und Prozesse durchgängig steuern kann.
Partnerschaftliche Umsetzung
Das Projekt zu realisieren, erforderte, dass alle Beteiligten sich eng abstimmen. Neben Bell als Bauherr waren Weber & Partner als Logistikplaner sowie der Hersteller von Logistiklösungen als Generalunternehmer eingebunden. Letzterer übernahm nicht nur den Stahlbau und die komplette Intralogistiktechnik, sondern auch die Integration von Fremdanlagen. Viele zentrale Komponenten fertigte der Generalunternehmer im eigenen Technologiezentrum in Laufen, was angesichts der während der Projektphase angespannten Lieferketten erhebliche Vorteile brachte. Trotz der Herausforderungen – etwa durch die Pandemie oder Verzögerungen im Beschaffen elektronischer Bauteile – konnten Zeitplan, Budget und Qualität eingehalten werden. Das Projekt gilt damit auch organisatorisch als Musterbeispiel für partnerschaftliche Zusammenarbeit.
„Als zukunftsorientierte End-to-End-Lösung mit partnerschaftlichem Fokus ist dieses Projekt eine Benchmark für die Integration komplexer Prozesse in einem sehr innovativen vollautomatisierten Gesamtsystem“, sagt Damian Cueni, der Leiter Sales CH/A beim Hersteller von Logistiklösungen ist.
Vanja Marjanovic, Projektleiter SCM beim Lebensmittelhersteller, meint zu der Zusammenarbeit: „Gemeinsam mit Stöcklin und unseren Projektpartnern haben wir in Oensingen eine innovativ integrierte Logistiklösung geschaffen, die nicht nur Maßstäbe in Technologie und Nachhaltigkeit setzt, sondern auch unsere Marktführerschaft langfristig sichert. Der Erfolg dieses Projekts unterstreicht unsere Fähigkeit, komplexe Herausforderungen partnerschaftlich und effizient zu meistern.“
Mit dem neuen Tiefkühl-Center hat der Lebensmittelhersteller nicht nur seine eigene Wettbewerbsfähigkeit gestärkt, sondern zugleich sein Dienstleistungsportfolio erweitert. Neben klassischer Lagerung und Distribution gehören nun auch Mehrwertservices wie Kommissionieren, Preisauszeichnung oder Multipack-Angebote zum Leistungsumfang. Die durchgängige Prozessintegration, die Flexibilität der Technik und die hohe Energieeffizienz machen das Projekt besonders relevant für eine zukunftsorientierte Lebensmittellogistik.