Neue Online-Plattform

VCI will Desinfektionsmittel-Notversorgung sicherstellen

VCI-Präsident Christian Kullmann hat Gesundheitsminister Jens Spahn in der Corona-Krise eine noch größere Unterstützung durch chemisch-pharmazeutische Industrie zugesagt. Eine neue digitale Plattform soll die Notfallversorgung mit Desinfektionsmitteln koordinieren.

Lanxess übernimmt
Desinfektionsmittel sind derzeit knapp – die neue Online-Plattform soll die Versorgung sicherstellen.

Der Online-Marktplatz soll schon in den kommenden Tagen an den Start gehen und Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen in ganz Deutschland zugute kommen. Hinter der Initiative unter dem Dach des VCI stehen sowohl große Hersteller als auch mittelständische Unternehmen, die wöchentlich mehrere tausend Tonnen der benötigten Chemikalien und Gebinde für ihren Transport liefern. „In einem gemeinsamen Kraftakt werden unsere Unternehmen alles dafür tun, Kerneinrichtungen des Gesundheitssystems in ganz Deutschland mit Desinfektionsmitteln zu versorgen, und zwar flächendeckend und ohne gewinnorientierte Überlegungen“, stellt VCI-Präsident Christian Kullmann klar. Die Unternehmensberatung Boston Consulting Gorup hat den Chemieverband beim Aufbau der Plattform unterstützt.

Markteingriff nur „so weit wie nötig“

Die Plattform „Notversorgung Desinfektionsmittel“ verfolgt dabei mehrere Ziele: Sie soll bestehende Lieferketten unterstützen, Kontakte zwischen den Akteuren erleichtern und als zentrale Anlaufstelle für Informationen dienen. Um den rasant gestiegenen Bedarf im Gesundheitssystem decken zu können, sollen sich so Produktion, Abfüllung, Konfektion und Verteilung fertiger Desinfektionsmittel oder einzelner Rohstoffkomponenten durch die Unternehmen optimal aufeinander abstimmen lassen. Die Plattform wird als temporäre Lösung für die Notfallversorgung konzipiert, die nur so weit wie nötig in das Marktgeschehen und etablierte Lieferketten eingreift. Eine Qualitätssicherung soll sicherstellen, dass die Desinfektionsmittel nur in die richtigen Hände kommen.

Hilfsbereitschaft ist bereits groß

Bereits in der vergangenen Woche hatte der VCI gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) kurzfristig die Lieferung von Desinfektionsmitteln zur Notfallversorgung organisiert. In einem ersten Schritt haben Mitgliedsunternehmen des VCI insgesamt 700 t Ethanol und 35.000 l Wasserstoffperoxid sowie über 12.000 l Glyzerin als Komponenten für Händedesinfektionsmittel zur Verfügung gestellt. Hilfsangebote vieler weiterer Unternehmen aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie zur Notversorgung regionaler Gesundheitseinrichtungen kamen in den letzten Tagen hinzu.

Gesundheitsminister Jens Spahn bedankt sich bei Unternehmen

Gesundheitsminister Jens Spahn begrüßte nach Angaben des VCI die erneute Initiative der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Deutschland brauche jetzt gute und schnelle Lösungen, um den dringenden Bedarf an Desinfektionsmitteln decken zu können. Der Schritt zeige nun „einmal mehr, dass sich die deutsche Wirtschaft gerade in diesen schwierigen Zeiten zu ihrer Verantwortung bekennt. Ich danke allen Unternehmen, die sich an der neuen digitalen Plattform beteiligen.“ (jg)

