„Eine gute Change Story war entscheidend“
Interview zur Einführung eines standardisierten QMS bei Medac
Die Einführung eines zentralen Qualitätssicherungssystems ist kein trivialer Prozess. Insbesondere wenn es um eine globale Organisation geht, die verschiedene Standorte und Bereiche inklusive CDMO-Geschäft umfasst. Aber die Mühe lohnt sich.
Pharma+Food: Herr Dr. Guhde, Sie haben 2018 die Position der Qualitätsleitung bei Medac übernommen. Welche Bedeutung hatte für Sie die Einführung eines neuen Qualitätsmanagementsystems?
Dr. Ingo Guhde: Nach meiner Übernahme der Qualitätsleitung habe ich der Geschäftsführung drei klare strategische Ziele präsentiert: erstens, eine proaktivere Rolle der Qualitätsorganisation in unseren Prozessen zu etablieren. Zweitens, eine globale Qualitätsorganisation mit harmonisierten Prozessen aufzubauen, um die Zusammenarbeit effizienter zu gestalten, da dies historisch anders organisiert war. Und drittens, alle Standorte FDA-konform zu machen. Schnell wurde klar, dass die Grundvoraussetzung hierfür ein gemeinsames elektronisches Qualitätsmanagementsystem war. Das ist bis heute unser Hauptprojekt zur Einführung global harmonisierter und standardisierter Prozesse in der gesamten Gruppe.
Pharma+Food: Herr Backasch, wie kam es zur Entscheidung für Veeva, und wie lief das Implementierungsprojekt innerhalb der Medac-Gruppe ab?
Birjo Backasch: Wir haben den Markt sondiert und nach einem Auswahlverfahren hat sich Veeva als der geeignetste Kandidat für uns herausgestellt. Die Implementierung startete 2021 und wurde innerhalb der gesamten Medac-Gruppe ausgerollt. Dies umfasste unseren Produktionsstandort in Deutschland und in der Tschechischen Republik sowie unsere französischen Kollegen der Landesorganisation. Historisch kamen unsere Bulk-Herstellstandorte von Papier und Excel, während unser Hauptquartier ein System nutzte, das unseren Bedürfnissen nicht mehr entsprach. Ziel war es, alle Teile der Organisation auf ein einheitliches Qualitätsniveau zu heben.
Pharma+Food: Eine so heterogene Ausgangslage war sicherlich eine Herausforderung. Wie haben Sie die Akzeptanz des Systems sichergestellt, insbesondere vor dem Hintergrund unterschiedlicher Unternehmenskulturen und Arbeitsweisen?
Dr. Guhde: Wir haben aus früheren IT-Projekten gelernt, dass wir alle Standorte und Organisationen von Anfang an im Projektteam vertreten haben wollten, um die Akzeptanz zu sichern und nicht nur die Perspektive des Hauptquartiers aufzuzwingen. Das war das erste Projekt bei Medac, das wir so angegangen sind, und es war gleichzeitig unsere erste cloudbasierte Anwendung. Die Einführung war auch eine großartige Übung in interkultureller Zusammenarbeit, da es Unterschiede im Umgang mit Veränderungen gab. Eine gute Change Story war entscheidend, um die Vorteile des Systems für jeden Einzelnen und die Gruppe klar aufzuzeigen, was letztlich zu einer hohen Akzeptanz führte.
Backasch: Uns hat auch ein externer Dienstleister mit Erfahrung in Veeva-Implementierungen und Change Management im Prozess begleitet. Er half uns, die Mitarbeiter an das neue cloudbasierte System heranzuführen.
Pharma+Food: Ein erklärtes Ziel war die Standardisierung der Prozesse. Konnte dieses Ziel vollständig erreicht werden, oder waren Kompromisse nötig?
Dr. Guhde: Eine hundertprozentige Standardisierung ist schwer erreichbar. Wir mussten an einigen Stellen Kompromisse eingehen, bedingt durch landestypische gesetzliche Anforderungen und unterschiedliche Geschäftsprozesse, etwa zwischen einem reinen Herstellungsstandort und unserem Hauptquartier als Zulassungsinhaber. Eine Vorgabe war aber, nah am Standard zu bleiben, da zu viel Customizing die Zukunftssicherheit bei den drei jährlichen Veeva-Updates gefährdet. Wir sind weiterhin dabei, Prozesse zu optimieren und gegebenenfalls Fehlentscheidungen zu korrigieren, um sie dem Standard näherzubringen.
Pharma+Food: Gab es während der Implementierung unvorhergesehene Herausforderungen, die den Projektverlauf beeinflusst haben?
