Pharmazeutig begutachtet Label

Ein Rückruf in der Pharmaindustrie kann auf Großhandels-, Apotheken- oder Patientenebene stattfinden. (Bild: auremar – stock.adobe.com)

Produktrückrufe sind ein alltägliches Risiko für Unternehmen in der Lebensmittel- und Pharmabranche. So steigt in der Lebensmittelbranche die Zahl der Rückrufe seit Jahren kontinuierlich. Im Jahr 2023 wurden allein in Deutschland 310 Rückrufmeldungen auf der vom Bund und den Ländern getragenen Plattform für Lebensmittelrückrufe (lebensmittelwarnung.de) veröffentlicht. Die häufigsten Gründe waren mikrobiologische Kontaminationen (33 %), gefolgt von unzulässigen Inhaltsstoffen (20 %), Grenzwertüberschreitungen (17,5 %), Allergenen (10,5 %) und Fremdkörpern (15 %).

Auch die Pharmabranche bleibt von Rückrufen nicht verschont. Ein prominentes Beispiel ist der Rückruf des Blutdruckmittels Valsartan, bei dem krebserregende Verunreinigungen entdeckt wurden. Die häufigsten Gründe für Rückrufe im Pharmabereich sind Produktionsfehler und Qualitätsmängel, etwa durch Verunreinigungen. Nicht auszuschließen sind auch Fehler bei der Verpackung, wie mangelhafte Sterilität bei injizierbaren Produkten oder falsche und irreführende Etiketten und Beipackzettel, die zu Verwechslungen oder falscher Anwendung führen können.

Kommunikation mit den Verbrauchern ist zentral Wie in anderen Branchen beginnen Rückrufe auch im Lebensmittelbereich mit der Identifikation des Problems. Wird ein Problem festgestellt, hat das betreffende Unternehmen umgehend die zuständigen Behörden wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie die Landesbehörden zu informieren. Diese prüfen den Fall und koordinieren die weiteren Maßnahmen.

Die nächste Stufe umfasst die öffentliche Warnung. Über das Portal lebensmittelwarnung.de wird eine Rückrufmeldung veröffentlicht. Diese enthält detaillierte Informationen zu den betroffenen Produkten, den Gründen für den Rückruf und Anweisungen für Verbraucher, wie sie die Produkte zurückgeben können. Parallel dazu sind die betroffenen Produkte aus dem Handel zu nehmen. Händler und Zwischenhändler sind zu informieren, um sicherzustellen, dass die Produkte nicht mehr verkauft werden.

Von zentraler Bedeutung dabei ist die Kommunikation mit den Verbrauchern. Diese sind über verschiedene Kanäle wie Websites, soziale Medien und Pressemitteilungen auf dem Laufenden zu halten. Empfehlenswert ist in solchen Fällen immer die Einrichtung von Hotlines, um Fragen der Verbraucher zu beantworten und weitere Informationen bereitzustellen. Abschließend müssen alle Schritte des Rückrufs sorgfältig dokumentiert werden. Das Unternehmen muss den Rückrufprozess lückenlos überwachen, um sicherzustellen, dass alle betroffenen Produkte zurückgenommen werden und keine weiteren Risiken bestehen.

Betroffene Fachkreise informieren

Auch im Pharmabereich erfolgt ein Rückruf typischerweise in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden. In Zusammenarbeit mit den Landesüberwachungsbehörden und gegebenenfalls dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BFARM) wird das Risiko bewertet und entschieden, ob ein Rückruf notwendig ist und auf welcher Ebene dieser erfolgen soll – sei es auf Großhandels-, Apotheken- oder Patientenebene.

Die betroffenen Fachkreise, einschließlich Großhändler, Ärzte und Apotheker, werden über etablierte Kommunikationskanäle wie Rote-Hand-Briefe, pharmazeutische Fachpresse und direkte Benachrichtigungen informiert. In schwerwiegenden Fällen, die die Patientenebene betreffen, sollte die Öffentlichkeit durch Medien einschließlich Social-Media-Plattformen informiert werden, um sicherzustellen, dass alle potenziell betroffenen Patienten die notwendigen Maßnahmen ergreifen können.

Die entsprechenden Chargen werden von Apotheken und Großhändlern zurückgesendet und anschließend sicher und umweltgerecht vernichtet. Dieser Prozess wird streng überwacht und dokumentiert, um die Einhaltung aller Vorschriften zu gewährleisten. Auch hier sind alle Rückrufmaßnahmen umfassend zu dokumentieren. Das betroffene Unternehmen hat detaillierte
Berichte über den Rückrufverlauf und die ergriffenen Maßnahmen zu erstellen, die zur Nachverfolgung und dem zukünftigen Verbessern der Prozesse dienen.

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Die Kommunikation mit Behörden, Händlern und Verbrauchern muss bei einem Produktrückruf schnell gehen. (Bild: Fact24)

Gute Vorbereitung  und digitale Unterstützung

Damit Unternehmen im Ernstfall alle genannten Maßnahmen schnell und korrekt durchführen können, sollten sie auf eine Kombination aus guter Vorbereitung und digitaler Unterstützung durch Softwarelösungen für Krisen- und Notfallmanagement setzen. Drei Schritte sind dafür wesentlich:

  • Implementierung eines Krisenmanagement-Plans: Erstellen Sie einen detaillierten Plan, der Kommunikationsstrategien, Aufgabenverteilungen bei Rückrufen sowie Notfallprotokolle umfasst. Diesen Plan sollten Sie regelmäßig aktualisieren und testen.
  • Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeitenden: Mit regelmäßigen Schulungen zu den Krisenprotokollen und der Nutzung der Krisenmanagement-Software sorgen Sie dafür, dass im Ernstfall alle Beteiligten wissen, was zu tun ist. Simulationsübungen helfen dabei, die Reaktionsfähigkeit zu überprüfen und zu verbessern.
  • Integration von digitalen Lösungen: Eine umfassende Krisenmanagement-Software ermöglicht eine effiziente und koordinierte Reaktion im Ernstfall. Funktionen wie Massenalarmierung, automatisierte Kommunikationsketten und Echtzeit-Dashboards erleichtern die Verwaltung von Rückrufen.