Bildergalerie: Pharmaindustrie in der Coronakrise

Street scene in nyc
Die pharmazeutischen Unternehmen forschen fieberhaft nach Heil- und Impfstoffe, spüren wie andere Industrien aber auch zunehmend die Auswirkungen von Ausgangssperren und Problemen bei den Lieferketten. Wir fassen die aktuellen Entwicklungen in der Branche zusammen.
roche
Um Infizierte zu erkennen und Infektionsketten zu durchbrechen, werden derzeit überall die Testkapazitäten für den Coronavirus hochgefahren. Während solche Tests beispielsweise schon frühzeitig von Unternehmen wie Qiagen kamen, entwickeln verschiedene Pharma-Größen neue Testverfahren, um größere Probenmengen in kurzer Zeit zu ermöglichen. Schon am 13. März erhielt Pfizer von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA eine Notfallzulassung für ihren Test Cobas, der in der Folge auch in vielen anderen Märkten zugelassen ist. Auch Thermo Fisher bekam eine sogenannte Emergency Use Authorization (EUA). Am 18. März folgte der Pharmakonzern Abbott, der gleichzeitig ankündigte, etwa 150.000 Tests in den USA auszuliefern. Das Pharmaunternehmen Eli Lilly kündigte an, seine Labors zur Verfügung zu stellen, um Proben aus dem Bundesstaat Indiana zu analysieren.
Virus and antibodies close-up on DNA background, scientific back
Neben Test wird mit Hochdruck auch an Heilmitteln für die durch den Virus ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 geforscht. Auf dieser Suche schließen sich viele Pharmaunternehmen zusammen: Vir Biotechnology und Biogen unterzeichnen am 12. März eine Absichtserklärung für die Entwicklung und Herstellung von monoklonalen Antikörpern gegen Covid-19. Auch Abcellera and Eli Lilly wollen zusammen an Antikörpern forschen. Gerüchte, dass das HIV-Mittel Darunavir auch bei Sars-CoV-2 bzw. Covid-19 helfen könne, wies Johnson&Johnson zurück. Dafür gebe es keine Belege. Dagegen gibt es Hinweise, dass das Jahrzehnte-alte Malariamittel Chloroquin bei Covid-19-Patienten wirken könnte. Bayer hat der US-Regierung daher 3 Mio. Tabletten gespendet.
biontech
In weiterer Ferne liegt dagegen noch ein Impfstoff gegen den Coronavirus. Doch es gibt hoffnungsvolle Entwicklungen – unter anderem aus Deutschland. Für seinen möglichen, auf Messenger-RNA (M-RNA) basierenden Impfstoff hat das Mainzer Unternehmen Biontech am 17. März mit dem Pharmariesen Pfizer eine Kooperationsvereinbarung getroffen. Diese umfasst die weltweite Entwicklung und den Vertrieb. Für China hatte sich das Unternehmen zuvor bereits mit Fosun Pharma zusammengetan. Auch das Tübinger Unternehmen Curevac hat einen vielversprechenden Impfstoff in der Pipeline und musste von Eigner Dietmar Hopp gegen Abwerbe-Avancen der amerikanischen Regierung geschützt werden. Das US-Unternehmen Moderna gab am 16. März bekannt, seinen M-RNA-Impfstoff in einer klinischen Studie der Phase I erstmals an einen Probanden verabreicht zu haben.
Sanofi
Während viele Pharmaunternehmen derzeit also unter Hochdruck arbeiten, geraten wie in anderen Branchen auch die Lieferketten in Gefahr. So berichtete etwa GE Healthcare Life Sciences am 11. März von Störungen bei Lieferanten und zunehmenden Problemen beim Transport. Novartis erwartete dagegen zum gleichen Zeitpunkt noch keine Schwierigkeiten bei der Lieferkette. Ähnliches gab es eine Woche später von Oxford Biomedica und Sanofi zu hören. Bora Pharmaceuticals gab am 18.3. bekannt, die Liefersituation sei zwar derzeit unter Kontrolle, man wolle gleichzeitig aber Lagerbestände aufstocken. Um die Lieferketten von Unternehmen zu schützen, die die Medikamente zur Bekämpfung von Covid-19 herstellen und vertreiben, kündigte die Asiatische Entwicklungsbank bereits am 12. März ein 200 Mio. US-Dollar schweres Programm an. Der LohnherstellerWuxi Apptec gab derweil schon am 11. März bekannt, den Betrieb in der chinesischen Stadt Wuhan, wo der Ursprung der Epidemie vermutet wird, wieder aufgenommen zu haben.
MErck
Viele Veranstaltungen in der Pharmabranche wurden dagegen abgesagt. Die Messe CPHI North America, die ursprünglich Anfang Mai in Philadelphia stattfinden sollte, wurde am 12. März auf den 9. bis 11. September verschoben. Auch der Darmstädter Pharmakonzern Merck verschob seine für den 24. April in Frankfurt angesetzte Hauptversammlung wegen des Coronavirus auf unbestimmte Zeit.
astra zeneca
Auch sonst sorgt das Virus für Verwerfungen im Arbeitsablauf der Pharmaunternehmen. Zahlreiche Unternehmen wie Astrazeneca, Novartis, Bristol Myers Squibb, Amarin und Genetech verstärken Homeoffice-Angebote und/oder verringern Vertriebsaktivitäten mit physischem Kontakt. Auch die US-Gesundheitsbehörde FDA empfiehlt in ihren am 18. März veröffentlichten Leitlinien für klinische Studien während der Corona-Epidemie mehr telefonische Kontakte, virtuelle Besuche sowie eine zusätzliche Sicherheitsüberwachung für Studienteilnehmer. Am 17. März wurde bekannt, dass die Coronasituation auch die Megafusion von Abbvie und Allergan wahrscheinlich verzögern wird.