Backasch: Ja, es gab einige Punkte, die uns überrascht oder aufgehalten haben. Eine große Herausforderung lag in den Prozessdefinitionen: Es war schwierig, unsere Experten, die alte Prozesse in- und auswendig kannten, davon zu überzeugen, diese zu ändern, da das System viele Dinge anders oder gar automatisch erledigte. Zudem mussten wir das Projekt für die Einführung der Change Controls um ein halbes Jahr verschieben, weil Veeva kurzfristig ihr Datenmodell geändert hat und wir diese Umstellung vor der Einführung integrieren wollten. Eine weitere unerwartete Situation war der Druck der brasilianischen Behörde, die uns nahelegte, die Data-Integrity-Verbesserung an einem Standort zu beschleunigen. Dort mussten wir kurzfristig ein Teil des QMS ohne Anpassungen einführen.
Pharma+Food: Das Projekt umfasste also weit mehr als nur Technologie, es war auch ein signifikanter organisatorischer Wandel. Wie gelang es Ihnen, die Mitarbeiter langfristig zu überzeugen und mitzunehmen?
Dr. Guhde: Anfangs gab es Diskussionen und es brauchte Zeit, sich an das komplett neue System und die andere digitale Arbeitsweise anzunähern, beispielsweise das Ablegen von Dokumenten auf dem Desktop. Nach den Trainings und Schulungen und dem Go-live waren aber über 80 % der Mitarbeiter mit dabei. Heute, nach Projektabschluss, haben wir eine sehr gute Akzeptanzquote, und die Nutzer erkennen die enormen Vorteile: Alles ist miteinander vernetzt, transparent durch Dashboards und der Zugriff auf Informationen wie Schulungsstatus ist „one click away“. Man muss nicht mehr lange recherchieren oder telefonieren, um Daten zu erhalten.
Pharma+Food: Können Sie bereits messbare Verbesserungen benennen, etwa in Bezug auf Effizienz oder Compliance?
Dr. Guhde: Ja, definitiv. Wir sind stringenter in der Terminierung unserer Vorgänge geworden; weniger Prozesse sind überfällig und überschreiten ihren Zieltermin. Die Intransparenz der alten Welt ist einer klaren Nachverfolgbarkeit gewichen. Was die Effizienz angeht, konnte ich in einigen Bereichen sogar den Headcount reduzieren, da bestimmte Aufgaben weggefallen sind und Mitarbeiter nun andere, wertschöpfendere Tätigkeiten übernehmen können. Für das Management sind das natürlich relevante Zahlen.
Pharma+Food: Hat die Einführung des neuen e-QMS auch die Zusammenarbeit mit Kunden verändert oder verbessert?
Backasch: Die Auswirkungen sind noch nicht umfassend messbar, da viele unserer Elemente, die für die Kommunikation mit Dritten wichtig sind, erst seit Herbst letzten Jahres implementiert wurden.
Dr. Guhde: Ich kann aber ergänzen, dass einer unserer Kunden, der selbst Veeva nutzt, sofort positiv reagierte. Man spricht die gleiche Sprache und weiß, welche Tools wie zu verwenden sind. Das hat einen sehr positiven Effekt auf die Kommunikation mit dem Kunden, auch wenn es nicht direkt messbar ist.
Pharma+Food: Mit dem Projekt ist der erste Schritt getan. Wie gehen Sie mit Veevas kontinuierlicher Release-Strategie um, und welche weiteren Pläne gibt es für die Plattform in der Gruppe?
Backasch: Wir haben ein Komitee etabliert, das die Innovationen von Veeva kontinuierlich prüft und bewertet. Wir nutzen interne Releases, um zu entscheiden, wo wir den größten Nutzen sehen, Lücken schließen oder auf Behördenfindings reagieren können. Ziel ist es, auf dem neuesten Stand zu bleiben, um zu vermeiden, dass uns zukünftige Funktionen verwehrt bleiben, weil wir frühere Updates nicht implementiert haben. Auch als mittelständische Firma mit fokussierten Ressourcen setzen wir alles daran, am Puls der Zeit zu bleiben.
Dr. Guhde: Das Projekt zur Einführung der grundlegenden Q-Prozesse ist zwar abgeschlossen, aber „nach dem Spiel ist vor dem Spiel“. Wir haben eine Roadmap für die nächsten fünf Jahre. Wir werden die Funktionalität im Quality-Bereich weiter ausbauen und auch die Kollegen im Regulatory-Bereich migrieren ihre Prozesse in Veeva. Unser nächstes großes Ziel ist die Einführung des Validation Vault, um Validierungsprozesse digital zu steuern und sicherer zu machen. Wir haben uns bewusst für einen phasenweisen Ansatz entschieden, statt eines „Big Bangs“, da dieser für uns ein zu hohes Risiko dargestellt hätte und das Unternehmen stark beeinträchtigt hätte. Dieser phasenweise Ansatz, der Risikomanagement und Ressourcen berücksichtigt, hat sich bewährt.