Eine digitale Krisenmanagement-Lösung sollte Unternehmen bei allen drei Schritten unterstützen. Dazu sollte die Krisenmanagement-Software Maßnahmen einleiten und rechtssicher protokollieren können, indem sie Notfallpläne jederzeit abrufbar macht, Aufgaben digital verteilt und Prozesse automatisiert dokumentiert. Stakeholder wie betroffene Händler, Großhändler und Endkunden sollten sich schnell und umfassend informieren lassen – möglichst über automatisierte, zeitgleiche und spezifische Benachrichtigungen. Der Rückrufprozess sollte mit digitalen Tools überwacht werden, zurückgegebene Produkte sowie Beschwerden und Probleme sind zu protokollieren. Automatisierte Reports und Zwischenberichte erleichtern außerdem, Maßnahmen nachzuverfolgen und auszuwerten. Ebenfalls empfehlenswert ist ein digitales Dashboard, das den Verantwortlichen einen dauerhaften Echtzeit-Überblick über den gesamten Rückrufprozess gibt, sodass sie jeden Arbeitsstrang im Blick behalten und den Rückruf effizient koordinieren können.

Use Case: Produktrückruf bei einer Supermarktkette

Eine Software, die diese Anforderungen erfüllt, ist Fact24. Die Lösung wird beispielsweise von einer Supermarktkette mit rund 300 Filialen genutzt, um ihre Produktrückrufe effektiv zu koordinieren, und kommt dort 30 bis 40 Mal jeden Monat zum Einsatz. Kommt es zu einem Rückruf, löst das Tool einen Alarm aus und sendet eine Benachrichtigung an sämtliche Filialen, die das zu entfernende Produkt führen. In einer Rückmeldeaufforderung wird von den Filialen nun eine Bestätigung gefordert, dass das Produkt binnen 60 Minuten zurückgenommen wurde. Erfolgt eine solche Rückmeldung nicht, wird ein erneuter Alarm an die betroffenen Filialen gesendet.

Schließlich erhält die Geschäftsführung eine zusammenfassende Meldung, die auch eine Liste aller Filialen beinhaltet, bei denen keine Rückmeldung erfolgt ist. Dieses Vorgehen garantiert der Supermarktkette eine konstante Erfolgsquote von 85 %, in der die betroffenen Filialen einfach und effizient bestätigen, dass das entsprechende Produkt aus ihrem Sortiment entfernt worden ist.

Fazit: Sechs zentrale Empfehlungen für Rückrufe

Durch präventive Maßnahmen und die Implementierung digitaler Krisenmanagement-Lösungen stärken Unternehmen ihre Resilienz und reagieren im Ernstfall schnell und effizient. Dies dient nicht nur dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch dem Image und der wirtschaftlichen Stabilität des Unternehmens. Die folgenden sechs Maximen sollen Unternehmen auf Produktrückrufe vorbereiten.

  • Agieren Sie präventiv: Digitalisieren Sie Ihre Business Continuity Prozesse, überprüfen Sie Schwachstellen und erstellen Sie Alarme.
  • Handeln Sie verzahnt: Integrieren Sie Krisenprävention, Risiko-Monitoring, Alarmierung und Incident Management.
  • Behalten Sie alles im Blick: Nutzen Sie eine digitale Plattform für ortsunabhängiges Krisenmanagement.
  • Koordinieren Sie die Zusammenarbeit: Verwenden Sie smarte Alarmierungs-Services und digitales Aufgabenmanagement.
  • Kommunizieren Sie professionell: Verwenden Sie Templates für Berichte und richten Sie Info-Hotlines ein.
  • Dokumentieren Sie Rückrufe revisionssicher: Dokumentieren Sie Geschehnisse in Echtzeit für Ihre Evaluation und Behörden.

Ruhige Zeiten sind genau der richtige Moment, um sich proaktiv auf Krisen wie Rückrufaktionen vorzubereiten. Damit stärken Unternehmen zudem ihre Resilienz auch hinsichtlich anderer Krisensituation, wie Cyberattacken, IT-Ausfälle, Naturkatastrophen oder Unterbrechungen der Lieferkette. Mit der richtigen Krisenmanagement-Software bleiben Unternehmen auch im Krisenfall voll handlungsfähig.

 

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Ein digitales Dashboard ermöglicht es, alle Geschehnisse im Rahmen des Produktrückrufs an einem Ort zu verwalten. (Bild: Fact24)

Entscheider-Facts

  • Produktrückrufe passieren sowohl in der Pharma- als auch der Lebensmittelindustrie.
  • Unternehmen sollten in ruhigen Zeiten für solche Fälle ein Krisenmanagement einrichten und testen.
  • Eine Krisenmanagement-Software erleichtert es, den Überblick zu behalten und den Prozess zu automatisieren.

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